Helfen Infusionen mit Vitamin C gegen Krebs?

Angeblich sollen Infusionen mit hochdosiertem Vitamin C Krebs zurückdrängen oder sogar heilen können. Studien sprechen eher dagegen.

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Review:  Jana Meixner 

Helfen Infusionen mit hochdosiertem Vitamin C gegen Krebs?

Es ist eher nicht davon auszugehen, dass Infusionen mit hochdosiertem Vitamin C Krebserkrankungen zurückdrängen oder heilen können. Auch weisen die Studienergebnisse darauf hin, dass sie das Leben von Krebspatientinnen und -patienten womöglich nicht verlängern. Allerdings sind die Studienergebnisse etwas widersprüchlich und die verfügbaren Studien haben einige Mängel. Daher ist unser Vertrauen in die Ergebnisse gering.

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© Parilov - shutterstock.com Können Infusionen mit hochdosiertem Vitamin C wirklich Krebs bekämpfen?
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Eine Krebsdiagnose löst meist Angst und Unsicherheit aus. Und nicht selten den Wunsch, zusätzlich zur Krebstherapie noch etwas gegen die Krankheit unternehmen. Infusionen mit hochdosiertem Vitamin C werden als solche Zusatztherapie beworben. Laut Anbietern sollen sie angeblich Krebserkrankungen zurückdrängen, das Wachstum von Tumoren hemmen und Wirksamkeit von Chemo- und Strahlentherapien verbessern.

Wir wollten herausfinden, ob das stimmt, und haben uns auf die Suche nach Studien gemacht.

Studien sprechen eher gehen eine Wirksamkeit

Aus Tierexperimenten und Versuchen mit Zellen gibt es zwar Hinweise darauf, dass hochdosiertes Vitamin C Krebszellen schädigen und Tumore zurückdrängen könnte – zumindest bei Mäusen [7]. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass vergleichbare Wirkungen auch bei Menschen mit Krebserkrankungen zu erwarten sind.

Die zusammengefassten Ergebnisse der bisher durchgeführten Studien deuten darauf hin, dass Krebspatientinnen und -patienten, die zusätzlich zur Chemotherapie Vitamin-C-Infusionen bekommen, nicht länger leben als jene, die nur mit Chemotherapie behandelt werden. Auch sprachen die Teilnehmenden mit und ohne Vitamin C etwa gleich gut auf die Chemotherapie an. Allerdings ist unser Vertrauen in die spärlich verfügbaren Studienergebnisse sehr gering (siehe Studien im Detail).

Wie viel Vitamin C brauchen wir und was heißt hochdosiert?

Fachleute gehen davon aus, dass erwachsene Frauen 95 Milligramm Vitamin C pro Tag brauchen, Männer 110 Milligramm. Bei einem schweren Mangel kann Skorbut auftreten – eine Krankheit, die zu schlechter Wundheilung, einer erhöhten Neigung zu Blutungen der Schleimhäute und zu Zahnausfall führen kann. Früher betraf diese Krankheit vor allem Seefahrer. Denn die waren oft monatelang ohne frische Lebensmittel auf See unterwegs. Derartige Mangelerscheinungen kommen heute jedoch praktisch nicht mehr vor – zumindest in industrialisierten Ländern. Denn Vitamin C ist (fast) überall zu finden: in Früchten, Gemüse und in verarbeiteten Lebensmitteln als Zusatzstoff zur besseren Haltbarkeit [6].

Laut Anbietern von Vitamin-C-Infusionen soll hochdosiertes Vitamin C besonders wirksam sein. Von hochdosiertem Vitamin C spricht man ab 0,5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht. Bei einer 60 Kilogramm schweren Frau wären 30 Gramm – also mehr als zehnmal so viel wie der Tagesbedarf. Solche Mengen lassen sich nur in Form von Infusionen zuführen, da der menschliche Darm höchstens 200mg Vitamin C pro Tag aufnehmen kann [7].

Nützt es nichts, dann schadet es vielleicht

In den Studien zu hochdosierten Vitamin-C-Infusionen bei Krebs, die wir gefunden haben, traten bei den Teilnehmenden, die Vitamin-C-Infusionen zusätzlich zur Chemotherapie erhalten hatten, im Vergleich zur denen, die nur mit Chemotherapie behandelt wurden, keine zusätzlichen Nebenwirkungen auf [5].

Sich mit Vitamin C zu vergiften, ist grundsätzlich nicht so leicht möglich. Denn überschüssiges Vitamin C wird einfach mit dem Harn wieder ausgeschieden. In einzelnen Fällen sind nach Verabreichung von hochdosiertem Vitamin C jedoch schon schwere Nierenschäden aufgetreten. In einzelnen Fällen sind nach der Verabreichung von hochdosiertem Vitamin C schwere Nierenschädigungen aufgetreten. Wenn die Nieren nicht mehr ausreichend funktionieren, dürfte das Risiko für solche Schädigungen höher sein [9,10,11]. Hochdosiertes Vitamin C kann auch die Entstehung von Nierensteinen begünstigen [8].

Bei einer bestimmten angeborenen Erkrankung, dem sogenannten Favismus, oder Eisenspeichererkrankungen raten Fachleute von hochdosiertem Vitamin C ab [7].

Es ist nicht auszuschließen, dass hochdosiertes Vitamin C die Wirksamkeit einer Chemotherapie oder anderer Medikamente beeinträchtigen könnte [7].

Krebs ist nicht gleich Krebs

Krebs ist keine einheitliche Krankheit. Fachleute teilen Krebserkrankungen nicht nur danach ein, welches Organ oder Gewebe betroffen ist. Auch innerhalb eines Organs können verschiedene Krebserkrankungen unterschieden werden. So gibt es beispielsweise mehrere Formen von Brustkrebs, die sich so stark unterscheiden, dass sehr unterschiedliche Medikamente zum Einsatz kommen [12]. Krebstherapien werden daher immer individueller. Behandlungen wie Vitamin-C-Infusionen, die pauschal “gegen Krebs” helfen sollen, egal ob es sich um Leukämie, Eierstock- oder Darmkrebs handelt, scheinen daher eher unplausibel.

Weiterführende Informationen zum Thema Krebs finden Sie unter https://www.krebsinformationsdienst.de/.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob hochdosiertes Vitamin C gegen Krebs helfen kann, lässt sich am besten in randomisiert-kontrollierten Studien herausfinden. Dabei werden die Teilnehmenden per Los in zwei Gruppen eingeteilt – die eine Gruppe erhält Vitamin-C-Infusionen, die andere gleich aussehende Infusionen ohne das Vitamin. Im Idealfall wissen weder Teilnehmende noch Forschende, wer Vitamin C erhält und wer nicht. Fachleute nennen das „Verblindung“. Am Ende ermitteln die Forschenden: Welche Patientinnen und Patienten lebten länger? Bei wie vielen ist der Krebs über die Zeit gleichgeblieben, kleiner geworden oder sogar verschwunden?

Nach Studien, die untersucht haben, ob Vitamin-C-Infusionen die Nebenwirkung einer Chemotherapie reduzieren können, oder die Lebensqualität von Krebspatientinnen und -patienten verbessern können, haben wir nicht gesucht.

Bei unserer Suche sind wir auf zwei zusammenfassende Übersichtsarbeiten [1,2] gestoßen, die insgesamt drei solche randomisiert-kontrollierte Studien zusammenfassen [3,4]. Zusätzlich haben wir noch eine weitere, neuere Studie gefunden [5].

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Die erste der drei Studien [3] ist sehr klein. Insgesamt nahmen 25 Frauen mit Eierstockkrebs teil, von denen 13 Vitamin-C-Infusionen zusätzlich zu einer Chemotherapie erhalten haben. Die anderen 12 wurden nur mit Chemotherapie behandelt. In beiden Gruppen lebten die Patientinnen nach der Diagnose etwa gleich lang. Da nur so wenige Patientinnen teilgenommen hatten und die Studie außerdem nicht verblindet war, ist unser Vertrauen in die Studienergebnisse stark eingeschränkt.

An der zweiten Studie [4] nahmen insgesamt 73 Personen ab 60 Jahren mit Blutkrebs (akuter myeloischer Leukämie, AML) teil. 39 der Teilnehmenden erhielten zusätzlich zur Chemotherapie Vitamin-C-Infusionen, die anderen 34 nicht. Die Teilnehmenden erhielten täglich 50 bis 80 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht Vitamin C, die Behandlung war also per Definition nicht „hochdosiert“. In beiden Gruppen sprachen etwa gleich viele der Teilnehmenden auf die Chemotherapie an. Die Teilnehmenden in der Vitamin-C-Gruppe schienen durchschnittlich ein paar Monate länger zu überleben. Die Studie hat jedoch grobe Mängel: So war die Anzahl der Teilnehmenden ebenfalls sehr gering. Außerdem geben die Forschenden an, dass Teilnehmende, deren Krankheit nach zwei Behandlungszyklen fortschritt, ausgeschlossen wurden. Wir schätzen die Studie daher als nicht vertrauenswürdig ein.

Die dritte und neueste Studie [5] wurde deutlich besser durchgeführt: Insgesamt 442 Personen mit fortgeschrittenem Darmkrebs nahmen teil. Alle erhielten Chemotherapie, die Hälfte davon zusätzlich hochdosierte Vitamin-C-Infusionen mit 1,5 Gramm Vitamin C pro Kilogramm Körpergewicht und Tag. In beiden Gruppen überlebten sie Teilnehmenden etwas gleich lang. Auch was die Größe der Tumoren und das Fortschreiten der Erkrankung anging, zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Auch diese Studie hat kleinere Mängel. So gab es beispielsweise keine Verblindung. Daher ist unser Vertrauen in die Studienergebnisse auch in diesem Fall eingeschränkt.

[1] van Gorkom (2019)
van Gorkom GNY, Lookermans EL, Van Elssen CHMJ, Bos GMJ. The Effect of Vitamin C (Ascorbic Acid) in the Treatment of Patients with Cancer: A Systematic Review. Nutrients. 2019 Apr 28;11(5):977. (Link zur Studie)

[2] Mohensi (2022)
Mohseni S, Tabatabaei-Malazy O, Ejtahed HS, Qorbani M, Azadbakht L, Khashayar P, Larijani B. Effect of vitamins C and E on cancer survival; a systematic review. Daru. 2022 Dec;30(2):427-441.
(Link zur Studie)

[3] Ma (2014)
Ma Y, Chapman J, Levine M, Polireddy K, Drisko J, Chen Q. High-dose parenteral ascorbate enhanced chemosensitivity of ovarian cancer and reduced toxicity of chemotherapy. Sci Transl Med. 2014 Feb 5;6(222):222ra18.
(Link zur Studie)

[4] Zhao (2018)
Zhao, H., Zhu, H., Huang, J., Zhu, Y., Hong, M., Zhu, H., … Qian, S. (2018). The synergy of Vitamin C with decitabine activates TET2 in leukemic cells and significantly improves overall survival in elderly patients with acute myeloid leukemia. Leukemia Research, 66, 1–7.
(Link zur Studie)

[5] Wang (2022)
Wang F, He MM, Xiao J, Zhang YQ, Yuan XL, Fang WJ, Zhang Y, Wang W, Hu XH, Ma ZG, Yao YC, Zhuang ZX, Zhou FX, Ying JE, Yuan Y, Zou QF, Guo ZQ, Wu XY, Jin Y, Mai ZJ, Wang ZQ, Qiu H, Guo Y, Shi SM, Chen SZ, Luo HY, Zhang DS, Wang FH, Li YH, Xu RH. A Randomized, Open-Label, Multicenter, Phase 3 Study of High-Dose Vitamin C Plus FOLFOX ± Bevacizumab versus FOLFOX ± Bevacizumab in Unresectable Untreated Metastatic Colorectal Cancer (VITALITY Study). Clin Cancer Res. 2022 Oct 3;28(19):4232-4239.
(Link zur Studie)

[6] DGE (2015)
Abgerufen am 13.04.2023 unter https://www.dge.de/wissenschaft/faqs/vitamin-c/

[7] krebsinformationsdienst.de (2021)
Abgerufen am 14.04.2023 unter https://www.krebsinformationsdienst.de/fachkreise/nachrichten/2021/fk05-vitamin-c-hochdosiert-bei-krebs.php

[8] Uptodate (2023)
Abgerufen am 17.04.2023 unter
https://www.uptodate.com/contents/kidney-stones-in-adults-epidemiology-and-risk-factors?search=Vitamin%20C&source=search_result&selectedTitle=5~148&usage_type=default&display_rank=4#H3013559444

[9] Deutsches Ärzteblatt (2019)
Abgerufen am 18.04.2023 unter
https://www.aerzteblatt.de/archiv/210573/Akutes-Nierenversagen-nach-Hochdosis-Vitamin-C-Therapie

[10] Roy (2013)
Roy S, Chourasia P, Sangani V, Errabelli PK, Patel SS, Adapa S. Megadose Vitamin C Prescription Through Alternative Medicine Leading to End-Stage Renal Disease: Case Study and Literature Review. J Investig Med High Impact Case Rep. 2023 Jan-Dec;11:23247096231158954.
(Link zur Publikation)

[11] Lamarche (2011)
Lamarche J, Nair R, Peguero A, Courville C. Vitamin C-induced oxalate nephropathy. Int J Nephrol. 2011;2011:146927.
(Link zur Publikation)

[12] Krebsinformationsdienst.de (2022)
Abgerufen am 17.04.2023 unter
Krebsarten – eine Übersicht (krebsinformationsdienst.de)

  • 28.12.2018: Erstveröffentlichung des Faktenchecks. Es gibt noch keine Belege für oder gegen eine Wirksamkeit von hochdosiertem Vitamin C gegen Krebs.
  • 20.04.2023: Eine neuerliche Suche bringt Erkenntnisse aus neueren Studien.

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