Startseite ● Borax: das gesundheitsschädliche Heilmittel Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert. Borax: das gesundheitsschädliche Heilmittel Bei Arthrose-Gelenksschmerzen sollen Bor-hältige Präparate Wunder wirken. Hinweise gibt es jedoch nur auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung. 11. August 2016 AutorIn: Bernd Kerschner Review: Claudia Christof Teilen Lindern Bor-Präparate wie Borax, Borsäure oder Calcium-Fructoborat Schmerzen bei altersbedingter Gelenksabnützung (Arthrose)? wissenschaftliche Belege fehlen Die wenigen Studien dazu sind von schlechter Qualität und daher nicht vertrauenswürdig. Zudem gibt es keinen Hinweis darauf, dass der menschliche Körper Bor überhaupt benötigt. so arbeiten wir Spielzeug-Schleim enthält große Mengen der bedenklichen Chemikalie Borax © Lisa F. Young/stock.adobe.com Für Pflanzen ist Bor ist ein wichtiger Mikronährstoff, ohne den sie nicht wachsen können [5]. Für Insekten sind Borverbindungen hingegen hochgiftig. Eine davon – sie trägt den Namen Borax – wird erfolgreich als Mittel gegen unliebsame Kriechtiere im trauten Heim eingesetzt. Mit dem Trinkwasser und pflanzlicher Nahrung nehmen wir geringe Mengen an Bor zu uns. Dennoch ist Medizinern keine biologische Funktion von Bor im Körper von Menschen und Säugetieren bekannt [5]. Hingegen gibt es starke Hinweise, dass große Bor-Mengen für den Menschen gesundheitsgefährdend sein können [5]. Dennoch loben manche Internetquellen Borax sogar als Heilmittel. Angeblich könne es Schmerzen bei abgenutzten Gelenken (Arthrose) lindern. Dürftige Beweise Wir konnten dazu nur eine einzige klinische Studie [1] finden. Auch wenn deren Verfasser in ihrer Arbeit einen positiven Eindruck erwecken wollen – ein kritischer Blick auf die Daten zeigt, dass die Borax-Tabletten Arthrose-Beschwerden bei den Teilnehmern nicht lindern konnten. Insgesamt haben jedoch viel zu wenige Personen an der Studie teilgenommen, damit ist sie kaum aussagekräftig. Drei weitere Studien [2] [3] [4] haben nicht Borax, sondern eine Fruchtzucker-Borsäure-Verbindung erforscht. Alle drei Arbeiten haben jedoch grobe Mängel, eine der Studien hat nicht einmal untersucht, ob sich die Beschwerden der Teilnehmer überhaupt gebessert haben [2]. Hinweise, dass Borax oder Borsäure tatsächlich die Beschwerden bei Menschen mit abgenutzten Gelenken bessern können, gibt es keine. Mögliche Gesundheitsgefahr Umso deutlicher sind jedoch die Hinweise darauf, dass Borverbindungen alles andere als harmlos sind. Zwar sind Studien zu den Risiken von Bor am Menschen Mangelware, zahlreiche Studien an unterschiedlichen Säugetieren kommen jedoch alle zum selben Ergebnis: Borax und Co beeinflussen die Wirkung der Geschlechtshormone [5] [6]. Die Folgen reichen von verminderter Spermienqualität bei Männern über Missbildungen von Hoden, Rippen und Herzkreislaufsystem bei Neugeborenen. Auch das Geburtsgewicht kann in Folge deutlich verringert sein [5] [6]. Grund genug für die EU, eine tägliche Bor-Höchstmenge von 10 Milligramm (mg) pro Tag für Erwachsene vorzuschreiben [5]. Immerhin scheinen Borverbindungen dem derzeitigen Wissensstand zufolge nicht krebserregend zu sein. Bor ist allgegenwärtig Trotz der Bedenken sind Borsäure und Borax in der EU als Lebensmittelzusatz zugelassen – wenn auch nur für die Haltbarmachung von Kaviar. Sie verstecken sich hinter der Bezeichnung E284 und E285. Manche Menschen könnten die gerade noch tolerierbare, tägliche Bormenge jedoch bereits erreichen oder überschreiten, ohne es zu wissen. Viele Mineralwässer enthalten größere Mengen an Borsäure. Personen, die sich vegetarisch ernähren, nehmen erhebliche Mengen an Bor auf. Neben Obst und Gemüse sind auch Nüsse, Trockenfrüchte sowie Wein und Bier verhältnismäßig borreich, während in tierischen Produkten kaum Bor enthalten ist [5]. Auch in manchen Kosmetikprodukten ist Borsäure enthalten, darunter in Badezusätzen, Mitteln zur Mundhygiene oder Pudern. In Waschpulver und Geschirrspül-Pulver sind Perborate als Bleichmittel enthalten – aus diesen gelangt jedoch kaum Bor in unseren Körper [5]. Bedenklich ist, dass Spielzeuge wie Hüpfknete oder „Slimy“-Glibbermasse Borsäure in großen Konzentrationen beinhalten. Vor allem wenn Kinder diese in den Mund nehmen, können signifkante Mengen an Borsäure in den Körper gelangen. Doch auch über die Haut kann etwas Bor in den Körper wandern [5]. Bessere Alternativen bei Arthrose Arthrose ist eine chronische Gelenksabnützung, für die es keine Heilung gibt. Wer an chronischen Arthrose-Schmerzen und steifen Gelenken leidet und sich durch Borax eine Linderung erhofft, sollte auf wirkungsvollere Alternativen setzen. Am häufigsten empfehlen Ärzte Schmerzmittel und entzündungshemmende Medikamente, langfristig helfen können aber vor allem Gewichtsabnahme und Bewegungsübungen mit Aerobic oder Kräftigung der Muskulatur. Ist die Erkrankung weit fortgeschritten, nehmen Ärzte häufig eine Operation vor, bei der künstliche Gelenke eingesetzt werden [7]. Unter Umständen können auch pflanzliche Mittel eine leichte Linderung verschaffen, wie Medizin-Transparent.at bereits berichtet hat (siehe Wächst ein Kraut gegen Arthrose? und Weihrauch: heilig und heilsam? ) [Aktualisiert, ursprünglich veröffentlicht am 4. 12. 2015. Eine Suche nach neuen Studien führt zu keinen Änderungen.] Die Studien im Detail Klinische Studien, die sich mit der Wirkung von Borverbindungen auf Arthrosebeschwerden auseinandersetzen, sind Mangelware. Nur eine einzige randomisiert-kontrollierte Studie [1] untersuchte Borax (Natriumtetraborat). Die Autoren beobachteten mit lediglich 20 Teilnehmern jedoch eine sehr kleine Anzahl von Menschen, von denen überhaupt nur 15 bis zum Schluss blieben. Am Ende zeigte sich, dass die Beschwerden der mit Borax behandelten Teilnehmer sich nicht mehr gebessert hatten als die der scheinbehandelten Teilnehmer in der Placebogruppe. Aufgrund der geringen Teilnehmerzahl ist die Studie jedoch nur bedingt aussagekräftig. Drei weitere Studien untersuchten die Borsäure-Verbindung Kalzium-Fructo-Borat. Die Autoren einer dieser Arbeiten [2] erhoben aber lediglich bestimmte Blutwerte ihrer Arthrose-Patienten, nicht aber ob sich auch deren Beschwerden gebessert hatten. Ein zweites Wissenschaftlerteam hat weder zu Beginn noch am Ende ihrer Studie [3] statistisch untersucht, ob sich die Arthrose-Beschwerden der mit Bor behandelten Teilnehmern von jenen der scheinbehandelten Teilnehmern unterscheiden. An der letzten Studie [4] nahmen Teilnehmer mit unspezifischen Knieschmerzen teil. Ob der Grund für die Schmerzen tatsächlich Arthrose war, bleibt unklar. Offen bleibt ebenso, ob die Studienleiter die Teilnehmer tatsächlich per Zufall in Placebo- und Borat-Gruppe aufgeteilt haben. Daher lässt sich nicht ausschließen, dass sich in der Behandlungsgruppe von vornherein Personen mit weniger Schmerzen befunden haben als in der Scheinbehandlungsgruppe. Unterscheiden sich die Beschwerden nach Studienende, wäre dies eine mögliche Erklärung. Wissenschaftliche Quellen [1] Travers u.a. (1990) Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmer: 20 Arthrose-Patienten zwischen 50 und 75 Jahren Studiendauer: 5 Wochen Fragestellung: Können 6 mg Borax pro Tag Arthrose-Beschwerden lindern? Mögliche Interessenskonflikte: finanziert durch Hoechst Australien Travers, R. L., Rennie, G. C., & Newnham, R. E. (1990). Boron and arthritis: the results of a double-blind pilot study. Journal of Nutritional Medicine, 1(2), 127-132. (Zusammenfassung der Studie) [2] Scorei u.a. (2011) Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmer: 116 Arthrose-Patienten Studiendauer: 2 Wochen Fragestellung: Kann Kalzium-Fructoborat Blutwerte bei Arthrose-Patienten verbessern? Mögliche Interessenskonflikte: keine laut Autoren Scorei R, Mitrut P, Petrisor I, Scorei I. A double-blind, placebo-controlled pilot study to evaluate the effect of calcium fructoborate on systemic inflammation and dyslipidemia markers for middle-aged people with primary osteoarthritis. Biol Trace Elem Res. 2011 Dec;144(1-3):253-63. (Studie in voller Länge) [3] Reyes-Izquierdo u.a. (2012) Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmer: 20 Patienten mit Knie-Arthrose Studiendauer: 2 Wochen Fragestellung: Kann Kalzium-Fructoborat Arthrose-Beschwerden lindern? Mögliche Interessenskonflikte: keine Angaben Reyes-Izquierdo, T., Nemzer, B., Gonzalez, A. E., Zhou, Q., Argumedo, R., Shu, C., & Pietrzkowski, Z. B. (2012). Short-term intake of calcium fructoborate improves WOMAC and McGill scores and beneficially modulates biomarkers associated with knee osteoarthritis: a pilot clinical double-blinded placebo-controlled study. Am J Biomed Sci, 4(2), 111-122. (Studie in voller Länge) [4] Pietrzkowski u.a. (2014) Studienart: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmer: 60 Patienten mit Knie-Beschwerden (nicht zwingend Arthrose) Studiendauer: 2 Wochen Fragestellung: Kann Kalzium-Fructoborat Arthrose-Beschwerden lindern? Mögliche Interessenskonflikte: Kalzium-Fructoborat wurde durch Hersteller zur Verfügung gestellt Pietrzkowski Z, Phelan MJ, Keller R, Shu C, Argumedo R, Reyes-Izquierdo T. Short-term efficacy of calcium fructoborate on subjects with knee discomfort: a comparative, double-blind, placebo-controlled clinical study. Clin Interv Aging. 2014 Jun 5;9:895-9. (Studie in voller Länge) Weitere Quellen [5] BfR (2005) Zusatz von Borsäure oder Borax in Nahrungsergänzungsmitteln. Abgerufen am 2. 12. 2015 unter http://bfr.bund.de/cm/343/zusatz_von_borsaeure_oder_borax_in_nahrungsergaenzungsmitt.pdf [6] Efsa (2013) Scientific Opinion on the re-evaluation of boric acid (E 284) and sodium tetraborate (borax) (E 285) as food additives. Abgerufen am 2. 12. 2015 unter www.efsa.europa.eu/en/efsajournal/pub/3407 [7] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen – IQWIG (2014) Arthrose. Abgerufen am 2. 12. 2015 unter www.gesundheitsinformation.de/arthrose.2700.de.html Schlagworte AbnutzungArthroseBor-PräparatBoraxBorsäureGelenkeGelenkverschleißGifte und GefährdungKnochen und GelenkeMuskelnVerschleiß In über 500 Faktenchecks suchen