Startseite ● Senkt Leinöl den Blutdruck? Senkt Leinöl den Blutdruck? Leinöl soll Herzrisiko und Blutdruck senken, doch Belege dafür gibt es keine. Für die enthaltenen Omega-3-Fettsäuren ist das sogar eher widerlegt. 22. Mai 2025 AutorIn: Iris Hinneburg Review: Bernd Kerschner Jana Meixner Teilen Senkt Leinöl den Blutdruck? wissenschaftliche Belege fehlen Die Frage wurde in vier relativ kleinen, mangelhaften Studien untersucht. Ihre Aussagekraft ist insgesamt gering –auch weil sie zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen. Studien zur in Leinöl enthaltenen Omega-3-Fettsäure sprechen eher gegen eine Blutdruck-senkende Wirkung oder einen schützenden Effekt auf Herz und Kreislauf. so arbeiten wir Leinöl wird aus Leinsamen gepresst © mescioglu – istockphoto.com Zwar spürt man ihn meist nicht – doch hoher Blutdruck kann Herz, Blutgefäße und Nieren schädigen. Er erhöht dadurch auch das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Ein gesunder Lebensstil kann helfen, hohen Blutdruck zu senken. Doch die Ernährung umzustellen und Gewohnheiten zu ändern fällt vielen schwer. Von einer vermeintlich einfacheren Lösung wird im Internet berichtet: der Einnahme von Leinöl. Das Öl wird aus Leinsamen gewonnen und ist reich an Alpha-Linolensäure. Dieser pflanzlichen Omega-3-Fettsäure werden zahlreiche positive Wirkungen auf Herz und Kreislauf nachgesagt. So soll sie etwa einen erhöhten Blutdruck senken können. Wir haben überprüft, was an dieser Behauptung dran ist. Wirkung von Leinöl auf den Blutdruck fraglich Bei unserer Recherche haben wir vier Studien gefunden, die Leinöl auf eine solche Wirkung hin untersucht haben [Quellen 1-4]. Beweise für eine Blutdruck-senkende Wirkung können sie nicht liefern, denn ihre Aussagekraft ist aufgrund von Mängeln sehr gering (mehr dazu weiter unten im Abschnitt „Die Studien im Detail“). Zudem widersprechen sich ihre Ergebnisse stark: In drei der Studien konnte Leinöl den Blutdruck nicht [Quellen 2,3] oder kaum senken [Quelle 1], in der vierten hingegen deutlich [Quelle 4]. Alpha-Linolensäure: Eher kein herzschützender Effekt Fachleute vermuteten lange, dass Nahrungsergänzungsmittel mit Omega-3-Fettsäuren – etwa aus Fischöl – die Gesundheit von Herz und Kreislauf fördern. Das nahmen sie auch für die in Leinöl enthaltene Alpha-Linolensäure an. Der Theorie zufolge soll sie die Blutgefäße weiten und so den Blutdruck senken [Quelle 3]. Studien, die die Einnahme von Alpha-Linolensäure untersucht haben, sprechen allerdings gegen eine Blutdruck-senkende Wirkung. Sie dürfte auch generell die Herzgesundheit nicht verbessern. So scheint Alpha-Linolensäure das Risiko für einen Tod durch Herz- oder Kreislauf-Erkrankungen nicht zu senken [Quelle 5]. Für Omega-3-haltige Fischöl-Kapseln ist eine solch schützende Wirkung sogar klar widerlegt. Zwar enthält Leinöl außer Alpha-Linolensäure noch andere Stoffe, für die eine gesundheitsfördernde Wirkung nicht ausgeschlossen ist. Insgesamt scheint aber fraglich, ob sich der Blutdruck oder das Herz-Kreislauf-Risiko senken lässt, wenn man zusätzlich zur gewohnten Ernährung regelmäßig ein paar Löffel Leinöl zu sich nimmt. Eine Ernährungsumstellung dürfte allerdings das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall sehr wohl senken: Ersetzt man gesättigte Fette etwa aus Butter, Schmalz oder fettem Fleisch durch ungesättigte wie in Leinöl, scheint das die Herz-Kreislauf-Gesundheit sehr wohl zu fördern. Als Ersatz eignen sich neben Leinöl aber auch Olivenöl oder andere ungesättigte pflanzliche Fette sowie fettreicher Fisch [Quelle 9]. Keine unerwünschte Wirkung In zwei Studien [Quellen 1,3] haben die Forschenden auch auf mögliche unerwünschte Wirkungen von Leinöl geachtet, jedoch keine gefunden. Leinöl ist ein gerne verwendetes Lebensmittel. In den Studien wurde es in übliche Mengen benutzt – als etwa ein bis zwei Esslöffel pro Tag in einem Salatdressing oder in Joghurt. Risiko: Erhöhter Blutdruck Beim Blutdruck werden immer zwei Werte angegeben, etwa Beispiel 120 zu 80 – das entspricht einem durchschnittlichen, normalen Blutdruck. Früher wurde der Blutdruck dadurch gemessen, wie weit der Blutdruck Quecksilber in einem Glasröhrchen hochdrücken konnte. Daher ist die Maßeinheit für den Blutdruck noch heute “Millimeter Quecksilbersäule” – abgekürzt mmHg. Der erste, höhere Wert ist der Druck, den das Herz erzeugt, wenn es das Blut durch die Blutgefäße pumpt. Der zweite, niedrigere Wert (der systolische Blutdruck) ist der Druck in der Ruhephase zwischen zwei Herzschlägen. Üblicherweise sprechen Fachleute von Bluthochdruck, wenn der systolische Wert über 140 mmHg liegt oder der diastolische Wert über 90 mmHg [Quelle 6]. In Deutschland haben etwa 40 bis 50 Prozent der Menschen einen zu hohen Blutdruck. Männer sowie Menschen im fortgeschrittenen Alter sind dabei etwas häufiger betroffen. Mit fortschreitendem Alter ist Bluthochdruck häufiger [Quelle 6]. Weil Bluthochdruck oft keine Beschwerden macht, wissen viele nichts von ihren erhöhten Werten. Unbehandelt kann dauerhaft erhöhter Blutdruck die Blutgefäße und verschiedene Organe schädigen, und zu Herzinfarkten, Herzschwäche oder Nierenschwäche führen. Den eigenen Lebensstil zu ändern kann helfen, den Blutdruck zu senken. Dazu gehören etwa Abnehmen bei Übergewicht, auf Rauchen und übermäßig viel Alkohol zu verzichten, das Essen wenig zu salzen und sich regelmäßig zu bewegen. Wenn das nicht ausreicht – oder nicht ausreichend gelingt – gibt es auch Medikamente, die den Blutdruck senken können [Quellen 6,7]. Es gibt eine ganze Menge an Mitteln, die angeblich den Blutdruck senken sollen. Bei Medizin transparent haben wir zum Beispiel bereits die Studienlage zu Hibiskus, Olivenblätter, Arginin, Granatapfel, Apfelessig oder Knoblauch bewertet. Verlässliche Informationen zu den gesundheitlichen Folgen von Bluthochdruck finden Sie auf der unabhängigen Informationsseite Gesundheitsinformation.de oder dem Portal Gesundheit.gv.at. Die Studien im Detail Nach welchen Studien haben wir gesucht? Bei unserer Recherche haben wir uns auf Studien konzentriert, bei denen die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip zwei Gruppen zugeteilt wurden. Die einen nahmen regelmäßig Leinöl ein, die anderen ein Scheinpräparat – also beispielsweise Sonnenblumenöl, welches keine Alpha-Linolensäure enthält. Solche Studien heißen randomisiert-kontrollierte Studien. Sie sind am besten geeignet, um die Wirksamkeit einer Behandlung zu untersuchen. Wir konnten vier solche Untersuchungen finden, die im Iran [Quellen 1,4], in den Niederlanden [Quelle 2] und in China [Quelle 3] durchgeführt worden waren. Wie aussagekräftig sind diese Studien? In zwei der Studien fanden die Forschungsteams keinen Unterschied zwischen der Behandlungsgruppe und der Kontrollgruppe [Quellen 2, 3]. In einer weiteren Studie [Quelle 1] sank der Blutdruck mit Leinöl im Vergleich zur Kontrollgruppe um durchschnittlich knapp 5 mmHg. Das dürfte jedoch zu gering sein, um einen Unterschied für die Gesundheit zu machen. In der vierten Untersuchung [Quelle 4] lagen zwischen den durchschnittlichen Blutdruckwerten in den beiden Gruppen etwa 15 mmHg. Das wäre prinzipiell ein bedeutsamer Vorteil für die Leinöl-Gruppe [Quelle 8]. So oder so haben wir kein Vertrauen in diese Ergebnisse. Dafür gibt es mehrere Gründe: Schlechte oder unklare Qualität: In zwei Studien [Quellen 1,2] fehlten so viele Angaben, dass wir nicht beurteilen können, ob sie wirklich gut gemacht waren. In den beiden anderen Studien schätzen wir die Qualität als schlecht ein [Quelle 3,4]. So flossen in der einen nicht die Daten aller Teilnehmenden in die Auswertung ein [Quelle 4], in der anderen rauchten in der Behandlungsgruppe doppelt so viele Personen wie in der Kontrollgruppe [Quelle 3]. Das kann sich ebenfalls auf den Blutdruck auswirken. Damit sind die Ausgangsbedingungen der beiden Gruppen nicht vergleichbar. Widersprüchliche Ergebnisse: In drei der vier Studien fanden die Forschungsteam keinen oder keinen wesentlichen Vorteil von Leinöl [Quellen 1,2,3], in einer Untersuchung jedoch einen recht großen Effekt [Quelle 4]. Weil die Teilnehmenden in den Studien außer hohem Blutdruck unterschiedliche zusätzliche Gesundheitsprobleme hatten und sich auch die Menge des eingenommenen Leinöls beziehungsweise von Alpha-Linolensäure unterschied, ist es schwierig, den Grund für diese widersprüchlichen Ergebnisse herauszufinden. Zu kurze Dauer: Die Studien dauerten nur sieben [Quelle 4] beziehungsweise zwölf [Quelle 1-3] Wochen. Um herauszufinden, ob Leinöl den Blutdruck nachhaltig senkt, ist das zu kurz. Zu wenige Teilnehmende: An den beiden Studien haben insgesamt nur rund 300 Menschen teilgenommen. Das ist zu wenig, um die Ergebnisse verallgemeinern zu können. Wissenschaftliche Quellen [1] Rezai et al. (2020) Flaxseed oil in the context of a weight loss programme ameliorates fatty liver grade in patients with non-alcoholic fatty liver disease: a randomised double-blind controlled trial. Br J Nutr 2020;123:994-1002. (Studie in voller Länge) [2] Pieters et al. (2019) Effect of α-linolenic acid on 24-h ambulatory blood pressure in untreated high-normal and stage I hypertensive subjects. Br J Nutr 2019;121:155-163. (Studie in voller Länge) [3] Yang et al. (2019) Lowering Effects of n-3 Fatty Acid Supplements on Blood Pressure by Reducing Plasma Angiotensin II in Inner Mongolia Hypertensive Patients: A Double-Blind Randomized Controlled Trial. J Agric Food Chem 2019;67:184-192. (Zusammenfassung der Studie) [4] Akrami et al. (2018) Comparison of the effects of flaxseed oil and sunflower seed oil consumption on serum glucose, lipid profile, blood pressure, and lipid peroxidation in patients with metabolic syndrome. J Clin Lipidol 2018;12:70-77. (Zusammenfassung der Studie) [5] Abdelhamid et al. (2020) Omega-3 fatty acids for the primary and secondary prevention of cardiovascular disease. Cochrane Database Syst Rev. 2020 Feb 29;3(3):CD003177. (Übersichtsarbeit in voller Länge) [6] Gesundheitsinformation.de (2024) Bluthochdruck. Abgerufen am 26.2.2025 unter Gesundheitsinformation.de [7] UpToDate (2025) Overview of hypertension in adults. Abgerufen am 26.2.2025 unter uptodate.com [8] Kandzari et al. (2022) Clinical Trial Design Principles and Outcomes Definitions for Device-Based Therapies for Hypertension: A Consensus Document From the Hypertension Academic Research Consortium. Circulation, 145(11), 847–863. (Arbeit in voller Länge) [9] UpToDate (2025) Dietary fat. Abgerufen am 15.4.2025 unter uptodate.com Versionsgeschichte x.x.2025: erste Version des Faktenchecks Schlagworte BlutdruckHerzrisikoLeinölOmega 3 Fettsäuren In über 500 Faktenchecks suchen