Nachtkerzenöl bei Neurodermitis nutzlos

Die Einnahme von Nachtkerzenöl kann Neurodermitis nicht lindern. Das zeigen Studien deutlich.

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Kann die Einnahme von Kapseln mit Nachtkerzenöl Symptome von Neurodermitis lindern?

Kapseln mit Nachtkerzenöl können Beschwerden von Neurodermitis – auch atopische Dermatitis oder atopisches Ekzem genannt – nicht lindern. Das ist wissenschaftlich gut abgesichert. Dennoch wird Nachtkerzenöl als Nahrungsergänzungsmittel nach wie vor mit diesem Versprechen verkauft.

so arbeiten wir
© iStock-triocean Wenn das Jucken nicht aufhören will
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Neurodermitis ist eine chronische, entzündliche, stark juckende, aber nicht ansteckende Hauterkrankung. Typisch sind Hautausschläge, die meist in Schüben auftreten [2].

Neurodermitis ist nicht heilbar, nur behandelbar. Empfohlen werden feuchtigkeitsspendende Cremes und während Schüben auch Cremes mit Kortison [2].

Auf der Suche nach weiteren Möglichkeiten, Beschwerden zu lindern, stoßen Betroffene im Internet oft auf Nachtkerzenöl-Kapseln. Auch manche Ärztinnen und Ärzte empfehlen es.

Nachtkerzenöl als Nahrungsergänzungsmittel wird oft damit beworben, Symptome wie Juckreiz, trockene und schuppige Haut verringern zu können. Den Werbeaussagen zufolge soll der hohe Anteil an ungesättigten Fettsäuren die Hautbarriere stärken und so die Symptome lindern.

Im Allgemeinen müssen Nahrungsergänzungsmittel vor ihrer Vermarktung keine umfassende Prüfung im Zuge einer Zulassung durchlaufen. Hersteller müssen nur deren Sicherheit, nicht aber deren Wirksamkeit belegen.

Wir haben uns auf die Suche nach aussagekräftigen Studien gemacht, die die Werbebehauptungen belegen können.

Keine Belege für Wirkung von Nachtkerzenöl

Zu unserer Frage fanden wir eine Übersichtsarbeit des unabhängigen Forschungsnetzwerks Cochrane. Diese hat alle relevanten Studien zusammengefasst und ein Gesamt-Ergebnis berechnet [1].

Das Fazit: Die Einnahme von Nachtkerzenöl lindert nicht die Symptome von Neurodermitis. Dieses Ergebnis ist seit 2013 bekannt. Ein so eindeutiges Ergebnis würde weitere Studien nicht rechtfertigen, so die Forschenden der Übersichtsarbeit [1]. Eine Studie wurde seither dennoch durchgeführt [5]. Diese ist allerdings sehr mangelhaft und deshalb nicht aussagekräftig. Mehr dazu im Abschnitt Studien im Detail.

Nachtkerzenöl: Nebenwirkungen möglich

Studien sind sich einig, dass Nachtkerzenöl bei Neurodermitis nicht hilft. Es scheint aber auch nicht zu schaden. Die Nebenwirkungen dürften im Allgemeinen mild ausfallen. So berichteten Studienteilnehmende etwa von Kopfschmerzen, leichten Bauchschmerzen, Übelkeit, vermehrtem Stuhlgang und Durchfall [1].

Keine Heilung bei Neurodermitis

10 bis 20 Prozent aller Kinder haben Neurodermitis. Unter Erwachsenen ist diese Hautkrankheit mit 2 bis 5 Prozent seltener. Neurodermitis kann sich also auch „auswachsen“.

Typisch für Neurodermitis ist, dass sie in Schüben verläuft. Das heißt, die Hautprobleme kommen und gehen und können eine Zeit lang auch ganz verschwinden.

Betroffene Hautstellen können nässen, sowie gerötet, trocken oder rissig sein. Die Haut kann sich mit der Zeit auch verdicken. Je nach Alter können die Ausschläge unterschiedliche Köperregionen betreffen. Vor allem der starke Juckreiz ist belastend. Neurodermitis stellt für viele Betroffene also eine Herausforderung im Alltag dar [2].

Was die Beschwerden verursacht

Es gibt mehrere Gründe, wieso diese Hautprobleme auftreten. Manche von ihnen sind bereits gut untersucht. Bei anderen sind sich Forschende über den Zusammenhang mit Neurodermitis noch nicht sicher.

Beispielsweise erfüllt die äußerste von drei Hautschichten ihre Funktion als Schutzbarriere nicht richtig. Dadurch trocknet die Haut schnell aus. Eine genetische Veränderung kann dabei eine Rolle spielen. Denn dadurch kann ein für diese Hautschicht wichtiges Eiweiß nicht richtig produziert werden.

Auch einer der Gründe ist eine Fehlsteuerung des Immunsystems. Sie kann zu einer überschießenden Immunreaktion führen. Es werden somit vermehrt entzündungsfördernde Stoffe produziert. Die Haut ist entzündet und juckt. Das kann etwa als Antwort auf Substanzen geschehen, die durch die gestörte Schutzschicht der Haut eindringen.

Welche Rolle genau das Immunsystem bei Neurodermitis hat, ist in Fachkreisen noch nicht abschließend geklärt [6].

Behandlungsmöglichkeiten

Rückfettende und feuchtigkeitsbindende Hautcremes können die Haut vor dem Austrockenen schützen [2].

Zusätzlich können Cremes mit Kortison den Juckreiz lindern und Entzündungen behandeln. Wird Kortison richtig angewendet, können Nebenwirkungen wie Pigmentstörungen, bei denen die Haut heller wird, und Haarwurzelentzündung vermieden werden [3]. Wie Kortisonsalben richtig angewendet werden, erklärt die Plattform gesundheitsinformation.de.

Hilft Kortison nicht, können auch Salben mit den Wirkstoffen Pimecrolimus oder Tacrolimus helfen, die Entzündung in der Haut zu bekämpfen [2]. Nebenwirkungen können Hautreizungen sein. Längerfristig kann Pimecrolimus zu einem höheren Risiko für Hautinfektionen und Infektionen der Bronchien führen [8].

Für Betroffene mit mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis gibt es eine neue Therapiemöglichkeit: Dupilumab. Es hemmt einen entzündungsfördernden Stoff im Körper und lindert dadurch Entzündungen der Haut [4]. Nebenwirkungen können Hautreizungen an der Einstichstelle sein (Dupilumab wird gespritzt), sowie Bindehaut- und Lidrandentzündungen, welche mit Augentropfen behandelt werden können [7].

Was nicht wirkt

Die Einschränkungen im Alltag durch Neurodermitis bewegen Betroffene dazu, immer wieder nach anderen Möglichkeiten zu suchen, ihre Beschwerden zu lindern.

Wie für Nachtkerzenöl, gibt es auch für viele andere Mittel oder Behandlungsmethoden keine Wirksamkeitsbeweise. Darunter fallen Nahrungsergänzungsmittel wie Borretsch-Öl, Vitamine und Zink, aber auch Antihistaminika oder Lasertherapien [2]. Zur Wirksamkeit von Basenbädern und Aloe vera haben wir schon Faktenchecks gemacht. Auch bei ihnen ist fraglich, ob sie Beschwerden von Neurodermitis lindern können.

Mehr Informationen

Weitere Detailinfos finden Sie auf der Plattform gesundheitsinformation.de.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Wir suchten in drei verschiedenen Datenbanken nach Studien, um herauszufinden, ob die Einnahme von Kapseln mit Nachtkerzenöl Symptome von Neurodermitis verbessern kann.

Dabei interessierten uns randomisiert-kontrollierte Studien. Denn sie sind die aussagekräftigste Studienart, um die Wirksamkeit einer Behandlung zu untersuchen. Randomisierung bedeutet: Studienteilnehmende werden zufällig zwei verschiedenen Gruppen zugeteilt. Die eine Gruppe bekommt Nachtkerzenöl-Kapseln, die andere Gruppe – die Kontrollgruppe – bekommt ein gleich aussehendes Scheinpräparat (Placebo).

Ein zusätzliches Kriterium ist wichtig für die Aussagekraft von Ergebnissen: die Verblindung. Verblindet ist eine Studie, wenn weder die Studienteilnehmenden noch die auswertenden Forschenden wissen, welche Studienteilnehmenden welche Kapseln (Nachtkerzenöl oder Placebo) bekommen.

Wir fanden eine Übersichtsarbeit des unabhängigen Forschungsnetzwerks Cochrane von 2013. Die Forschenden dieser Arbeit fassten die Ergebnisse von randomisiert-kontrollierten Studien bis August 2012 zusammen und bewerteten ihre Aussagekraft [1].

Wir fanden zusätzlich eine aktuellere randomisiert-kontrollierte Studie aus dem Jahr 2018 [5]. Diese Studie ist aber sehr mangelhaft und nicht aussagekräftig. Sie beeinflusst deshalb weder die Einschätzung der Forschenden von Cochrane noch unsere: Nachtkerzenöl wirkt nicht gegen Symptome von Neurodermitis.

Die Forschenden von Cochrane verdeutlichten schon in ihrer Übersichtsarbeit von 2013: Das Ergebnis der in der Übersichtsarbeit eingeschlossenen Studien ist zuverlässig und aussagekräftig. Es wäre daher weder notwendig noch sinnvoll, weitere Studien zu diesem Thema durchzuführen [1].

Eine mögliche Veränderung von Symptomen wurde separat von Studienteilnehmenden und Fachärztinnen und Fachärzten beurteilt. Alle kamen zu dem Ergebnis: es gibt keinen Unterschied in der Verbesserung von Symptomen zwischen Nachtkerzenöl und Placebo.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Die Übersichtsarbeit von 2013 [1] wurde solide durchgeführt. Die darin analysierten Studien wurden jeweils bewertet und ein Gesamtergebnis berechnet. Dieses ist aussagekräftig und vertrauenswürdig.

Die randomisiert-kontrollierte Studie von 2018 [5] wies jedoch erhebliche Mängel auf. Sie ist also nicht vertrauenswürdig und hat keine Aussagekraft. Zu diesem Urteil kommen wir aufgrund folgender Mängel:

  • 69 Teilnehmende sind zu wenige für ein aussagekräftiges Ergebnis. Dafür wären mindestens 300 Teilnehmende nötig.
  • Wie die Teilnehmenden den Gruppen zugeteilt wurden, ich völlig unklar. Dies ist bei einer Studie mit wenigen Teilnehmenden jedoch besonders wichtig. Nur durch eine adäquate Randomisierung kann eine Verzerrung verhindert werden, die durch nicht vergleichbare Untersuchungs- bzw. Kontrollgruppen entsteht.
  • Das Forschungsteam berücksichtigte die Daten von nur drei Viertel der Teilnehmenden – denn 27 Prozent brachen die Studie vorzeitig ab. Das könnte die Ergebnisse verzerrt haben.
  • Da Neurodermitis Jahreszeiten-abhängig ist, ist der Zeitpunkt der Symptombewertung essentiell. Das wurde in dieser Studie aber nicht beachtet.
  • Es ist unklar, ob alle Endpunkte berichtet wurden, da die Studie vorab nicht in einem Studienregister veröffentlicht wurde. Eine Registrierung vorab würde verhindern, dass nur besonders positive oder beeindruckende Ergebnisse berichtet werden. Außerdem soll dadurch auch verhindert werden, dass Forschende ihre Fragestellung im Nachhinein an die Ergebnisse anpassen.

[1] Bamford et al. (2013).
Oral evening primrose oil and borage oil for eczema. Cochrane Database Syst Rev, 2013(4). (Link zur Studie)

[2] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). (2021).
Neurodermitis. Abgerufen am 05.10.2023 unter gesundheitsinformation.de

[3] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). (2021).
Kortison richtig anwenden und Nebenwirkungen vermeiden. Abgerufen am 05.10.2023 unter gesundheitsinformation.de

[4] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). (2023).
Dupilumab (Dupixent) bei Neurodermitis. Abgerufen am 05.10.2023 unter gesundheitsinformation.de

[5] Chung et al. (2018). Effect of evening primrose oil on Korean patients with mild atopic dermatitis: a randomized, double-blinded, placebo-controlled clinical study [Journal article]. Annals of dermatology, 30(4), 409‐416. (Link zu Studie)

[6] Howe et al. (2023).
Atopic dermatitis (eczema): Pathogenesis, clinical manifestations, and diagnosis. UpToDate. Abgerufen am 18.10.2023 unter uptodate.com (Zugriff kostenpflichtig)

[7] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). (2021).
Lichttherapie, Tabletten und Spritzen. Abgerufen am 20.10.2023 unter gesundheitsinformation.de

[8] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). (2021). Kortison und andere Medikamente zum Auftragen. Abgerufen am 20.10.2023 unter gesundheitsinformation.de

  • 23.10.2023: Erste Veröffentlichung des Faktenchecks

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