Startseite ● Eier und Lecithin für ein besseres Gedächtnis? Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert. Eier und Lecithin für ein besseres Gedächtnis? Den Substanzen Cholin und Lecithin, die in Eiern und einigen anderen Lebensmitteln vorkommen, wird nachgesagt, das Gedächtnis zu verbessern. Studien sind sich da nicht so sicher. 07. November 2016 AutorIn: Bernd Kerschner Review: Claudia Christof Teilen Kann mit der Nahrung aufgenommenes Cholin – alleine oder z.B. in Form von Lecithin – das Gedächtnis verbessern? wissenschaftliche Belege fehlen Bisher durchgeführte Studien liefern keinen klaren Hinweis darauf, ob die zusätzliche Aufnahme von Cholin bei gesunden oder dementen Menschen ohne Cholinmangel zu einer Verbesserung des Gedächtnisses führt. so arbeiten wir Wirkt Cholin gedächtnisfördernd? © somemeans – fotolia.com Cholin ist ein Bestandteil von Lecithin und unter anderem wichtig für den Aufbau der Zellwände. Früher wurde es für ein Vitamin gehalten; heute findet sich manchmal die Bezeichnung „vitaminähnliche Substanz“. Bei guter Versorgung mit Aminosäuren kann der Körper selbst ausreichend Cholin herstellen; nur in Phasen besonderer Belastung – zum Beispiel bei starkem Wachstum oder großer Anstrengung – müssen wir Cholin extra über die Nahrung zuführen. Nervenzellen produzieren aus Cholin den Botenstoff Acetylcholin, der im Gehirn unter anderem die Gedächtnisfunktion reguliert. Ohne Acetylcholin können die betreffenden Hirnzellen keine Signale mehr austauschen und es kommt zu Gedächtnisverlust, wie bei der Alzheimer-Erkrankung, bei der Acetylcholin-haltige Hirnzellen nach und nach absterben. Manche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vermuten deshalb, dass die vermehrte Aufnahme von Cholin- beziehungsweise Lecithin-haltigen Lebensmitteln die Gedächtnisfunktion verbessern könnte. Cholin steckt nicht nur in Eiern Eier haben von allen Nahrungsmitteln den höchsten Cholin-Anteil. Doch auch Fleisch (insbesondere Leber), Fisch oder Gemüsesorten wie Soja, Bohnen und Kohl beinhalten signifikante Mengen des Nährstoffs [7]. Meist kommt Cholin in diesen Nahrungsmitteln nicht in freier Form vor, sondern gebunden als Lecithin, einem Gemisch cholinhaltiger Verbindungen. Auswirkung auf Gedächtnis nicht belegt Aber stimmt es, dass ein tägliches Eier-Frühstück die Leistungsfähigkeit des Gehirns deutlich stärkt und die Merkfähigkeit erhöht? In einer Studie verbesserte sich das Gedächtnis älterer Menschen, die drei Jahre lang vermehrt Nahrungsmittel mit hohem Cholingehalt zu sich genommen hatten, gegenüber Personen mit geringerer Cholinaufnahme teilweise etwas [1]. Einen klaren Beweis, dass das Cholin die Ursache für die bessere Gedächtnisleistung darstellt, lieferte die Studie jedoch nicht. Die beobachteten Verbesserungen könnten auch andere Ursachen haben. In einer systematischen Übersichtsarbeit über zwölf Studien zur Behandlung von Alzheimer-Demenz und anderen altersbedingten Gedächtnisproblemen wurde die Wirkung von hohen Dosen an cholinhaltigem Lecithin zusammengefasst [2]. Die tägliche Einnahme von Lecithin über einen Zeitraum von bis zu drei Monaten hatte in den allermeisten Fällen keinen Einfluss auf die Merkfähigkeit der Demenzkranken. Schlechte Studienqualität In zwei anderen Studien wurde untersucht, wie sich die Aufnahme von reinem Cholin in Form von Nahrungsmittelzusätzen auf die Hirnleistung auswirkt. Auch hier wurde kein gedächtnissteigernder Effekt festgestellt [3, 4]. Die Aussagekraft der beiden Studien ist jedoch eingeschränkt: An den methodisch mangelhafte Untersuchungen hatten jeweils nur sehr wenige Versuchspersonen teilgenommen. Eine weitere Studie an lediglich elf per Infusion ernährten Personen zeigte, dass die Zugabe von Cholin zur Nährlösung zu einer Gedächtnisverbesserung im Vergleich zur Kontrollgruppe führte, die kein Cholin erhalten hatte [5]. Dieses Ergebnis lässt sich allerdings nicht auf Menschen mit normaler Ernährung übertragen: Denn mit der täglichen Nahrung nehmen die meisten von uns zumindest moderate Mengen Cholin auf. Außerdem war auch bei dieser Studie die Zahl der Beobachteten zu gering, um eine allgemeingültige Aussage treffen zu können. Spezielle Lecithinverbindung hilft geringfügig Sehr wohl scheint hingegen die Verbindung Cytidin-Diphospho-Cholin (CDP-Cholin) die Gedächtnisleistung zu verbessern – zumindest bei älteren Personen mit Demenzerkrankungen. In Lebensmitteln kommt CDP-Cholin nicht vor, der Körper kann mit der Nahrung aufgenommenes Cholin aber in CDP-Cholin umwandeln. In einer Studie wurde, in der CDP-Cholin über Nahrungsergänzungsmittel zugeführt wurde, bewirkte die regelmäßige Einnahme über bis zu drei Monate kurzfristige Verbesserung der Merkfähigkeit bei Leuten, die an Alzheimer oder anderen Gedächtnisstörungen litten [6]. Wie diese Wirkung zustande kommt und wie lange sie anhält, ist allerdings unbekannt. Auch kann die Substanz eine Alzheimer-Erkrankung nicht heilen oder gar zum Stillstand bringen. Zudem ist der gedächtnisfördernde Effekt sehr gering. Unerwünschte Nebenwirkungen wurden nicht berichtet. Fazit: große Unsicherheit Insgesamt lässt sich ein gedächtnisfördernder Effekt von Cholin oder Lecithin aus der Nahrung nicht sicher nachweisen. Bei älteren Patienten mit Alzheimer oder anderen Gedächtnisproblemen scheint das Nahrungsergänzungsmittel CDP-Cholin zumindest kurzfristig eine leichte Verbesserung der Merkfähigkeit zu bewirken. Über die langfristige Wirksamkeit dieser Substanz kann nichts gesagt werden. Wissenschaftliche Quellen [1] Poly u.a. (2011) Studientyp: Querschnittstudie Teilnehmer: 1391 Personen ohne Demenz Dauer: Einnahme von Cholin mit der Nahrung rückblickend zwischen 1998 und 2001 Fragestellung: Besteht ein Zusammenhang zwischen der vermehrten Aufnahme von Cholin mit der Nahrung und der geistigen Leistungsfähigkeit? The relation of dietary choline to cognitive performance and white-matter hyperintensity in the Framingham Offspring Cohort. Am J Clin Nutr. 2011 Dec;94(6):1584-91 (Volltext der Studie) [2] Higgins u.a. (2000) Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse der Cochrane Collaboration Eingeschlossene Studien: 12 randomisiert-kontrollierte Studien zur Gedächtnisleistung Teilnehmende: 265 ältere Personen mit Alzheimer-Demenz (10 Studien), Parkinson (1 Studie) oder subjektiven Gedächtnisproblemen (1 Studie) Studiendauer: 1 Woche bis 2 Jahre (bis auf eine Studie 6 Monate oder kürzer) Fragestellung: Bewirkt die Einnahme von Lecithin bei älteren Personen mit Demenz oder chronischen Gedächtnisproblemen eine Verbesserung der Merkfähigkeit und anderer Symptome? Lecithin for dementia and cognitive impairment. Cochrane Database of Systematic Reviews 2000, Issue 4. Art. No.: CD001015 (Volltext der Studie) [3] Mohs u.a. (1980) Studientyp: nicht randomisierte, kontrollierte Studie Teilnehmer: 10 gesunde Personen über 60 Jahren Fragestellung: Bewirkt die dreiwöchige Einnahme von Cholin-Chlorid eine Verbesserung der Merkfähigkeit im Vergleich zu Placebo-Einnahme? Choline chloride effects on memory in the elderly. Neurobiol Aging. 1980 Summer;1(1):21-5 (Zusammenfassung der Studie) [4] Davis u.a. (1980) Studientyp: nicht randomisierte, kontrollierte Studie Teilnehmer: 15 gesunde Männer zwischen 18 und 34 Jahren Dauer: Cholin-Einnahme über 3 Tage Fragestellung: Bewirkt die einmaligen Einnahme von Cholin-Chlorid eine Verbesserung der Merkfähigkeit im Vergleich zu Placebo-Einnahme? Cholinomimetics and memory. The effect of choline chloride. Arch Neurol. 1980 Jan;37(1):49-52 (Zusammenfassung der Studie) [5] Buchman u.a. (2001) Studientyp: randomisiert-kontrollierte Studie Teilnehmer: 11 Personen mit künstlicher (parenteraler) Ernährung Fragestellung: Bewirkt der Zusatz von Cholin-Chlorid zu parenteraler Ernährung eine Verbesserung der Merkfähigkeit im Vergleich zu keinem Cholin-Zusatz? Verbal and visual memory improve after choline supplementation in long-term total parenteral nutrition: a pilot study. JPEN J Parenter Enteral Nutr. 2001 Jan-Feb;25(1):30-5 (Zusammenfassung der Studie) [6] Fioravanti; Yanagi (2010) Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse der Cochrane Collaboration Eingeschlossene Studien: 10 randomisiert-kontrollierte Studien zur Gedächtnisleistung Teilnehmende: 924 ältere Patienten mit leichten Gedächtnisstörungen bis hin zu Demenzsymptomen Studiendauer: 20 Tage bis zu 3 Monaten (sowie eine kleine Studie über 1 Jahr) Fragestellung: Bewirkt die Einnahme von Cytidin-Diphospho-Cholin (CDP-Cholin) im Vergleich zu Placebo-Einnahme bei älteren Personen mit chronischen Gedächtnisproblemen eine Verbesserung der Merkfähigkeit und anderer Symptome? Cytidinediphosphocholine (CDP-choline) for cognitive and behavioural disturbances associated with chronic cerebral disorders in the elderly. Cochrane Database of Systematic Reviews 2005, Issue 2. Art. No.: CD000269 (Volltext der Studie) Weitere wissenschaftliche Quellen [7] Patterson K Y et al (2008). USDA Database for the Choline Content of Common Foods: Release Two. US Department of Agriculture, Maryland, USA. Aufgerufen am 07.11.2016 https://www.ars.usda.gov/northeast-area/beltsville-md/beltsville-human-nutrition-research-center/nutrient-data-laboratory/docs/usda-database-for-the-choline-content-of-common-foods-release-2-2008/ Versionsgeschichte Die ursprüngliche Version erschien am 19.06.2012. Neuerliche Literatursuchen 2014 und 2016 brachten keine Änderung der Einschätzung. Schlagworte AcetylcholinAlzheimer-DemenzCholinDemenzEierErnährungGedächtnisstörungenGehirnHühnereierLebensmittelLecithinNervenVergesslichkeit In über 500 Faktenchecks suchen