Blutegeltherapie bei Arthrose im Knie: Nutzen fraglich

Bei Arthrose im Knie sollen Blutegel die Schmerzen lindern und die Beweglichkeit verbessern. Belege für die Blutegeltherapie fehlen jedoch.

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Kann eine Blutegeltherapie bei Kniearthrose helfen?

Die Frage wurde in drei kleineren Studien untersucht. Sie haben jedoch grobe Mängel und kommen außerdem zu widersprüchlichen Ergebnissen. Sie können daher nicht belegen, dass die Blutegeltherapie bei Kniearthrose.

so arbeiten wir
Medizinischer Blutegel
© imv – istockphoto.com

Wenn sich das Knie nach Ruhepausen steif anfühlt und bei Bewegung schmerzt, könnte eine Arthrose dahinterstecken. Diese Erkrankung tritt ab dem 40. Lebensjahr häufiger auf. Dabei ist der Gelenkknorpel dünn geworden und schützt nicht mehr so gut. In Folge kann es zu Entzündungen kommen. Arthrose kann auch andere Gelenke betreffen, zum Beispiel die Hüfte, die Fingergelenke oder Wirbelgelenke [4].

Manche Kliniken und Heilpraktiker bieten bei Kniearthrose eine Behandlung mit Blutegeln an. Die Tiere werden auf die schmerzende Stelle gesetzt, wo sie in die Haut beißen und Blut saugen. Dabei sondern sie Substanzen ab, die angeblich Schmerzen lindern. Auch die Beweglichkeit des Gelenks soll sich so verbessern. Ein Leser wollte von uns wissen, ob das tatsächlich hilft.

Studien zu Blutegeltherapie widersprüchlich und ohne Aussagekraft

Bei unserer Recherche haben wir drei Studien gefunden, die prinzipiell geeignet wären, diese Behauptungen zu überprüfen. Dabei wurde die Blutegeltherapie mit einer Scheintherapie, einem Schmerzgel oder Physiotherapie verglichen [1-3].

Ob die Behandlung bei Arthrose im Knie tatsächlich hilft, können die Studien jedoch nicht beantworten. Denn erstens kamen sie zu widersprüchlichen Ergebnissen. Und zweitens sind die Studien mangelhaft: So war den Teilnehmenden bewusst, ob sie mit Blutegeln behandelt wurden oder nicht. Ihre Erwartungen könnten dazu geführt haben, dass sie ihre Schmerzen nach der Blutegeltherapie als geringer empfunden haben. Fachleute sprechen vom sogenannten Placeboeffekt. Dabei bewirkt bereits die Erwartung auf eine Wirkung eine Besserung – selbst wenn die Behandlung eigentlich wirkungslos ist.

Wir können daher nicht sagen, ob die Blutegeltherapie bei Kniearthrose hilft oder nicht.

In den beiden Studien [1,2] sind bei der Blutegeltherapie auch Nebenwirkungen aufgetreten. Danach berichtete die Mehrheit der Teilnehmenden über leichten bis mittelstarken Juckreiz an der Biss-Stelle, der einige Tage anhielt. Auch kann die Wunde nässen.

Heilender Speichel?

Blutegel sind mit dem Regenwurm verwandt und leben im Wasser. Wenn sie ausgewachsen sind, zählt das Blut von Säugetieren zu ihrer Nahrung. Dazu ritzt ein Blutegel die Haut seines Wirts mit den Zähnen auf und saugt sich an daran fest. Dabei gelangt der Speichel des Tieres in das Blut.

Der Speichel der Blutegel enthält unter anderem den Stoff Hirudin, der die Blutgerinnung hemmt. Daneben finden sich darin weitere Substanzen, denen eine entzündungshemmende Wirkung nachgesagt wird. In der Naturheilkunde werden Behandlungen mit Blutegeln für eine ganze Reihe von Erkrankungen beworben, unter anderem Arthrose [1,6].

Üblicherweise werden für die Behandlung gleichzeitig mehrere Blutegel verwendet. Dabei werden sie so lange auf der Haut sitzen gelassen, bis sie von selbst abfallen. Aus Hygiene-Gründen werden die Blutegel danach kein zweites Mal für eine Behandlung verwendet. Das soll verhindern dass die Tiere Krankheitskeime übertragen. Nach der Blutegeltherapie wird die entstandene Wunde verbunden [6].

In Deutschland und Österreich sind Blutegel für medizinische Zwecke als „Arzneimittel“ eingestuft, für die besondere Regeln gelten [7,8].

Was gegen die Knieschmerzen hilft

Bisher gibt es keine wirksamen Medikamente, die den Verlauf einer Arthrose aufhalten können.

Zur Linderung der Beschwerden eignen sich Bewegung und Schmerzmittel zum Einnehmen. Ein Schmerzgel mit Diclofenac können Schmerzen wahrscheinlich etwas lindern – aber nur in geringem Ausmaß. Bei Übergewicht ist es sinnvoll abzunehmen, um die Gelenke zu entlasten. Auch Gehstöcke können beim Entlasten der Gelenke helfen. Wenn solche Maßnahmen nicht ausreichend helfen und die Arthrose weit fortgeschritten ist, kann ein künstliches Kniegelenk eine mögliche Option sein [4,5].

Angeboten werden allerdings auch viele fragwürdige Behandlungen, deren Nutzen nicht erwiesen ist. Dazu gehören etwa Präparate mit Katzenkralle, Grünlippmuschel oder Chondroitin. Auf einer gesonderten Themenseite haben wir alle Faktenchecks zu Arthrose zusammengetragen.

Ausführliche und verlässliche Informationen zur Behandlung von Kniearthrose finden Sie auch auf gesundheitsinformation.de.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Bei unserer Recherche haben wir nur sogenannte randomisiert-kontrollierte Studien berücksichtigt. Dabei werden Menschen mit Kniearthrose nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) entweder einer Behandlung mit Blutegeln zugeteilt, oder sie bekommen zum Vergleich (zur Kontrolle) eine andere Therapie oder eine Scheintherapie (Placebo). Solche randomisiert-kontrollierten Studien sind am aussagekräftigsten, um die Wirksamkeit einer Behandlung zu untersuchen.

Wir konnten drei solche Studien finden. Zwei der Studien [1,3] testeten eine einmalige Blutegel-Behandlung, in einer weiteren Studie [2] bekamen manche Testpersonen auch eine zweite Behandlung. Die Vergleichsgruppen erhielten ein Schmerzgel mit Diclofenac zum Auftragen [1], eine Schein-Behandlung mit einem nassen Wattestück, das sich wie ein Blutegel anfühlen sollte (Placebo-Egel) [2] oder Physiotherapie [3]. Die Studien untersuchten, wie sich die Blutegeltherapie drei [1,3] bis sechs Monate [2] später auf Schmerzen und Beweglichkeit auswirkte.

Wie aussagekräftig sind diese Studien?

Verlässliche Schlussfolgerungen können wir aus den Studien allerdings nicht ziehen. Dafür gibt es mehrere Gründe, zum Beispiel:

  • Placeboeffekt möglich: Eine Schmerzlinderung könnte in den Studien allein durch die Erwartung der Teilnehmenden (also durch den Placeboeffekt) zustanden gekommen sein. In einer Studie [2] versuchte das Forschungsteam zwar vor den Teilnehmenden zu verheimlichen, wer die echte Blutegeltherapie bekam und wer die Scheintherapie (den Placebo-Egel aus nasser Watte). Das war aber nicht erfolgreich: Die Teilnehmenden bemerkten, ob sie einen echten Blutegel oder einen nassen Wattebausch auf die Haut gesetzt bekamen.
  • Berechnung der Ergebnisse nicht nachvollziehbar: In einer anderen Studie [3] passt die Beschreibung der Auswertemethode nicht zu den Ergebnissen. Das weckt Zweifel an der Verlässlichkeit der Studie.
  • Zu wenige Teilnehmende: Ohne die Studie mit der zweifelhaften Berechnungsmethode [3] stammen die Ergebnisse von lediglich 164 Personen. Das ist zu wenig, um die Ergebnisse verallgemeinern zu können.
  • Die Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen: In einer Studie [1] linderten die Blutegel kurzfristig die Schmerzen besser als ein Diclofenac-Gel, in einer anderen Studie [2] schneiden die Blutegel jedoch nicht besser ab als eine Schein-Behandlung. Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass Gele mit Diclofenac die Beschwerden zumindest geringfügig lindern können, also besser als ein Placebo wirken. Daher können wir nicht beurteilen, ob die Blutegeltherapie wirksam ist oder nicht.

[1] Michalsen (2003) Effectiveness of leech therapy in osteoarthritis of the knee: a randomized, controlled trial. Ann Int Med 2003, 139:724–730 (Zusammenfassung der Studie)

[2] Andereya (2008) Assessment of leech therapy for knee osteoarthritis: a randomized study. Acta Orthop 2008, 79:235–243 (Studie in voller Länge)

[3] Talebi (2022) Comparison of the pain-killing effects of leech therapy versus physiotherapy in patients with knee osteoarthritis: A double-blind randomized clinical trial. Biomed Res Ther 2022, 9: 5095–5101 (Studie in voller Länge)

[4] IQWiG (2021) Kniearthrose. Abgerufen am 12.12.2023 unter gesundheitsinformation.de

[5] UpToDate (2023) Management of knee osteoarthritis. Abgerufen am 03.05.2023 unter uptodate.com (Zugriff kostenpflichtig)

[6] IGeL-Monitor (2013) Blutegeltherapie bei Kniearthrose. Abgerufen am 12.12.2023 unter igel-monitor.de

[7] BfArM (2009) Mitteilung zu Blutegeln in der Humanmedizin: Leitlinie zur Sicherung von Qualität und Unbedenklichkeit. Abgerufen am 13.12.2023 unter bfarm.de

[8] BASG (2012) Abgrenzung von lebenden Tieren als Arzneimittel. Abgerufen am 13.12.2023 unter basg.gv.at

  • 20.12.2023: erste Version

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