Hydroxylapatit in Zahnpasta: Wirksamkeit nicht belegt

Laut Werbung soll Zahnpasta mit Hydroxylapatit bei schmerzempfindlichen Zähnen helfen und Karies vorbeugen. Wissenschaftliche Belege dafür fehlen.

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Helfen Zahnpflegeprodukte mit Hydroxylapatit bei schmerzempfindlichen Zähnen? Und können sie Karies vorbeugen?

Zu diesen Fragen fanden wir lediglich mangelhafte Studien ohne Aussagekraft. Belege für die behaupteten Wirkungen können sie nicht liefern.

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© Dejan Dundjerski - shutterstock.com Hilft Zähneputzen mit Hydroxylapatit bei schmerzempfindlichen Zähnen?
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Zahnpasta ist nicht gleich Zahnpasta – behauptet zumindest die Werbung. Die Konkurrenz bei Zahnpflegeprodukten ist groß, und so versuchen sich Hersteller mit vermeintlichen Innovationen voneinander abzuheben.

Eine solche Innovation sollen Zahnpasten und Mundspülungen sein, die Hydroxylapatit enthalten – oft anstelle von Fluorid. Hydroxylapatit ist der natürliche Hauptbestandteil unserer Zähne.

Dass Fluorid Karies vorbeugen kann, ist wissenschaftlich gut belegt. Studien geben auch keinen Anlass anzunehmen, dass Fluorid-Zahnpasta der Gesundheit schadet.

Herstellerfirmen bewerben Hydroxylapatit oft als „flüssigen“ oder „künstlichen“ Zahnschmelz. Produkte damit sollen in der Lage sein, Karies vorzubeugen und bei schmerzempfindlichen Zähnen zu helfen – angeblich genauso gut wie Fluorid.

Aussagekräftige Forschung fehlt

Für keine dieser Werbebehauptungen gibt es jedoch wissenschaftliche Belege. Denn bisher gibt es keine aussagekräftigen Studien, welche die angepriesenen Wirkungen wissenschaftlich seriös überprüft haben. Das hat unsere umfangreiche Recherche ergeben.

Bei unserer Suche nach Forschungsergebnissen sind wir zwar auf elf Untersuchungen [1-11] gestoßen, von denen wir uns Klärung erhofft haben. Doch keine der Untersuchungen wurde nach wissenschaftlichen Standards für aussagekräftige Studien durchgeführt.

Deren scheinbar positive Ergebnisse zur Behandlung von schmerzempfindlichen Zähnen halten wir daher für genauso wenig vertrauenswürdig wie die Schlussfolgerung, Hydroxylapatit könne Karies ähnlich gut vorbeugen wie Fluorid [12] (mehr dazu im Abschnitt Die Studien im Detail).

Viele Fragen offen

Es ist zurzeit nicht nur unklar, ob Hydroxylapatit gegen Schmerzempfindlichkeit der Zähne oder Karies hilft. Auch viele andere Fragen rund um Hydroxylapatit sind derzeit nur schlecht oder gar nicht erforscht:

  • Hat eine längerfristige Anwendung solcher Produkte negative Folgen für die Gesundheit? Schließlich liegt die Größe der Hydroxylapatit-Partikel in den diversen Zahnpflegeprodukten im Nanobereich. Bislang ist über die gesundheitlichen Auswirkungen und Risiken von Nanoteilchen auf den menschlichen Körper wenig bekannt [13,14].
  • Falls Hydroxylapatit tatsächlich etwas bewirkt – wie lange bleibt der damit behandelte Zahn geschützt?
  • Und wie oft und in welcher Dosierung sollen Zahnpflegeprodukte mit Hydroxylapatit verwendet werden?

Antworten darauf können nur zukünftige, nach strengen wissenschaftlichen Standards durchgeführte Studien liefern.

Hydroxylapatit als Bestandteil von Zähnen und Knochen

Hydroxylapatit ist ein wichtiger Bestandteil der Knochen – und der Zähne. Das härteste Gewebe unseres Körpers, der Zahnschmelz, besteht zu 95 Prozent aus diesem Mineral. Dank dieser Härte sind unsere Zähne gut gegen die täglichen „Angriffe“ durch Nahrung und Kaubewegungen gewappnet.

In der Medizin wird Hydroxylapatit schon seit längerem als Knochenersatzmaterial eingesetzt – beispielsweise bei zahnärztlichen Operationen. Zahnpflegeprodukte, die damit beworben werden, enthalten es in Form winzigster Partikel: sogenanntes Nano-Hydroxylapatit. Diese Partikel haben einen Durchmesser von unter 100 Nanometern, was ungefähr tausendmal kleiner ist als der Durchmesser eines Haares.

Ungeschützt und schmerzempfindlich

Wer einmal unter schmerzempfindlichen Zähnen gelitten hat, kennt den blitzartig einfahrenden Schmerz – etwa, wenn man heißen Tee trinkt oder Eis isst. Auch Saures oder Süßes kann den Schmerz auslösen.

Ursache ist das freiliegende Dentin (Zahnbein). Normalerweise wird es vom harten Zahnschmelz und dem darüber liegenden Zahnfleisch geschützt. Ist das Zahnfleisch entzündet, kann es sich zurückziehen. Dann liegt das Dentin der Zahnhälse frei. Dentin enthält neben Blutgefäßen auch Nervenfasern und ist daher sehr schmerzempfindlich. Auch ein durch Karies-Bakterien entstandenes Loch im Zahnschmelz führt dazu, dass das Zahnbein frei liegt.

Ursachen, Vorbeugung und Behandlung von Karies beschreibt das Österreichische Gesundheitsportal Gesundheit.gv.at.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob eine Zahnpasta mit Hydroxylapatit die Zahngesundheit verbessert, lässt sich am aussagekräftigsten mit sogenannten randomisiert-kontrollierten Studien untersuchen. Dabei wird eine große Anzahl von Testpersonen per Zufall (randomisiert) auf zwei Gruppen aufgeteilt. Die Behandlungsgruppe erhält eine Zahnpasta mit Hydroxylapatit, die Kontrollgruppe eine gleich aussehende und gleich schmeckende Zahnpasta ohne diesen Stoff. Möglich wäre auch, Hydroxylapatit-Zahnpasta mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta zu vergleichen.

Mit der jeweils zugewiesenen Zahnpasta sollen die Teilnehmenden täglich über längere Zeit ihre Zähne putzen – ohne zu wissen, wer welche Zahnpasta bekommen hat.

Wenn die Zähne der Gruppe mit der Hydroxylapatit-Zahnpasta nach längerer Zeit weniger schmerzempfindlich oder kariös sind als die Zähne der Kontrollgruppe, wäre das ein Beleg für die Wirksamkeit von Hydroxylapatit. Natürlich nur dann, wenn dieser Unterscheid zu Studienbeginn noch nicht vorhanden war.

Um solche randomisiert-kontrollierten Studien zu finden, durchsuchten wir zwei wissenschaftliche Datenbanken sowie eine Publikationsliste, die wir von einer Herstellerfirma erhalten hatten.

Auf den ersten Blick erschienen uns elf Studien prinzipiell geeignet, unsere Fragen zu beantworten: fünf [1-5] zu Schmerzempfindlichkeit, fünf [7-11] zur Vorbeugung von Karies und eine [6] zu beiden behaupteten Wirkungen.
Als wir uns diese genauer ansahen, wurde jedoch schnell klar: Die scheinbar positiven Studienergebnisse sind nicht belastbar. Die Mängel bei der Durchführung sind so groß, dass wir den vielversprechenden Resultaten nicht vertrauen können.

Schmerzempfindliche Zähne: Wie aussagekräftig sind die Studien?

Die sechs Studien zur Behandlung von schmerzempfindlichen Zähnen sind wegen folgenden schweren Mängeln nicht aussagekräftig:

  • Auffällig wortgleich: Bei zwei italienisch-schweizerischen Studien aus dem Jahr 2014 [1] und 2018 [2] ist auffällig, dass sie über weite Teile wortgleich sind. Auch die Anzahl der Teilnehmenden ist ident – andere Daten jedoch nicht. Es hat daher für uns den Anschein, als wären in der Studie aus 2018 bloß die Zahlen aus 2014 verändert worden.
  • Verzerrung durch Erwartungen: In vier Studien [1,2,4,5] wussten die Teilnehmenden und das Forschungsteam, wer Zahnpasta mit bzw. ohne Hydroxylapatit verwendete. Das führte vermutlich zu Erwartungen, die die Ergebnisse beeinflusst haben können. Beispielsweise könnten Teilnehmende mit Hydroxylapatit-Zahnpasta gründlicher und häufiger die Zähne geputzt haben, oder sie haben ihre Schmerzen als weniger schlimm beurteilt.
  • Unterschiede vor Studienbeginn: In zwei Studien [3,6] unterschieden sich die Hydroxylapatit-Gruppe und die Kontrollgruppe bereits vor Studienbeginn. So lässt sich nicht sicher sagen, welchen Effekt der Wirkstoff in der Zahnpasta hatte.
  • Fragwürdige Auswertung: In zwei Studien [3,4] ist die rechnerische Auswertung der Daten unzureichend bzw. nicht nachvollziehbar.
  • Nur einmal geputzt: In einer Studie [5] haben die Teilnehmenden die untersuchten Zahnpasten nur ein einziges Mal angewendet. Daraus lässt sich nicht auf den ständigen Gebrauch schließen.
  • Schmerz nicht selbst beurteilt: In einer Studie [4] wurden die Teilnehmenden nicht selbst befragt, wie stark sie ihre Schmerzen beurteilen. Stattdessen hat dies ein Mitglied aus dem Forschungsteam beurteilt – eine unserer Meinung nach sehr ungenaue Methode.
  • Nur Teilauswertung: In einer Studie [3] wurden nur die Daten von zwei Drittel der teilnehmenden Kinder ausgewertet.
  • Verzerrung durch professionelle Zahnreinigungen: In einer Studie [6] bekamen die Teilnehmenden drei Mal innerhalb von 90 Tagen eine professionelle Zahnreinigung. Es ist gut möglich, dass nur deshalb am Ende die fluorid-freie Hydroxylapatit-Zahnpasta ähnlich gut abschnitt wie die Fluorid-haltige Zahnpasta.

Vorbeugung von Karies: Wie aussagekräftig sind die Studien?

Sechs Studien [6-11] haben untersucht, wie gut Hydroxylapatit in der Zahnpasta Karies vorbeugen kann – oder zumindest Vorstufen davon in Form von leichten Zahnschmelz-Schäden. Wirkliche Karies-Löcher sind höchstens in einer der Studien [10] aufgetreten. Keine der Untersuchungen ist jedoch aussagekräftig genug, um die Wirksamkeit des Wirkstoffs einschätzen zu können. Zu diesem Schluss kommt auch ein Forschungsteam, das die bisherige Studienlage zusammengefasst und analysiert hat [12]. Grund sind die folgenden Mängel:

  • Verzerrung durch professionelle Zahnreinigungen: In zwei Studien [6,10] bekamen die Teilnehmenden mehrmals eine professionelle Zahnreinigung. In einer Studie [11] erfolge eine solche professionelle Mundhygiene nur zu Studienbeginn, die Teilnehmenden erhielten aber Schulungen im gründlichen Zähneputzen, wenn sie bei Kontrolluntersuchungen viel Plaque hatten. Es ist möglich, dass die fluorid-freie Hydroxylapatit-Zahnpasta nur deshalb ähnlich gut abschnitt wie die Fluorid-haltige Zahnpasta.
  • Unrealistischer Vergleich: In einer Studie [10] putzten die teilnehmenden Kinder aus der Kontrollgruppe mit einer zu niedrig dosierten Fluorid-Zahnpasta. Sie enthielt deutlich weniger Fluorid als für ihre Altersgruppe (3-7 Jahre) empfohlen: nur 500 statt 1000 ppm. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die Hydroxylapatit-Zahnpasta im Vergleich mit der empfohlenen Fluorid-Konzentration schlechter abgeschnitten hätte.
  • Unterschiede vor Studienbeginn: In zwei Studien [6,9] unterschieden sich die Hydroxylapatit-Gruppe und die Kontrollgruppe bereits vor Studienbeginn. In zwei weiteren Studien [7,10] lässt sich das zumindest nicht ausschließen, da die Angaben dazu fehlen. So lässt sich nicht beurteilen, ob Unterschiede in der Wirkung tatsächlich auf den Inhaltsstoff Hydroxylapatit zurückgehen.
  • Anzahl der Teilnehmenden unklar: In einer Studie [8] bleibt unklar, wie viele Personen an der Studie teilgenommen haben. Berichtet wurde nur die Anzahl der untersuchten Zähne – nicht aber, wie viele Zähne pro Person sich das Forschungsteam angeschaut hatte.
  • Kurze Studiendauer: Drei Studien [6,8,9] liefen nur über eine Dauer zwischen 5 Wochen und 3 Monaten. Das ist zu kurz, um die Entstehung von Karies gut untersuchen zu können. Die längste Studie lief über 1,5 Jahre [11]. Fachleuten zufolge wäre eine Studienlaufzeit von drei Jahren aussagekräftig [15]. Somit war die Wahrscheinlichkeit gering, dass die teilnehmenden Männer, Frauen und Kinder überhaupt Karies in nennenswertem Ausmaß bekommen konnten.

[1] Vano (2014) Effectiveness of nano-hydroxyapatite toothpaste in reducing dentin hypersensitivity: a double-blind randomized controlled trial. Quintessence international, 45(8). (Studie in voller Länge)

[2] Vano (2018) Reducing dentine hypersensitivity with nano-hydroxyapatite toothpaste: a double-blind randomized controlled trial. Clinical oral investigations, 22, 313-320. (Zusammenfassung der Studie)

[3] Ehlers et al. (2021) Efficacy of a toothpaste based on microcrystalline hydroxyapatite on children with hypersensitivity caused by MIH: A randomised controlled trial. Oral Health Prev. Dent, 19, 647-658. (Studie in voller Länge)

[4] Polyakova et al. (2020) Qualitative and quantitative assessment of remineralizing effect of prophylactic toothpaste promoting brushite formation: A randomized clinical trial. Journal of International Society of Preventive & Community Dentistry, 10(3), 359. (Studie in voller Länge)

[5] Alharith et al. (2021) Clinical efficacy of single application of plain nano-hydroxyapatite paste in reducing dentine hypersensitivity—A randomized clinical trial. Saudi Endod. J, 11, 24. (Studie in voller Länge)

[6] Butera et al. (2022) Home oral care with biomimetic hydroxyapatite vs. conventional fluoridated toothpaste for the remineralization and desensitizing of white spot lesions: Randomized clinical trial. International Journal of Environmental Research and Public Health, 19(14), 8676. (Studie in voller Länge)

[7] Schlagenhauf u.a. (2019) Impact of a non‐fluoridated microcrystalline hydroxyapatite dentifrice on enamel caries progression in highly caries‐susceptible orthodontic patients: A randomized, controlled 6‐month trial. Journal of Investigative and Clinical Dentistry, 10(2), e12399. (Studie in voller Länge)

[8] Alhamed et al. (2020) Effect of different remineralizing agents on the initial carious lesions–A comparative study. The Saudi Dental Journal, 32(8), 390. (Studie in voller Länge)

[9] Badiee et al. (2020) Comparison of the effects of toothpastes containing nanohydroxyapatite and fluoride on white spot lesions in orthodontic patients: A randomized clinical trial. Dental Research Journal, 17(5), 354. (Studie in voller Länge)

[10] Paszynska et al. (2021) Impact of a toothpaste with microcrystalline hydroxyapatite on the occurrence of early childhood caries: a 1-year randomized clinical trial. Scientific reports, 11(1), 2650. (Studie in voller Länge)

[11] Paszynska et al. (2023) Caries-preventing effect of a hydroxyapatite-toothpaste in adults: a 18-month double-blinded randomized clinical trial. Frontiers in Public Health, 11, 1199728. (Studie in voller Länge)

[12] Wierichs (2022) Efficacy of nano-hydroxyapatite on caries prevention—A systematic review and meta-analysis. Clinical oral investigations, 26(4), 3373-3381. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[13] Bundesinstitut für Risikobewertung (2012) Nanomaterialien: Sondergutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen bestätigt BfR-Einschätzung. Stellungnahme Nr. 013/2012 des BfR vom 1. April 2012, abgerufen am 14. 8. 2023 unter: www.bfr.bund.de

[14] Bundesinstitut für Risikobewertung Gesundheitliche Bewertung von Nanomaterialien, abgerufen am 14. 8. 2023 unter www.bfr.bund.de

[15] Walsh et al. (2019) Fluoride toothpastes of different concentrations for preventing dental caries. Cochrane database of systematic reviews, (3). (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

  • 19.9.2023: eine neue Studie [11] ändert unsere Einschätzung nicht
  • 21.8.2023: mehrere neue Studien haben unsere Einschätzung nicht geändert
  • 1.7.2020: keine neuen Studien gefunden
  • 31.10.2018: neue Studien haben unsere Einschätzung nicht geändert
  • 30.9.2016: erste Veröffentlichung

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