Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Die weite Welt der Faszientherapie

Faszien sind Bindegewebshüllen die Muskeln und Organe ummanteln. Angeblich können sie verkleben, verrutschen und verdrehen – rückt man sie wieder zurecht, heilen Sportverletzungen und chronische Schmerzen. Zumindest theoretisch.

AutorIn:

Hilft eine Behandlung nach dem Fasziendistorsionsmodell bei chronischen Schulterschmerzen?

Derzeit gibt es nur eine randomisiert kontrollierte Studie zu dieser Therapieform. Sie deutet darauf hin, dass Faszientherapie bei manchen Schulterbeschwerden helfen könnte.

so arbeiten wir
© WavebreakmediaMicro - fotolia.com Stretching als Teil der Faszientherapie
© WavebreakmediaMicro – fotolia.com

Wir wurden in einer Anfrage gebeten uns die Faszientherapie anzuschauen. Bei der Recherche sind wir auf zahlreiche Therapien gestoßen, die unter diesen Sammelbegriff fallen können. Sie alle haben gemeinsam, dass sie sich auf ein spezielles Bindegewebe konzentrieren, dass Muskeln und Organe umhüllt – eben die Faszien. Solche Therapien laufen unter vielen Namen – auch das Rolfing ist eine Faszientherapie über die wir hier bereits berichtet haben: Rolfing bei Schmerzen und Fehlhaltungen).

Faszien können sich angeblich verhärten, verdrehen und unbeweglich werden und so zu Schmerzen führen [a]. Mit bestimmten Griffen und Massagetechniken wollen die unterschiedlichen Faszientherapien dieses Bindegewebe wieder zurecht rücken und so die Beschwerden lindern.

Ein Griff statt Eingriff

Den Faszien wird zumeist mit echter Handarbeit zu Leibe gerückt, das Spektrum der verwendeten Griffe ist allerdings weit und reicht von sanften ziehenden Bewegungen bis hin zu festem Druck auf spezielle Punkte – meistens Verhärtungen der Muskulatur (Trigger-Punkt-Therapie). Dabei können schon auch mal Knöchel und Ellenbogen zum Einsatz kommen.[1] [a]

Die Behandlungen unterscheiden sich nicht nur in den Handgriffen, mit denen sie durchgeführt werden, sondern oft auch in der dahinterstehenden Theorie und natürlich hat auch jede Behandlung ihren eigenen Namen.

Noch komplizierter machen es die erwähnten Trigger-Points – manchmal läuft auch das unter Faszientherapie, aber nicht immer – je nachdem welcher Wirkungsmechanismus von den Therapeuten angenommen wird.

Das Fasziendistorsionsmodell

Um zu einer konkreten Einschätzung zu kommen, haben wir uns auf das Fasziendistorsionsmodell konzentriert. Die Therapie ist relativ neu, sie wurde erst 2006 von einem US-amerikanischen Osteopathen vorgestellt und fand relativ schnell Verbreitung – obwohl es noch keine Studien gab.

Entscheidend für die Diagnose ist die Körpersprache des Patienten, wenn er seine Schmerzen beschreibt. Darin zeigt sich angeblich, welche Faszien verdreht, verklebt oder verschoben seien.[1] [a]

Dieser hypothetische Wirkmechanismus ist umstritten und auch heute noch ist die Studienlage sehr dünn. Wir konnten nur eine randomisiert kontrollierte Studie dazu finden: Patientinnen und Patienten mit bestimmten Schulterproblemen wurde entweder klassisch mit Massage und Physiotherapie behandelt oder eben nach dem Fasziendistorsionsmodell. In der Studie zeigt diese Form der Faszientherapie Vorteile gegenüber der klassischen Behandlung: Die Beweglichkeit der Schulter wird stärker verbessert, ebenso die Funktionalität. Der Schmerz reduziert sich bei beiden Behandlungsgruppen, bei der Faszientherapie geringfügig stärker.

Die Behandlung ist im Gegensatz zur klassischen Variante deutlich schmerzhafter. Das ist einerseits für die Patienten unangenehm, andererseits spekulieren die Autoren, dass es ein wichtiger Teil des Wirkmechanismus sein könnte, dass die Behandlung selber weh tut.[1]

Die sanftere Variante

Eine weitere Variante der Faszientherapie nennt sich „Myofascial Release“ und arbeitet mit sanfteren Griffen und Stretching-Methoden. Die bisher verfügbaren Studien zeigen, dass die Datenlagen noch nicht genügt, um eine Aussage zur Wirksamkeit zu machen [2].

Auffallend ist, dass bereits unzählige Techniken gelehrt werden, massenhaft Lehrbücher existieren, viel über Wirkmechanismen spekuliert wird, aber letztlich kaum gute Forschung betrieben wird. Hier stehen die meisten Varianten der Faszientherapie erst ganz am Anfang und müssen sich einer Überprüfung der Wirksamkeit erst stellen.

 

Die Studien im Detail

Die randomisiert kontrollierte Studie zum Fasziendistorsionsmodell (FDM) ist mit 60 teilnehmenden Personen zwar nicht sehr groß, aber methodisch durchaus akzeptabel gemacht: Die Teilnehmenden wurden zufällig auf die zwei Gruppen aufgeteilt, das Ergebnis der Therapie wurde von einer ansonsten nicht in die Studie eingebundenen Person beurteilt (Einfachverblindung) und die statistische Auswertung ist plausibel gemacht.

Wichtigstes Kriterium war, in wie weit die Beweglichkeit der Schulter verbessert werden kann: In der Gruppe, die nach Fasziendistorsionsmodell behandelt wurde, verbesserte sich die Beweglichkeit in sechs Wochen im Durchschnitt bei den Patienten um 30 Prozent, in der Vergleichsgruppe nur um 15 Prozent. Auch bei Funktionalität und Kraft schnitten die Teilnehmer in der FDM-Gruppe signifikant und klinisch relevant besser ab. Bezüglich Schmerz war der Unterschied zwischen den Gruppen nicht wesentlich.[1]

Die Übersichtsarbeit zu „Myofascial Release“ beinhaltet vier randomisiert-kontrollierte Studien und sechs Fallstudien. Die Einzelstudien sind widersprüchlich und mit einer Ausnahme von geringer Qualität und auch die Übersichtsarbeit selbst erfüllt nicht alle Kriterien einer guten systematischen Arbeit; daher ist die Studienlagen diesbezüglich unklar.[2]

(AutorIn: J. Wipplinger, Review: B. Kerschner, P. Mahlknecht)

Artikel empfehlen: auf Facebook teilen auf Twitter teilen

 

 

 

Information zu den wissenschaftlichen Studien


[1] Fink u.a. (2012)
Studientyp:randomisiert kontrollierte Studie
Teilnehmer: 60
Fragestellung: Wirksamkeit einer manuellen Behandlungstechnik nach dem Fasziendistorsionsmodell bei schmerzhaft eingeschränkter Schulterbeweglichkeit (Frozen Shoulder).
Interessenskonflikte: Keine angegeben.

Fink M, Schiller J, Buhck H. [Efficacy of a manual treatment method according to the fascial distortion model in the management of contracted („frozen“)shoulder]. Z Orthop Unfall. 2012 Sep;150(4):420-7.
Zusammenfassung

[2] McKenney u.a. (2013)
Studientyp:systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossen Studien: 6 Fallstudien, 4 randomisiert kontrollierte Studien
Fragestellung: „Myofascial Release“ bei orthopädischen Beschwerden
Interessenskonflikte: Keine angegeben.

McKenney K, Elder AS, Elder C, Hutchins A. Myofascial release as a treatment
for orthopaedic conditions: a systematic review. J Athl Train. 2013
Jul-Aug;48(4):522-7.
Zusammenfassung

Weitere wissenschaftliche Quellen

Schulze ua 2014
Unkontrollierte Fallstudie zu FDM
Schulze C, Finze S, Bader R, Lison A. Treatment of medial tibial stress
syndrome according to the fascial distortion model: a prospective case control
study. ScientificWorldJournal. 2014;2014:790626.
Zusammenfassung

[a] European Fascial Distorsion Model Association http://fdm-europe.com/fdm/fasziendistorsionsmodell/

Das Fasziendistorsionsmodell

Um zu einer konkreten Einschätzung zu kommen, haben wir uns auf das Fasziendistorsionsmodell konzentriert. Die Therapie ist relativ neu, sie wurde erst 2006 von einem US-amerikanischen Osteopathen vorgestellt und fand relativ schnell Verbreitung – obwohl es noch keine Studien gab.

Entscheidend für die Diagnose ist die Körpersprache des Patienten, wenn er seine Schmerzen beschreibt. Darin zeigt sich angeblich, welche Faszien verdreht, verklebt oder verschoben seien.[1] [a]

Dieser hypothetische Wirkmechanismus ist umstritten und auch heute noch ist die Studienlage sehr dünn. Wir konnten nur eine randomisiert kontrollierte Studie dazu finden: Patientinnen und Patienten mit bestimmten Schulterproblemen wurde entweder klassisch mit Massage und Physiotherapie behandelt oder eben nach dem Fasziendistorsionsmodell. In der Studie zeigt diese Form der Faszientherapie Vorteile gegenüber der klassischen Behandlung: Die Beweglichkeit der Schulter wird stärker verbessert, ebenso die Funktionalität. Der Schmerz reduziert sich bei beiden Behandlungsgruppen, bei der Faszientherapie geringfügig stärker.

Die Behandlung ist im Gegensatz zur klassischen Variante deutlich schmerzhafter. Das ist einerseits für die Patienten unangenehm, andererseits spekulieren die Autoren, dass es ein wichtiger Teil des Wirkmechanismus sein könnte, dass die Behandlung selber weh tut.[1]

Die sanftere Variante

Eine weitere Variante der Faszientherapie nennt sich „Myofascial Release“ und arbeitet mit sanfteren Griffen und Stretching-Methoden. Die bisher verfügbaren Studien zeigen, dass die Datenlagen noch nicht genügt, um eine Aussage zur Wirksamkeit zu machen [2].

Auffallend ist, dass bereits unzählige Techniken gelehrt werden, massenhaft Lehrbücher existieren, viel über Wirkmechanismen spekuliert wird, aber letztlich kaum gute Forschung betrieben wird. Hier stehen die meisten Varianten der Faszientherapie erst ganz am Anfang und müssen sich einer Überprüfung der Wirksamkeit erst stellen.

Die Studien im Detail

Die randomisiert kontrollierte Studie zum Fasziendistorsionsmodell (FDM) ist mit 60 teilnehmenden Personen zwar nicht sehr groß, aber methodisch durchaus akzeptabel gemacht: Die Teilnehmenden wurden zufällig auf die zwei Gruppen aufgeteilt, das Ergebnis der Therapie wurde von einer ansonsten nicht in die Studie eingebundenen Person beurteilt (Einfachverblindung) und die statistische Auswertung ist plausibel gemacht.

Wichtigstes Kriterium war, in wie weit die Beweglichkeit der Schulter verbessert werden kann: In der Gruppe, die nach Fasziendistorsionsmodell behandelt wurde, verbesserte sich die Beweglichkeit in sechs Wochen im Durchschnitt bei den Patienten um 30 Prozent, in der Vergleichsgruppe nur um 15 Prozent. Auch bei Funktionalität und Kraft schnitten die Teilnehmer in der FDM-Gruppe signifikant und klinisch relevant besser ab. Bezüglich Schmerz war der Unterschied zwischen den Gruppen nicht wesentlich.[1]

Die Übersichtsarbeit zu „Myofascial Release“ beinhaltet vier randomisiert-kontrollierte Studien und sechs Fallstudien. Die Einzelstudien sind widersprüchlich und mit einer Ausnahme von geringer Qualität und auch die Übersichtsarbeit selbst erfüllt nicht alle Kriterien einer guten systematischen Arbeit; daher ist die Studienlagen diesbezüglich unklar.[2]


[1] Fink u.a. (2012)
Studientyp:randomisiert kontrollierte Studie
Teilnehmer: 60
Fragestellung: Wirksamkeit einer manuellen Behandlungstechnik nach dem Fasziendistorsionsmodell bei schmerzhaft eingeschränkter Schulterbeweglichkeit (Frozen Shoulder).
Interessenskonflikte: Keine angegeben.

Fink M, Schiller J, Buhck H. [Efficacy of a manual treatment method according to the fascial distortion model in the management of contracted („frozen“)shoulder]. Z Orthop Unfall. 2012 Sep;150(4):420-7.
Zusammenfassung

[2] McKenney u.a. (2013)
Studientyp:systematische Übersichtsarbeit
Eingeschlossen Studien: 6 Fallstudien, 4 randomisiert kontrollierte Studien
Fragestellung: „Myofascial Release“ bei orthopädischen Beschwerden
Interessenskonflikte: Keine angegeben.

McKenney K, Elder AS, Elder C, Hutchins A. Myofascial release as a treatment
for orthopaedic conditions: a systematic review. J Athl Train. 2013
Jul-Aug;48(4):522-7.
Zusammenfassung

Weitere wissenschaftliche Quellen

Schulze ua 2014
Unkontrollierte Fallstudie zu FDM
Schulze C, Finze S, Bader R, Lison A. Treatment of medial tibial stress
syndrome according to the fascial distortion model: a prospective case control
study. ScientificWorldJournal. 2014;2014:790626.
Zusammenfassung

[a] European Fascial Distorsion Model Association http://fdm-europe.com/fdm/fasziendistorsionsmodell/

In über 500 Faktenchecks suchen