Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Tanzen gegen Parkinson: Therapie im Takt

Bei der Parkinson-Krankheit werden Bewegungen stockend und unsicher. Bisherigen Studien zufolge könnte therapeutisches Tanzen helfen, die Bewegungsprobleme etwas zu lindern.

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Hilft therapeutisches Tanzen Menschen mit Parkinson, ihre Bewegungsprobleme zu verbessern?

Tanzen könnte die Bewegungsprobleme von Betroffenen etwas verbessern. Möglicherweise schneidet Tanzen auch im Vergleich zu anderen Bewegungsübungen geringfügig besser ab. Dennoch scheint sich die Lebensqualität dadurch nicht merklich zu erhöhen.

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© Africa Studio - shutterstock.com Tango, Walzer oder Foxtrott – Tanztherapie bei Parkinson ist vielfältig
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Einfach mal losgehen – das fällt Menschen mit Parkinson nicht immer leicht. Für sie fühlt es sich manchmal so an, als ob die Füße am Boden kleben bleiben und nicht gehorchen. Einst flüssige und automatische Bewegungsabläufe kommen ins Stocken oder frieren sogar ein.

Die Ursache: Die langsam fortschreitende Parkinson-Krankheit greift jene Teile des Gehirns an, die wir zum Ausführen von Bewegungen brauchen. Die Folge sind Probleme dabei, Bewegungen zu „starten“.

Die Krankheit führt aber auch zu anderen Beschwerden wie Muskelsteife, Zittern der Hände oder Problemen mit dem Gleichgewicht. Alltägliche Tätigkeiten fallen dadurch zusehends schwerer.

Neben Medikamenten sollen Bewegungsübungen Besserung bringen. Die lassen sich auch mit Musiktherapie verbinden: Dabei dient rhythmische Musik als Taktgeber für das Gehtraining. Wie gut das funktioniert, haben wir uns bereits in einem anderen Beitrag angesehen.

Tanz als Therapie

Eine weitere Möglichkeit, Musik als Taktgeber für Bewegungstrainings einzusetzen ist therapeutisches Tanzen. Zudem macht gemeinsam Tanzen Freude und verbindet. Fachleute vermuten, dass dies die Motivation steigert, Bewegungen regelmäßig zu üben. Einige Tanztherapie-Institute bieten spezielle Programme für Parkinson-Erkrankte an.

Wir haben recherchiert, ob stimmungsvolle Musik und rhythmische Schrittfolgen wirklich dabei helfen, die typischen Parkinson-Bewegungsprobleme zu lindern.

Kleine Verbesserungen – vielleicht

Tatsächlich deuten die zusammengefassten Ergebnisse bisheriger Studien darauf hin, dass Tanzen bei der Parkinson-Krankheit helfen kann – zumindest ein wenig [1].

Für die Studien beurteilten Ärztinnen und Ärzte die Bewegungseinschränkungen der Teilnehmenden auf einer Skala von 0 (keine) bis 72 (maximale Einschränkungen). Zu Studienbeginn lagen die Teilnehmenden durchschnittlich bei 21 bis 48 Punkten. Sie waren wenig bis mittelmäßig in ihren Bewegungen eingeschränkt, aber nicht auf fremde Hilfe angewiesen.

  • Im Vergleich zu keiner Therapie verbesserte Tanzen die Bewegungseinschränkungen um rund 8 Punkte auf dieser Skala.
  • Im Vergleich zu Bewegungstherapie verbesserte Tanzen die Bewegungseinschränkungen um rund 2 Punkte auf dieser Skala.

Auch die Gehgeschwindigkeit scheint sich durch das Tanzen geringfügig zu verbessern. Im Schnitt konnten die Betroffenen rund 5 Meter mehr pro Minute zurücklegen, wenn sie regelmäßig an Tanzstunden teilgenommen hatten [2].

Diese Ergebnisse scheinen ermunternd, wir betrachten sie jedoch mit Vorsicht. Denn ihre Aussagekraft ist beschränkt: Die Studien wurden an zu wenigen Betroffenen durchgeführt, um die Resultate auf alle Parkinson-Erkrankten übertragen zu können. Zudem lässt sich nicht ausschließen, dass Hoffnungen des wissenschaftlichen Studienteams und der Teilnehmenden auf eine Wirksamkeit der Tanztherapie die Ergebnisse verzerrt haben.

Von Tango bis Walzer

In den meisten Studien tanzten die Teilnehmenden Tango. Doch auch Irische Tänze, Walzer oder Foxtrott standen auf dem Therapie-Programm. Die Tanzstunden fanden ein bis zweimal pro Woche statt, die Tanztherapie dauerte 3 bis 12 Monate [1].

Effekte auf Stimmung und Denkvermögen?

Parkinson-Erkrankte haben nicht nur mit Bewegungseinschränkungen zu kämpfen. Viele leiden auch an einer depressiven Verstimmung. Leider ist zu wenig erforscht, wie sehr sich Tanzen darauf positiv auswirkt [3]. Persönliche Vorlieben könnten hier eine wichtige Rolle spielen: Wer Spaß an Bewegung und Musik hat, profitiert vielleicht auch psychisch eher von Tanztherapie. Das gilt auch für die kaum untersuchten Auswirkungen auf die Lebensqualität im Alltag [1].

Mit zunehmendem Fortschreiten der Erkrankung kann auch die geistige Leistungsfähigkeit sinken. Bisherige Studienergebnisse deuten darauf hin, dass eine Tanz-Therapie darauf eher keinen Einfluss hat [3].

Sturzrisiko erhöht?

Wie bei allen Arten von Bewegung ist auch beim Tanzen ein erhöhtes Risiko für Verletzungen denkbar, etwa wenn Parkinson-Erkrankte aufgrund ihrer Bewegungsprobleme stürzen. Drei von zehn Studien berichten von Teilnehmenden, die beim Tanzen gestürzt waren – allerdings ohne sich zu verletzen [2]. Ob es beim Tanzen häufiger zu Stürzen kommt als im Alltag, ist jedoch unklar.

Schleichendes Fortschreiten

Parkinson ist eine langsam fortschreitende Krankheit, für die es bislang keine Heilung gibt. Ursache ist das Absterben von bestimmten Nervenzellen im Gehirn, die bei Gesunden den Botenstoff Dopamin in ausreichender Menge produzieren. Bei Parkinson können Medikamente das fehlende Dopamin ersetzen – zumindest wenn die Erkrankung nicht stark fortgeschritten ist.

Wissenschaftlich gesicherte Informationen rund um die Parkinson-Krankheit finden sich auf der unabhängigen Seite Gesundheitsinformation.de.

Die Studien im Detail

Randomisiert-kontrollierte Studien sind die aussagekräftigste Studienart, um die Wirksamkeit von Tanztherapie nachzuweisen. Dabei werden die Teilnehmenden per Zufall (randomisiert) entweder der Tanz-Gruppe oder der Kontroll-Gruppe zugelost.

Die Tanz-Gruppe besucht regelmäßig Tanztherapie-Stunden, und zwar zusätzlich zu einer eventuellen Behandlung mit Medikamenten. Die Kontroll-Gruppe nimmt an keinen Tanzstunden teil. Die zufällige Gruppenzuteilung stellt dabei sicher, dass die Teilnehmenden beider Gruppen ähnlich sind und sich die beiden Gruppen gut vergleichen lassen.

Jene Forscherinnen und Forscher, die die Daten auswerten, sollten dabei nicht über die Gruppenzuteilung Bescheid wissen. Fachleute nennen das „Verblindung“. Nur so lässt sich ausschließen, dass sie sich bei der Auswertung von ihren Erwartungen leiten lassen – denn das kann die Ergebnisse verzerren. Auch die Erwartungen der Teilnehmenden selbst können unter Umständen die Ergebnisse beeinflussen. Das lässt sich jedoch kaum verhindern, denn eine Verblindung ist bei ihnen nicht möglich.

Nach mehreren Monaten zeigt sich dann, ob die Tanz-Gruppe mehr (oder weniger) Fortschritte gemacht hat als die Kontrollgruppe.

Für unsere Einschätzung durchforsteten wir zwei große Studiendatenbanken nach aktuellen systematischen Übersichtsarbeiten, welche die bisherige Studienlage zu Tanzen und Parkinson zusammenfassen. Gefunden haben wir drei solcher Übersichtsarbeiten [1-3].

Alle drei zeigen, dass die Forschung zu Tanztherapie bei Parkinson erst in den Anfängen steckt. Die Aussagekraft der bisherigen Studien ist eingeschränkt. Einer der Gründe: die Anzahl an Teilnehmenden ist sehr gering, sie reicht von 10 bis maximal 52 Personen pro Studie. In den systematischen Übersichtsarbeiten gingen in die zusammenfassenden Analysen jeweils kaum mehr als 80 Personen ein. Außerdem haben die Studien Mängel in der Durchführung. Vor allem fehlt bei den meisten die Verblindung der Forscherinnen und Forscher, die die Daten auswerten [1-3].

Aussagekräftigste Übersichtsarbeit

Die unserer Ansicht nach aussagekräftigste systematische Übersichtsarbeit stammt von einem Team brasilianischer Wissenschaftlerinnen [1]. Sie suchten nach allen randomisiert-kontrollierten Studien, die bis August 2017 veröffentlicht wurden und die Auswirkung von Tanzen auf Bewegungsprobleme bei Parkinson untersuchten. In die Analyse gingen schließlich 5 Studien mit insgesamt 159 Teilnehmenden ein.

Die Studien unterschieden sich vor allem im Vergleich mit der Kontrollgruppe. Drei der Studien verglichen Tanzen mit Bewegungsübungen wie Physiotherapie. In zwei Studien nahm die Kontrollgruppe an keiner Therapie teil, die über die medikamentöse Standardbehandlung hinausging.

Die Autorinnen der Übersichtsarbeit analysierten die Studien getrennt nach Art der Kontrollgruppe. Dabei zeigte sich, dass sich die Bewegungseinschränkungen im Vergleich zu keiner Therapie stärker besserten als im Vergleich zu Bewegungsübungen.

Außerdem analysierten die Autorinnen beispielsweise, wie lange die Betroffenen brauchten, um von einem Sessel aufzustehen, drei Schritte hin- und zurückzugehen und sich wieder hinzusetzen. Die Teilnehmenden aus der Tanzgruppe waren hier im Schnitt zwar 1 Sekunde schneller [1]. Einen merklichen Unterschied im Alltag stellen Betroffene jedoch erst ab etwa 11 Sekunden fest [5].
Bei der Lebensqualität im Alltag zeigte sich im Vergleich zu anderen Bewegungstherapien kein Unterschied. Unklar ist, ob die Lebensqualität im Vergleich zu keiner Therapie besser ist.

Australische Analysen mit Schwächen

Eine zweite systematische Übersichtsarbeit zu Bewegungseinschränkungen stammt von einer australischen Forschungsgruppe. Diese hatte das Ziel, alle bis September 2017 veröffentlichten Studien zu Tanz und Parkinson zu finden und zusammenzufassen [2].

Im Unterschied zu ihren brasilianischen Kolleginnen unterschied dieses Studienteam bei seiner Analyse jedoch nicht, ob Tanzen mit anderen Bewegungsübungen oder keiner Therapie verglichen wurde. Das schwächt die Aussagekraft der Ergebnisse, etwa zu den Effekten des Tanzens auf Bewegungseinschränkungen.

Es ist uns zudem auch nur teilweise möglich, alle Schritte zur Erstellung der Übersichtsarbeit nachzuvollziehen – von der Studienauswahl bis zur zusammenfassenden Analyse der Studienergebnisse.
Zur Auswirkung des Tanzens auf die Gehgeschwindigkeit fand die australische Forschungsgruppe drei Studien. Das Ergebnis der zusammenfassenden Analyse ist jenem der brasilianischen Übersichtsarbeit [1] ähnlich: Im Schnitt konnten die Teilnehmenden aus der Tanzgruppe 4,8 Meter pro Minute mehr zurücklegen als jene aus der Kontrollgruppe [2]. Das ist allerdings nur eine sehr kleine Verbesserung.

Geistige Leistung und Stimmung

Einen anderen Schwerpunkt hat die systematische Übersichtsarbeit einer chinesischen Forschungsgruppe [3]. Sie fasste jene Studien zusammen, die die Auswirkung von Tanz auf die geistige Leistungsfähigkeit und Stimmung von Parkinson-Erkrankten untersucht hatten.

Sie fanden 7 randomisiert-kontrollierte Studien mit insgesamt 185 Teilnehmenden, die bis Dezember 2018 veröffentlicht worden waren. Es zeigte sich keine deutliche positive Auswirkung der Tanztherapie auf die geistige Leistungsfähigkeit; auch Depression oder Apathie änderten sich nicht.
Ein kleiner Effekt zeigte sich lediglich für geistige Prozesse, die Aufmerksamkeit sowie Planung und Ausführung von Handlungen betreffen. Mit einer Verbesserung um lediglich 1,1 Punkte auf einer Skala von 1 bis 18 scheint die Wirkung jedoch sehr klein. Mit lediglich 45 untersuchten Personen ist die Aussagekraft zudem äußerst gering.

Insgesamt sind mehr Studien nötig, um die Wirkung auf die geistige Leistungsfähigkeit und Stimmung bestätigen oder ausschließen zu können.

[1] Dos Santos Delabary u.a. (2018)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Analysierte Studien: 5 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmende: 159 Personen mit Parkinson
Fragestellung: Helfen regelmäßige Tanzübungen Parkinson-Erkrankten bei Bewegungs-Problemen?
Interessenskonflikte: keine laut Autorenteam

Dos Santos Delabary M, Komeroski IG, Monteiro EP, Costa RR, Haas AN. Effects of dance practice on functional mobility, motor symptoms and quality of life in people with Parkinson’s disease: a systematic review with meta-analysis. Aging Clin Exp Res. 2018;30(7):727-735. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[2] Kalyani u.a. (2019)

Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Analysierte Studien: 9 randomisiert-kontrollierte Studien, davon 3 zur Schrittgeschwindigkeit
Teilnehmende: 80 Personen in diesen 3 Studien
Fragestellung: Helfen regelmäßige Tanzübungen Parkinson-Erkrankten bei Problemen mit dem Gehen?
Interessenskonflikte: eine Autorin aus dem Team ist Direktorin von „Dance for Parkinson‘s Australia“

Kalyani HHN, Sullivan K, Moyle G, et al. Effects of Dance on Gait, Cognition, and Dual-Tasking in Parkinson’s Disease: A Systematic Review and Meta-Analysis. J Parkinsons Dis. 2019;9(2):335-349. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[3] Zhang u.a. (2019)
Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Analysierte Studien: 7 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmende: 185 Personen mit Parkinson
Fragestellung: Verbessert regelmäßiges Tanzen kognitive Probleme und Stimmung bei Parkinson-Erkrankten?
Interessenskonflikte: keine laut Autorenteam

Zhang Q, Hu J, Wei L, Jia Y, Jin Y. Effects of dance therapy on cognitive and mood symptoms in people with Parkinson’s disease: A systematic review and meta-analysis. Complement Ther Clin Pract. 2019;36:12-17. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere Quellen

[4] IQWIG (2012)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), gesundheitsinformation.de: Parkinson. Abgerufen am 20.7.2020 unter www.gesundheitsinformation.de

[5] Tomlinson u.a. (2014)
Tomlinson CL, Herd CP, Clarke CE, et al. Physiotherapy for Parkinson’s disease: a comparison of techniques. Cochrane Database Syst Rev. 2014;2014(6):CD002815. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

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