Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Amla-Beere gegen Cholesterin: Wirksamkeit ungeklärt

Es klingt verlockend: einfach Amla-Beeren in Form von Nahrungsergänzungsmitteln einnehmen und die Cholesterinwerte normalisieren. Doch Studien dazu fehlen.

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Sind Amla-Nahrungsergänzungsmittel wirksam und sicher bei der Senkung von zu hohem Cholesterin?

Es gibt zwar einige Untersuchungen mit menschlichen Probandinnen und Probanden. Doch die Mängelliste ist lang, die Ergebnisse der Studien sind daher nicht vertrauenswürdig. Nahrungsergänzungsmittel mit Amla sind also keine Alternative für erwiesenermaßen wirksame Therapien.

so arbeiten wir
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Viele Menschen machen sich Sorgen wegen ihres erhöhten Cholesterinspiegels. Sie möchten diese Blutwerte senken. Dies kann auch durchaus sinnvoll sein, denn zu viel Cholesterin im Blut zählt zu den gesundheitlichen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. [7]

Werte senken, Risiko drosseln

Rauchen, Bluthochdruck und eben auch zu viel Cholesterin können dazu beitragen, dass eine Herz-Kreislauf-Erkrankung auftritt, sich verschlimmert oder im schlimmsten Fall tödlich endet. [7]

Anders als Risikofaktoren wie Alter oder genetische Vorbelastung lassen sich die Cholesterinwerte beispielsweise durch Medikamente beeinflussen. Über die Wirksamkeit von den häufig verschriebenen Statinen haben wir bereits berichtet: Cholesterinsenken sinnlos? Von wegen!

Selbst wirksam werden

Medikamente zur Cholesterinsenkung sollten über einen längeren Zeitraum eingenommen werden; sie können Nebenwirkungen auslösen und sind nicht immer verträglich.

Es ist also verständlich, wenn sich die Betroffenen nach anderen Möglichkeiten umschauen. Auf der Suche nach Alternativen stößt man etwa im Internet rasch auf diverse „natürlich“ und nützlich erscheinende Nahrungsergänzungsmittel. Diese sollen wirksam sein gegen zu viel Cholesterin, gleichzeitig aber nicht die Risiken der gängigen Medikamente mit sich bringen. Und das ganz ohne ärztliche Verschreibung.

Verführerische Tradition

So hilft angeblich die Indische Stachelbeere, auch Amla-Beere oder Amla genannt, die Cholesterinwerte zu senken und damit das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung einzuschränken. Verschiedene Produkte mit Amla werden als Nahrungsergänzungsmittel angeboten.

In ihren asiatischen Herkunftsländern, dazu zählen Indien und China, zählt Amla zu den althergebrachten Medizinpflanzen. Die Beeren, aber auch die Rinde und die Blätter des Amla-Baums kommen bei diversen Krankheiten zum Einsatz. Diese Tradition verleiht den Nahrungsergänzungsmitteln eine trügerische Glaubwürdigkeit. Nachweise für ihre Wirksamkeit gibt es allerdings keine. [6]

Eine Handvoll Studien…

Bei unserer Literaturrecherche sind wir auf einige Studien gestoßen, die sich mit der möglicherweise Cholesterin-senkenden Wirkung von Amla befasst haben. In der Wissenschaft scheint also durchaus Interesse an der Beere zu bestehen und es scheint einige Verdachtsmomente zu geben.

Doch die derzeit zur Verfügung stehenden Studien sind nicht gut durchgeführt. Auf dieser Basis wäre es nicht seriös, ein Urteil über die Wirksamkeit zu fällen oder gar positive Effekte nahezulegen. [1] [2] [3] [4] Zu diesem Urteil kam 2011 auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA. [5]

Es bleibt also offen, ob die Einnahme von Amla-Nahrungsergänzungsmitteln einerseits die Laborwerte auf dem Papier „schöner“ erscheinen lassen können und andererseits tatsächlich eine Verminderung von Krankheits- und Todesfällen zu bewirken vermögen. Es ist auch unklar, welche Substanzen aus der Beere überhaupt eine Verbesserung erzielen könnten – und wie groß dieser Effekt wäre.

Wesentliche Informationen fehlen

Es ist darüber hinaus nicht erforscht, wie die Nahrungsergänzungsmittel am besten hergestellt und dosiert werden sollten. Auch über einen möglichen idealen Einnahmezeitraum fehlen Informationen.

Ebenfalls ungeklärt: Wie sieht es mit den Nebenwirkungen aus? Sind Wechselwirkungen mit gleichzeitig eingenommenen Medikamenten denkbar? Gibt es eventuell Personengruppen, die mehr von einer Amla-Einnahme profitieren als andere? Ist es besser, konzentrierte Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen oder die frischen Beeren als Teil einer ausgewogenen Ernährung zu genießen?

Wünschenswert wären beispielsweise gut gemachte, langfristige Untersuchungen wie randomisiert-kontrollierte Studien – mit Verblindung der Testpersonen sowie des medizinischen Personals, aber ohne die finanzielle Beteiligung von Nahrungsergänzungsmittel-Herstellern, um Verzerrungseffekte zu vermeiden.

Wissenslücken im Dschungel der Alternativen

Bei früheren Recherchen zu „natürlichen“ Cholesterinsenker-Alternativen sind wir zu einem ähnlich ernüchternden Ergebnis gekommen: „Cholesterin senken durch Vitamine und Spurenelemente?“ und „Rotschimmelreis gegen Cholesterin: Sicher und wirksam?

Auch über das Ayurveda-Heilmittel Chyawanprash, das zum Großteil aus Amla-Beeren besteht, konnten wir keine belastbaren Daten hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit finden: „Chyawanprash: Hilft das Ayurveda-Mus?

Die Studien im Detail

Wir haben eine Reihe von Studien gefunden, bei denen die Wirkung von Amla als Nahrungsergänzungsmittel mit menschlichen Probandinnen und Probanden getestet wurde. Leider weisen all diese Studien erhebliche Mängel auf.

Aus ihren Ergebnissen lassen sich keine seriösen Schlüsse ableiten. Somit bleibt unklar, ob Amla einen Beitrag zur Cholesterinsenkung leisten kann und ob die Beere letztlich zu einer spürbaren Verbesserung der Gesundheit führt, also Erkrankungen und Todesfälle vermindern kann.

Hier eine nicht vollständige Liste mit Beispielen für erhebliche Mängel:

    • Teilnehmende und medizinisches Personal waren nicht verblindet. Das heißt, es war bekannt, wer an welcher experimentellen Behandlung teilnahm oder wer ein Scheinpräparat bekam. Dieses Wissen kann die Erwartungshaltung und die Beurteilung vom Behandlungsergebnis beeinflussen. [3]
    • Alle Probandinnen und Probanden erhielten dieselbe experimentelle Behandlung; sie wurden nicht per Zufallsprinzip auf verschiedenen Gruppen (z. B. Amla-Gruppe und Placebo-Gruppe). Daher ist der für einen Wirksamkeitsnachweis entscheidende Vergleich mit einer Kontrollgruppe nicht möglich. [4]
    • Studien hatten nur eine geringe Laufzeit. Somit ist die Beurteilung der Wirksamkeit bei einer langfristigen Einnahme nicht möglich. Ein großer Beobachtungszeitraum ist jedoch notwendig – schließlich sollen nicht nur die Laborwerte kurzfristig verbessert, sondern Krankheits- und Todesfälle vermindert werden. Auch gefährliche Nebenwirkungen können durch kurze Testphasen übersehen werden. [4]
    • An den Studien nahmen nur wenige Probanden teil. [1]
    • Wenn Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln deren wissenschaftliche Untersuchung unterstützen – finanziell oder durch Produkte –, kann dies zu Verzerrungseffekten und Interessenskonflikten führen. [2]

[1] Akhtar u.a. (2011)
Studientyp: klinische Studie
Teilnehmer insgesamt: 16 Diabetiker, 16 Gesunde
Fragestellung: Wirkt sich die Einnahme von Amla auf Blutzucker und Blutfette aus?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Akhtar MS, Ramzan A, Ali A, Ahmad M. Effect of Amla fruit (Emblica officinalis Gaertn.) on blood glucose and lipid profile of normal subjects and type 2 diabetic patients. Int J Food Sci Nutr. 2011 Sep;62(6):609-16. (Zusammenfassung der Studie)

[2] Antony u.a. (2008)
Studientyp: klinische Pilotstudie
Teilnehmer insgesamt: 51 Personen
Fragestellung: Wirkt sich die Einnahme von Amla-Extrakt auf Entzündungs- und Blutfettwerte aus?
Interessenskonflikte: Herstellerfirma führte die Studie durch

Antony B, Benny M, Kaimal TN. A Pilot clinical study to evaluate the effect of Emblica officinalis extract (Amlamax™) on markers of systemic inflammation and dyslipidemia. Indian J Clin Biochem. 2008 Oct;23(4):378-81. (Studie in voller Länge)

[3] Jacob u.a. (1988)
Studientyp: klinische Studie
Teilnehmer insgesamt: 35
Fragestellung: Wie wirkt sich die Einnahme von Amla auf Cholesterinwerte von Männern im Alter von 35 bis 55 aus?
Interessenskonflikte: keine Angaben

Jacob A, Pandey M, Kapoor S, Saroja R. Effect of the Indian gooseberry (amla) on serum cholesterol levels in men aged 35-55 years. Eur J Clin Nutr. 1988 Nov;42(11):939-44. (Zusammenfassung der Studie)

[4]Khanna u.a. (2015)
Studientyp: klinische Studie
Teilnehmer insgesamt: 15
Fragestellung: Wirkt sich die Einnahme von Amla-Extrakt auf Herz-Kreislauf-Risikofaktoren aus?
Interessenskonflikte: Herstellerfirmen leisteten finanzielle Unterstützung

Khanna S, Das A, Spieldenner J, Rink C, Roy S. Supplementation of a Standardized Extract from Phyllanthus emblica Improves Cardiovascular Risk Factors and Platelet Aggregation in Overweight/Class-1 Obese Adults. Journal of Medicinal Food. 2015;18(4):415-420. (Studie in voller Länge)

Weitere Quellen

[5] EFSA (2011)
European Food Safety Authority – EFSA (2011). Scientific Opinion on the substantiation of health claims related to the raw fruit of Emblica officinalis Gaertn. and maintenance of normal blood LDL-cholesterol concentrations (ID 4041) and protection of DNA, proteins and lipids from oxidative damage (ID 4042) pursuant to Article 13(1) of Regulation (EC) No 1924/20061. Zugriff am 1.8.2018 unter www.efsa.europa.eu/sites/default/files/scientific_output/files/main_documents/2217.pdf

[6] Gaire & Subedi (2014)
Gaire BP, Subedi L. Phytochemistry, pharmacology and medicinal properties of Phyllanthus emblica Linn. Chin J Integr Med. 2014 Dec 9. (Zusammenfassung)

[7] IQWIG (2017)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen – IQWIG (2013). Erhöhte Cholesterinwerte. Zugriff am 1.8.2018 unter www.gesundheitsinformation.de/erhoehte-cholesterinwerte.2178.de.html

Die ursprüngliche Fassung dieses Artikels erschien am 8.9.2015. Eine neuerliche Literatursuche im August 2018 brachte keine neue Studien zutage. Unsere ursprüngliche Einschätzung hat sich nicht verändert.

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