Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Akupunktur: den Kopfschmerz ausstechen

Akupunktur dürfte Migräne-Anfällen ähnlich gut vorbeugen wie Medikamente. Der Unterschied zu einer Scheinbehandlung ist jedoch gering – das gilt auch für Spannungskopfschmerz.

AutorIn:
Review:  Kylie Thaler 

Kann Akupunktur Migräne und Spannungskopfschmerzen vorbeugen?

Im Fall von Migräne ist die vorbeugende Wirkung von Akupunktur wahrscheinlich ähnlich gut wie die prophylaktischer Medikamente. Sowohl für Migräne wie auch Spannungskopfschmerzen schneidet Akupunktur allerdings nur geringfügig besser ab als Scheinakupunktur. Ob das Einstechen in traditionellen Akupunkturpunkten eine Rolle spielt, ist dabei unklar.

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© Andrey Popov - fotolia.com Akupunkturbehandlung
© Andrey Popov – fotolia.com

Akupunktur ist eine Behandlungsmethode, die ursprünglich aus der traditionellen chinesischen Medizin stammt, in westlichen Ländern oft aber auch außerhalb dieses Kontexts durchgeführt wird. Das wesentlichste Element dabei stellen dünne Nadeln dar, mit denen die Haut des Patienten oder der Patientin durchstochen wird.

Unter den komplementär-medizinischen Methoden zählt die Akupunktur zu den beliebtesten Behandlungsformen. Umfragen zufolge begeben sich etwa 8 von 100 Deutschen pro Jahr in eine solche Behandlung. Typischerweise unterziehen sich Patienten mehreren Sitzungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums – beispielsweise 12 Behandlungseinheiten innerhalb von drei Monaten.

Häufig erhoffen sich Betroffene von Akupunktur-Behandlungen vorbeugende Hilfe gegen Migräne oder andere Kopfschmerzen. Typische Migräne-Anfälle können stunden- bis tagelang anhalten und gehen häufig mit Übelkeit sowie extremer Licht- und Geräuschempfindlichkeit einher. Spannungskopfschmerzen hingegen treten ohne Übelkeit auf und sind üblicherweise weniger intensiv als Migräne. Kann Akupunktur tatsächlich Kopfweh vorbeugen?

Akupunktur wirkt…

Von chronischer Migräne oder Spannungskopfschmerzen Betroffene bekommen deutlich seltener Kopfschmerz-Attacken, wenn sie nicht nur herkömmliche Medikamente nehmen, sondern sich zusätzlich auch einer prophylaktischen Akupunkturbehandlung unterziehen. Die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien [1,2] zeigen, dass durch Akupunktur mindestens zweieinhalb Mal mehr Betroffene die Anzahl der Kopfschmerztage in den kommenden Monaten halbieren können als ohne Nadel-Behandlung. Insgesamt scheint die Kombination beider Methoden bei 4 bis 5 von 10 Behandelten zu einem solch großen Erfolg zu führen.

Das sind zweifelsohne beeindruckende Ergebnisse. Sie haben nur einen Haken: Bekommt man eine medizinische Behandlung oder ein Medikament, erwartet man meist, dass es einem dadurch besser geht. Die Forschung zeigt, dass schon allein diese Erwartung dazu beiträgt, sich gesünder zu fühlen, auch wenn man in Wirklichkeit gar keine wirksame Behandlung oder ein wirkstoffhältiges Medikament bekommen hat. Mediziner nennen dieses Phänomen den Placebo-Effekt.

…nur wenig besser als Scheinakupunktur

Um herauszufinden, ob die schmerzvorbeugende Wirkung der Akupunktur nur auf dem Placeboeffekt beruht, müsste man echte Akupunktur einer Schein-Akupunktur gegenüberstellen. Tatsächlich gibt es mehrere Studien, die genau das getan haben. Sie haben traditionelle Akupunktursitzungen mit einer Schein-Akupunkturbehandlung verglichen, bei der die Nadeln entweder nicht, oder an absichtlich falschen Positionen in die Haut eingestochen werden.

Sechs Monate nach der Behandlung erhoben die Verfasser der Studien, bei wievielen der Teilnehmer sich die Anzahl der monatlichen Migräne-Tage halbiert hatte. Bei den Teilnehmern mit Schein-Akupunkturbehandlung war das immerhin bei rund 4 von 10 Personen der Fall. Bei Teilnehmern, die mit echter Akupunktur behandelt worden waren, waren es jedoch 5 von 10 – die echte Akupunktur scheint demnach Migräneattacken etwas besser vorzubeugen als eine Placebobehandlung [1].

Studien an Personen, die an häufigen Spannungskopfschmerzen leiden, kommen zu vergleichbaren Zahlen – auch hier kann vorbeugende Akupunktur die Zahl der Kopfschmerztage im selben Ausmaß reduzieren [2].

…aber gleich gut wie Migräne-Medikamente

Ein weiterer Punkt spricht dafür, dass Akupunktur eine wertvolle prophylaktische Wirkung hat – zumindest für Migräne-Betroffene: In weiteren Studien zeigte sich, dass Akupunktur Migräne-Attacken zwar nur teilweise,aber mindestens ähnlich gut vorbeugen können wie gängige Medikamente [1]. Medikamente zur Vorbeugung vor Migräne-Anfällen haben zudem manche unerwünschte Nebenwirkung. Hier zeigt sich, dass es bei Akupunktur deutlich seltener zu Nebenwirkungen kommt.

Ob die traditionelle chinesische Nadelbehandlung auch Spannungskopfschmerzen ähnlich gut vorbeugen kann wie eine Therapie mit Schmerzmitteln, wurde leider nicht in Studien untersucht [2].

Akupunktur-Punkte egal?

Grundlage der Akupunktur ist die traditionelle, chinesische Medizinlehre, der zufolge Energie entlang sogenannter „Meridiane“ durch den Körper strömt. Werde dieser Energiekreislauf gestört oder behindert, seien Schmerzen oder Krankheit die Folge. Durch die Stimulation von etwa 400 traditionellen Akupunktur-Punkten soll es möglich sein, den gestörten Energiekreislauf und so die Gesundheit wieder herzustellen.

Dass Akupunktur einen gewissen schmerzstillenden Effekt hat, muss jedoch nicht zwingendermaßen mit der Lehre der traditionellen chinesischen Medizin zu tun haben. Bisher ist unklar, ob das Einstechen der Akupunkturnadeln nur dann ihre Wirkung entfaltet, wenn sie an traditionellen Akupunkturpunkten erfolgt. Möglicherweise macht es keinen Unterschied, an welchen Punkten die Nadeln eingestochen werden.

[1] Linde u. a. (2016)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Anzahl der analysierten Studien: 22 randomisiert-kontrollierte Studie
Teilnehmer insgesamt: 4985
Fragestellung: Wirkt Akupunktur besser als keine Akupunktur, besser als Schein-Akupunktur oder gängige prophylaktische Medikamente zur Vorbeugung von Migräne-Anfällen?
Interessenskonflikte: Mehrere Autoren verwenden selbst Akupunktur in ihrer klinischen Praxis und haben Geld von Akupunktur-Interessensgruppen erhalten

Linde K, Allais G, Brinkhaus B, Fei Y, Mehring M, Vertosick EA, Vickers A, White AR. Acupuncture for the prevention of episodic migraine. Cochrane Database of Systematic Reviews 2016, Issue 6. Art. No.: CD001218. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Linde u. a. (2016)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Anzahl deranalysierten Studien: 12 randomisiert-kontrollierte Studie
Teilnehmer insgesamt: 2349
Fragestellung: Wirkt Akupunktur besser als keine Akupunktur, besser als Schein-Akupunktur oder gängige prophylaktische Medikamente.
Interessenskonflikte: Mehrere Autoren verwenden selbst Akupunktur in ihrer klinischen Praxis und haben Geld von Akupunktur-Interessensgruppen erhalten

Linde K, Allais G, Brinkhaus B, Fei Y, Mehring M, Shin BC, Vickers A, White AR. Acupuncture for the prevention of tension-type headache. Cochrane Database Syst Rev. 2016 Apr 19;4:CD007587. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Aktualisiert, ursprünglich veröffentlicht am 3. 10. 2011. Aktualisierte Versionen der beiden systematischen Cochrane-Übersichtsarbeiten [1,2] hinzugefügt, die wissenschaftliche Beweislage für die Vorbeugung von Spannungskopfschmerzen hat sich nun von niedrig auf mittel erhöht.

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