Wim Hof Methode: Stärkt der Eismann das Immunsystem?

Wim Hof, genannt „Iceman“, hält Kälte-Weltrekorde und hat eine Trainingsmethode entwickelt, die das Immunsystem stärken soll. Beweise für eine Wirksamkeit der Methode gibt es nicht.

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Kann die Wim-Hof-Methode – bestehend aus Atemtraining, Meditation und Gewöhnung an Kälte – das Immunsystem von Gesunden stärken und so Infektionskrankheiten vorbeugen?

Es gibt zwar einzelne kleine Studien zur Wim-Hof-Methode, diese sind jedoch mangelhaft und nicht aussagekräftig. Ob die Methode die Wahrscheinlichkeit für Infektionskrankheiten verringert, ist nie erforscht worden.

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© Dudarev-Mikhail - Shutterstock.com Kältetraining ist ein Teil der Wim-Hof-Methode
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Wim Hof ist ein Niederländer mit einer besonderen Beziehung zur Kälte: Er badet im Eis, geht nur mit kurzen Hosen und Schuhen bekleidet am Mount Everest spazieren und hält einige Weltrekorde, unter anderem im Barfuß-auf-Schnee-Halbmarathon. Seine „Wim-Hof-Methode“ unterrichtet er unter anderem mit dem Versprechen, das Immunsystem zu stärken.

Atmen, Meditieren und sich der Kälte aussetzen – das sind die Säulen der Wim-Hof-Methode. Regelmäßig und korrekt ausgeführt verspricht der Erfinder mehr Gesundheit, weniger Depression, mehr Glück und eine Besserung bei chronischen Gelenksentzündungen [4,6].

Kälte ohne nachgewiesene Wirkung für die Gesundheit

Für keines dieser Versprechen gibt es Belege. Die einzige Studie, die für einen solchen Nachweis geeignet wäre, hat lediglich die Reaktion auf ein künstlich verabreichtes Bakteriengift untersucht [1]. Darauf reagiert der Körper für ein paar Stunden mit Grippe-ähnlichen Symptomen. Mit einer echten – durch Bakterien oder Viren verursachten – Erkrankung hat das jedoch nichts zu tun.

Ob die (ausschließlich männlichen) Teilnehmer tatsächlich seltener krank wurden, wenn sie nach der Wim-Hof-Methode trainiert haben, wurde nicht erhoben. Dafür war die Studiendauer mit zehn Tagen auch viel zu kurz. Die Studie kann auch nicht beantworten, ob Trainierte weniger stark auf das Bakteriengift reagierten als Nicht-Trainierte – denn dazu fehlen genaue Daten. Und für aussagekräftige Ergebnisse sind 24 Teilnehmer grundsätzlich zu wenige.

Versprechungen und Risiken

Wim Hof preist seine Methode als wissenschaftlich bewiesen an. Zwar zeigen einzelne Versuche interessante Reaktionen des Immunsystems [1,3,4]. Welchen Nutzen diese Reaktionen für die Gesundheit haben, ist hingegen nicht untersucht.

Auch zur Wirkung bei Depression liegen keine Belege vor. Wie unsere Recherchen zur Kältekammer oder auch zu kalten Duschen zeigen, genießt Kälte einen besseren Ruf als es die Studienlage zulässt.

Weder in der erwähnten Studie [1] noch in einer Beobachtung an 24 Personen [4] traten Gesundheitsschäden oder Nebenwirkungen der Wim-Hof-Methode auf. Das bedeutet jedoch nicht, dass Erfrierungen oder andere negative Folgen ausgeschlossen sind.

So kam es bereits zu Todesfällen im Zusammenhang mit ähnlichen Atemtechniken und anschließendem Tauchen im Eis, zwei Personen sind ertrunken. Wim Hof selbst warnt vor diesem Risiko [5].

Der Zwilling aus der Kälte

Ein wissenschaftlich begleiteter Vergleich von Wim Hof und seinem genetisch identen Zwillingsbruder lässt grundsätzliche Zweifel aufkommen, ob das Kältetraining als ein Bestandteil der Methode überhaupt etwas bringt: Sein Zwillingsbruder zeigt ebenfalls eine erstaunliche Resistenz gegenüber Kälte.

Beide haben einen außergewöhnlich hohen Anteil an braunem Fettgewebe, welches bei der Regelung der Körpertemperatur eine Rolle spielt. Sein Bruder hat keinen außergewöhnlichen Lebensstil und nie dafür trainiert, Kälte gut zu überstehen. Die Studie mit seinem Zwillingsbruder weist also darauf hin, dass für Wim Hofs Fähigkeiten, die ihm Kälte-Weltrekorde erlauben, eher seine Gene verantwortlich sein könnten und weniger sein Training – schließlich zeigt sein untrainierter Zwilling ähnliche Fähigkeiten [2].

Die Studien im Detail

Die einzige randomisiert kontrollierte Studie zur Wim-Hof-Methode stammt aus dem Jahr 2014 und wurde an 30 gesunden jungen Männern durchgeführt [1]. 18 von ihnen trainierten für zehn Tage unter Anleitung von Wim Hof: Sie meditierten im Schnee, tauchten im Eiswasser, gingen in kurzen Hosen auf einen Berg, machten Atemübungen, Yoga und Kräftigungsübungen. Die zwölf Teilnehmer der Kontrollgruppe durchliefen keinerlei Training.

Zwölf der 18 Versuchspersonen bekamen anschließend eine bestimmte Dosis eines Bakteriengifts verabreicht. Das ist ungefährlich, bewirkt aber für ein paar Stunden eine Reaktion des Immunsystems mit Grippe-ähnlichen Symptomen und einem Ansteigen von Blutmesswerten, die für Entzündungen typisch sind.

Bei den Teilnehmern der Trainingsgruppe veränderten sich einige dieser Werte weniger stark als bei der Kontrollgruppe ohne Training. Doch diese Vergleiche sind wenig aussagekräftig: Drei Personen aus der Kontrollgruppe wurden durch neue Teilnehmer ersetzt, weil sie auf das Bakteriengift den Autoren zufolge nur mit schwachen Symptomen reagiert haben. Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum sechs der 18 Versuchspersonen aus der Trainingsgruppe nicht berücksichtigt wurden. Dadurch könnten die Studienergebnisse stark verzerrt worden sein.

Auch wenn die Studie besser durchgeführt worden wäre: In wie weit dies tatsächlich gesundheitliche Vorteile wie ein verringertes Risiko für Infektionskrankheiten mit sich bringt, ist völlig spekulativ. Denn mit einer durch Bakterien- oder Viren-Infektion lässt sich das Verabreichen des Giftstoffes nicht vergleichen.

Ob einzelne Beschwerden in der Trainingsgruppe schwächer waren, lässt sich aus den veröffentlichten Daten nicht herauslesen. Das Fieber scheint in beiden Gruppen ähnlich hoch gestiegen zu sein.

Zusätzlich unterliegt die Studie anderen Einschränkungen: Zwölf Teilnehmer pro Gruppe sind sehr wenig, die gefundenen Unterschiede könnten reiner Zufall sein; die statistischen Methoden sind nicht ausreichend dokumentiert und es wurden so viele Faktoren gemessen, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass sich bei einigen davon Unterschiede finden.

Selbst wenn man der randomisierten Studie eine Aussagekraft zugestehen würde, hätte sie noch immer eine eklatante Schwäche: Sie kann nicht klären, welcher Teil des Trainingsprogramms einen Effekt erzielt. Selbst wenn sie methodisch besser gemacht wäre, könnte sie nicht beantworten, ob es die Kälte ist, die irgendetwas bewirkt. Das Autorenteam geht selbst davon aus, dass die meisten Ergebnisse in Zusammenhang mit den Atemtechniken stehen. Die Kälterekorde von Wim Hof sind teilweise beeindruckend, aber ob Kältetraining einen gesundheitlichen Nutzen hat, kann diese Studie nicht einmal ansatzweise belegen.

2019 wurde eine Studie mit 24 Patientinnen und Patienten [4] durchgeführt, die an einer chronischen Wirbelgelenksentzündung (axiale Spondyloarthritis) leiden. Dabei ging es vorrangig um die Frage, ob die Wim-Hof-Methode in einer solchen Patientengruppe gefahrlos angewendet werden kann. Es tauchten keine unerwarteten gefährlichen Nebenwirkungen auf.

Da auch hier einige Werte des Immunsystems gemessen wurden, präsentierten einige die Studie als Nachweis für die Wirksamkeit der Wim-Hof-Methode zur Linderung der Gelenksbeschwerden. Doch davon kann keine Rede sein: Es gibt keinen Vergleich zu einer unbehandelten Kontrollgruppe und der ganze Aufbau der Studie ist nicht dafür geeignet, die Wirksamkeit zu testen.

Kälte als Marketinginstrument

Wim Hof nutzt seine Rekorde und eindrucksvolle Bilder von seinem Training im Eis, um seine Lehre zu bewerben. Welchen Einfluss Kälte als Teil seiner Methode überhaupt spielt, ist daher eine zentrale Frage.

Zwillingsstudien sind immer dann spannend, wenn die Frage auftaucht, ob eine Fähigkeit oder Eigenschaft großteils an den Genen oder großteils am Einfluss der Umwelt liegt. Wim Hof hat einen genetisch identen Zwillingsbruder, der nie Kältegewöhnung trainiert hat. Das bietet die Chance zu testen, ob er seine Fähigkeit mit Kälte zurechtzukommen seinem Training verdankt oder seinen Genen.

2014 wurden die Brüder unter mildem Kälteeinfluss getestet und hinsichtlich zahlreicher Werte verglichen [2]. Beide unterschieden sich beispielsweise hinsichtlich der Aktivität von braunem Fettgewebe von früher untersuchten jungen Männern, zwischen den beiden Brüdern gab es hingegen keine Unterschiede. Die besondere Resistenz gegen Kälte könnte also durchaus in den Genen von Wim Hof (und seinem Bruder) liegen.

Versionsgeschichte

  • 25. 10. 2021: eine Aktualisierungs-Recherche förderte keine neuen aussagekräftigen Studien zutage
  • 28. 2. 2020: erste Version

[1] Kox u.a. (2014)
Kox M, van Eijk LT, Zwaag J, et al. Voluntary activation of the sympathetic nervous system and attenuation of the innate immune response in humans. Proc Natl Acad Sci U S A. 2014;111(20):7379–7384. (Studie in voller Länge)

[2] Vosselmann u.a. (2014)
Vosselman MJ, Vijgen GH, Kingma BR, Brans B, van Marken Lichtenbelt WD. Frequent extreme cold exposure and brown fat and cold-induced thermogenesis: a study in a monozygotic twin. PLoS One. 2014;9(7):e101653. Published 2014 Jul 11. (Studie in voller Länge)

[3] Muzik u.a. (2018)
Muzik O, Reilly KT, Diwadkar VA. „Brain over body“-A study on the willful regulation of autonomic function during cold exposure. Neuroimage. 2018;172:632–641. (Zusammenfassung der Studie)

[4] Buijze u.a. (2019)
Buijze GA, De Jong HMY, Kox M, van de Sande MG, Van Schaardenburg D, et al. (2019) An add-on training program involving breathing exercises, cold exposure, and meditation attenuates inflammation and disease activity in axial spondyloarthritis – A proof of concept trial. PLOS ONE 14(12): e0225749. (Studie in voller Länge)

Nicht-wissenschaftliche Quellen:

[5] Wikipedia
Englischsprachiger Wikipediaeintrag über Wim Hof. Abgerufen am 25. 10. 2021 unter en.wikipedia.org

[6] WimHofMethod.com (2021)
Eigendarstellung und Versprechungen der Wim-Hof-Methode. Abgerufen am 25. 10. 2021 unter https://www.wimhofmethod.com/benefits

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