Autovaccine: Hilfe bei wiederkehrenden Blasenentzündungen?

Autovaccine sind „Impfungen“, die abgetötete Bakterien aus dem eigenen Stuhl enthalten. Sie sollen vor Blasenentzündungen schützen. Belegt ist das nicht.

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Verhindern Autovaccine wiederkehrende Blasenentzündungen?

Ob Autovaccine eine vorbeugende Wirkung haben, ist bisher nie in aussagekräftigen Studien untersucht worden. Es gibt daher keine Belege, dass sie helfen können.

so arbeiten wir
Bakterien in einer Petrischale Im Labor vermehrte Darmbakterien – die Grundlage von Autovaccinen
© TopMicrobialStock – istockphoto.com

Wiederkehrende Blasenentzündungen kennen etliche Frauen. Harndrang und schmerzhaftes Wasserlassen belasten sie mehrmals pro Jahr, oft erhalten sie zur Behandlung Antibiotika.

Wer im Internet danach sucht, wie sich solche Harnwegsinfekte verhindern lassen, stößt bald auf eine Behandlung mit dem Stichwort „Autovaccine“. Dabei handelt es sich um die abgetötete Form jener Bakterien, die die Blasenentzündung meist verursachen. Üblicherweise sind das Bakterien, die aus dem eigenen Darm in die Blase gelangen und dort eine Entzündung auslösen. Zur Herstellung der Autovaccine werden daher Bakterien aus dem Stuhl der betroffenen Person entnommen, abgetötet und per Spritze oder Nasenspray verabreicht.

Die Idee dahinter: Der Kontakt mit den abgetöteten Bakterien soll das Immunsystem trainieren, damit die Blasenentzündung nicht so schnell wiederkommt. Eine Leserin wollte von uns wissen, wie gut das wirklich funktioniert.

Keine aussagekräftigen Studien

Das Konzept von Autovaccinen wurde in der Medizin bereits Anfang des 20. Jahrhunderts diskutiert und auch an einzelnen Patientinnen und Patienten ausprobiert [Quelle 1]. Diese Versuche lassen jedoch keine Rückschlüsse auf die Mehrheit der von Blasenentzündung betroffenen Frauen zu.

Aussagekräftige Studien nach heutigen wissenschaftlichen Standards sind bisher keine durchgeführt worden. Das hat unsere Recherche in mehreren medizinischen Datenbanken ergeben. Belege für den Nutzen gibt es somit keine. Anbieter, die Autovaccine dennoch als wirksame Behandlung bewerben, tun dies ohne wissenschaftliche Grundlage.

Auch zu möglichen Nebenwirkungen gibt es keine aussagekräftige Forschung. Ob die Behandlung ein Risiko birgt und wie groß dieses ist, ist somit genauso unklar wie die behauptete Wirkung.

Bakterien zur Vorbeugung

Nach der Entdeckung von nachweislich wirksamen Antibiotika in den 1940er Jahren ist das Forschungsinteresse an Autovaccinen stark zurückgegangen. Das Konzept, Blasenentzündungen durch vorherigen Kontakt mit Darmbakterien zu vermeiden, hat sich allerdings in einigen Arzneimitteln gehalten. So haben wir bereits zu StroVac und Uro-Vaxom recherchiert, die diese Idee ebenfalls nutzen.

Nach dem Schließen einer Gesetzeslücke ist die Herstellung von Autovaccinen in Deutschland seit 2024 nicht mehr erlaubt. Der Grund ist der fehlende Wirknachweis [Quelle 2]. Somit gibt es unseres Wissens zumindest in Deutschland und Österreich keinen dafür nötigen Hersteller von Autovaccinen mehr.

Wenn die Blasenentzündung immer wieder kommt

Wenn Frauen immer wieder eine Blasenentzündung bekommen, erhalten sie oft eine Reihe von Tipps. Zum Beispiel gleich nach dem Sex die Blase zu entleeren und viel zu trinken, um Bakterien aus der Harnröhre zu spülen. Auch wenn aussagekräftige Studien dazu fehlen, kann es sich lohnen, das auszuprobieren [Quelle 3].

Studien deuten außerdem an, dass die regelmäßige Einnahme von Cranberry-Produkten vorbeugen könnte. Für andere Mittel wie Mannose ist die Wirkung bisher nicht überzeugend belegt [Quelle 4].

Die vorbeugende Einnahme von Antibiotika gilt als letzte Lösung, wenn andere Maßnahmen nicht ausreichend helfen. Das kann zwar Blasenentzündungen vorbeugen, bringt jedoch mitunter auch Nebenwirkungen wie Durchfall oder Pilzinfektionen der Scheide mit sich. Außerdem besteht das Risiko, dass die Krankheitserreger bei längerer Einnahme unempfindlich (resistent) gegen das Antibiotikum werden.

Weiterführende, wissenschaftlich gesicherte Informationen rund um Blasenentzündungen bietet die Seite Gesundheitsinformation.de des deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen sowie das Gesundheitsportal des österreichischen Gesundheitsministeriums.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Eine aussagekräftige Studie zu Autovaccinen bei wiederkehrenden Blasenentzündungen könnte etwa so aussehen: Das Forschungsteam teilt die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen auf. Die eine bekommt Autovaccine, die andere ein Scheinmedikament. Dabei sollten die an der Studie beteiligten Personen nicht wissen, wer welches Mittel bekommt. Denn sonst könnten die Personen mit der Autovaccine sich anders verhalten als die Personen mit dem Scheinmedikament, oder zum Beispiel anders auf Beschwerden achten, die auf eine Blasenentzündung hindeuten. Im Anschluss vergleichen die Forschenden, wie sich die Beschwerden im Laufe der Zeit entwickeln.

Nach solchen Studien haben wir in drei großen Datenbanken gesucht, konnten aber keine finden.

[1] Wright AE (1902) Notes on the treatment of furunculosis, sycosis, and acne by the inoculation of a staphylococcus vaccine: and generally on the treatment of localised bacterial invasions by therapeutic inoculations of the corresponding bacterial vaccines. Lancet, 159, 878–884. (Vorschau des Artikels)

[2]
Auskunft des Hessischen Landesamts für Gesundheit und Pflege vom 2.10.2024

[3] IQWIG (2023) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Blasenentzündungen vorbeugen. Abgerufen am 14.10.2024 unter gesundheitsinformation.de

[4] UpToDate (2023) Recurrent simple cystitis in women. Abgerufen am 20.5.2024 unter uptodate.com (Zugang kostenpflichtig)

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