Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Chyawanprash: Hilft das Ayurveda-Mus?

Chyawanprash ist in Indien als Nahrungsergänzung weit verbreitet. Das aromatische Mus wird aber mittlerweile weltweit verkauft. Es soll die Gesundheit positiv beeinflussen.

AutorIn:

Hat die indische Gewürzpaste Chyawanprash eine positive Wirkung auf die Gesundheit von Erwachsenen?

Zu möglichen Gesundheitseffekten von Chyawanprash fehlen aussagekräftige Untersuchungen. Wir können eine förderliche Wirkung weder bestätigen noch verneinen.

so arbeiten wir
© StockImageFactory.com - Shutterstock.com Ayurveda-Mus Chyawanprash: Viele Zutaten, wenig gesichertes Wissen.
© StockImageFactory.com – Shutterstock.com

In vielen indischen Haushalten findet sich Chyawanprash: Das würzige Mus besteht dem traditionellen Rezept zufolge aus exakt 48 Zutaten.

Eine Hauptzutat sind die in Butterschmalz und Sesamöl gebratenen Indischen Stachelbeeren, auch Amlabeeren genannt. Außerdem werden für Chyawanprash Dutzende Ingredienzen (Kräuter, Früchte, Blätter, Blüten usw.) mit Wasser, Zucker und Honig eingekocht.

Längst hat es Indiens Grenzen überwunden und sich am globalen Markt etabliert [2,3].

Zu schön, um wahr zu sein?

Regelmäßig ein Löffelchen Chyawanprash, pur oder in Wasser bzw. Milch eingerührt – das soll nicht nur gut schmecken, sondern auch der Gesundheit in vielerlei Hinsicht nutzen.

Angeblich fördert das traditionelle Ayurveda-Heilmittel Chyawanprash die Widerstandskraft, wirkt als Anti-Aging-Mittel und verbessert die Gesundheit in etlichen weiteren Aspekten [4,5].

Was kann die Tradition?

Auch wenn die Einnahme von Chyawanprash in Indien eine lange Tradition hat – zu diesen fast märchenhaft klingenden Lobpreisungen können wir keine Einschätzung geben. Die wenigen wissenschaftliche Studien über die Wirkung von Chyawanprash erlauben leider keine Aussagen darüber, ob das Mus positive Gesundheitseffekte zu entfalten vermag.

So das Fazit nach unserer Recherche in mehreren wissenschaftlichen Datenbanken. Dabei haben wir nach Studien gesucht, die die Wirkung von Chyawanprash auf Erwachsene aus der Allgemeinbevölkerung untersucht haben.

Wir konnten nur eine kleine Studie [1] auswerten; diese hat aber so viele Mängel, dass wir den Ergebnissen nicht einmal im Ansatz vertrauen können.

Keine Standards, keine Nachweise

Falls Chyawanprash – für das es übrigens viele Schreibweisen gibt – tatsächlich die eine oder andere langfristige positive Wirkung haben sollte, dürfte ein Nachweis schwierig sein. Denn für die Produktion des musartigen Nahrungsergänzungsmittels gibt es keine Standards.

Das heißt, für Anbau, Lagerung und Verarbeitung der diversen Zutaten fehlen Normen. Je nach Hersteller kann die Chyawanprash-Zusammensetzung variieren. Folglich sind keine eindeutigen Aussagen über die Konzentration von eventuell gesundheitsfördernden Wirkstoffen möglich [4,5].

Die Studien im Detail

Zum Thema Chyawanprash ist die wissenschaftliche Literatur ziemlich dürftig. Einige Studien zum Thema beziehen sich auf Zell- und Tierversuche. Diese Ergebnisse können nicht ohne weiteres auf den Menschen übertragen werden.

Keine Aussagen möglich

Die einzige Studie [1], die wir auswerten konnten, stammt aus dem Jahr 2014. Ziel war es herauszufinden, ob Chyawanprash als „Gedächtnis-Booster“ funktioniert, also die geistige Leistungsfähigkeit verbessern kann.

Teilgenommen haben 75 College-Studentinnen und 53 College-Studenten aus Kerala in Indien. Sie waren um die 19 Jahre alt, ohne besondere Vorerkrankungen und studierten gesundheitswissenschaftliche Fächer. Mehr ist über die Studienpopulation leider nicht herauszulesen.

Das Studienteam teilte die jungen Erwachsenen auf zwei Gruppen auf; laut Publikation bestimmte eine computergenerierte Zufallssequenz die Gruppenzuteilung.

Die Studierenden aus der Chyawanprash-Gruppe sollten täglich 2 Mal ca. 15 Gramm („1 Teelöffel“) des Nahrungsergänzungsmittels zu sich nehmen – und das 150 Tage lang. Die Vergleichsgruppe bekam offenbar nichts.

Zu Beginn und am Ende der Studie wurde die geistige Leistungsfähigkeit getestet – durch eine Prüfung des Erinnerungsvermögens an Wörter, Zahlen und Bilder. Das Autorenteam spricht sich für eine gewisse Verbesserung des Kurzzeitgedächtnisses in der Chyawanprash-Gruppe aus.

In der Publikation bleibt so vieles unklar, dass wir den Ergebnissen überhaupt kein Vertrauen schenken können. Es geht nicht hervor, ob die Gruppen zu Studienbeginn für einen fairen Vergleich am Ende ähnlich genug waren. Es bestehen große Zweifel, ob die Testmethoden nachweislich geeignet waren, um die geistige Leistungsfähigkeit verlässlich abzubilden.

Das Studienteam diskutiert auch nicht, ob die von ihnen veröffentlichten statistischen Verbesserungen nur auf dem Papier gelten – oder ob sie groß genug waren, um für die Teilnehmenden spürbar zu sein.

Die Vertrauenswürdigkeit ist für uns auch dadurch herabgesetzt, dass die Studien nicht verblindet waren. Zumindest die Teilnehmenden wussten die ganze Zeit, welcher Gruppe sie zugeteilt waren. Dies kann Erwartungshaltungen und Verhalten beeinflusst und zu Verzerrungen geführt haben.

Abgesehen davon fehlen Angaben zur Auswertungsmethode. Auch die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung ist bei dieser speziell ausgewählten Gruppe an Teilnehmerinnen und Teilnehmern wohl nicht gegeben.

[Aktualisiert, ursprünglich veröffentlicht am 2016. Eine neuerliche Recherche hat keine Veränderung unserer Einschätzung bewirkt. Allerdings haben wir bei unserer Überarbeitung im November 2019 andere Studien ausgewertet und den Text stark verändert.]

[1] Sailesh u.a. (2014)
Studientyp: randomisiert-kontrollierte Studie
Studienteilnehmer: 128 Studentinnen und Studienten
Fragestellung: Profitieren College-Studenten von der regelmäßigen Einnahme von Chyawanprash ?
Mögliche Interessenskonflikte: Chyawanprash-Hersteller hat die Studie durch Warenspenden unterstützt

Kumar Sai Sailesh, Archana R, Soumya Mishra, Symphoria, Mukkadan JK. Effect of chyawanprash on cognitive, autonomic and respiratory parameters in college students. Int. J. Res. Ayurveda Pharm. 5(4), Jul – Aug 2014. 435.

Weitere Quellen

[2] Narayana u.a. (2017)
Narayana DB, Durg S, Manohar PR, Mahapatra A, Aramya AR. Chyawanprash: A review of therapeutic benefits as in authoritative texts and documented clinical literature. J Ethnopharmacol. 2017 Feb 2;197:52-60.

[3] Bode (2015)
Bode M. Assembling cyavanaprāsh, Ayurveda’s best-selling medicine. Anthropol Med. 2015 Apr;22(1):23-33.

[4] Parle & Bansal (2006)
Parle M, Bansal N. Traditional medicinal formulation, Chyawanprash—a review. Indian Journal of Traditional Knowledge. 2006;5:484–488.

[5] Sharma u.a. (2019)
Sharma R, Martins N, Kuca K, Chaudhary A, Kabra A, Rao MM, Prajapati PK. Chyawanprash: A Traditional Indian Bioactive Health Supplement. Biomolecules. 2019 Apr 26;9(5). pii: E161.

In über 500 Faktenchecks suchen