Budesonid gegen Corona: für Euphorie zu früh

Das Asthma-Medikament Budesonid wurde von Medien und Politik als Heilmittel in der Pandemie gefeiert. Gerechtfertigt ist das angesichts der noch dünnen Datenlage nicht.

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Kann das Inhalieren mit Budesonid-Spray Beschwerden bei Covid-19 lindern?

Kann das Inhalieren mit Budesonid-Spray bei Covid-19 das Risiko einer Spitalsbehandlung, eines schweren oder sogar tödlichen Verlaufs senken?

Bei einer milden Covid-19-Erkrankung kann das Cortison-Präparat Budesonid möglicherweise die Beschwerden etwas lindern und dafür sorgen, dass sich Erkrankte schneller wieder besser fühlen. Gut abgesichert sind diese Ergebnisse aber nicht. Ob Erkrankte mit Budesonid auch seltener im Krankenhaus behandelt werden müssen, können die bisher verfügbaren Studienergebnissen nicht verlässlich beantworten. Unklar ist außerdem, ob Budesonid auch schwer Erkrankten helfen oder Todesfälle durch Covid-19 verhindern kann.

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© Orawan Pattarawimonchai - Shutterstock.com Ein Asthmaspray als „Gamechanger“ in der Pandemie?
© Orawan Pattarawimonchai – Shutterstock.com

Dieser Beitrag ist Teil unserer Faktencheck-Serie Mythen und Fakten zum Coronavirus

Anfang April 2021 machte ein Asthmaspray Schlagzeilen. Das Cortison-Präparat Budesonid könne die Beschwerden einer Covid-19 Erkrankung lindern und Spitalsaufnahmen deutlich verringern – so eine kürzlich veröffentlichte Studie aus Oxford [1]. Medien bezeichneten das Medikament als einen Hoffnungsträger in der Pandemie, und der deutsche Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach nannte Budesonid auf Twitter einen „Gamechanger“. Die Euphorie basierte zu diesem Zeitpunkt auf einer einzigen Studie.

Ein Ansturm auf den Asthmaspray in Apotheken war die Folge. Viele Medien relativierten daraufhin ihre Berichte, und auch Fachgesellschaften und Ärzteschaft wiesen darauf hin, dass die Hoffnung verfrüht sei [4].

Wir haben uns nun ganz genau angesehen, was die Wissenschaft aktuell zu Budesonid bei Covid-19 sagt.

Bei unserer Suche fanden wir jene Studie eines Forschungsteams aus Oxford, die für Schlagzeilen sorgte [1] sowie eine weitere Studie aus Großbritannien [2]. Erstere war mit insgesamt 146 Teilnehmenden sehr klein. An der zweiten Studie nahmen über 1700 Personen teil.

Die Teilnehmenden beider Studien waren zumindest zu Beginn nur leicht an Covid-19 erkrankt. Sie hatten Beschwerden wie Husten, Halsschmerzen, Fieber oder Geruchsverlust, eine ärztliche Behandlung war aber nicht notwendig. Ein Teil der Teilnehmenden erhielt vom Studienteam einen Spray mit hochdosiertem Budesonid, um damit zweimal täglich zu inhalieren. Die restlichen Teilnehmenden bekamen keine Anweisungen. Anschließend wurden beide Gruppen 28 Tage lang regelmäßig zu ihren Beschwerden befragt.

Weniger Beschwerden

In der kleineren Studie aus Oxford [1] fühlten sich jene Teilnehmenden, die Budesonid verwendeten, nach Behandlungsbeginn durchschnittlich sieben Tage lang krank. Acht Tage waren es bei der Vergleichsgruppe ohne Budesonid.

In der Budesonid-Gruppe suchten nur zwei Teilnehmende innerhalb von 28 Tagen ärztliche Hilfe auf oder wurden im Krankenhaus aufgenommen. In der Vergleichsgruppe waren es elf Personen. Das sind neun Personen weniger in der Budesonid-Gruppe, also eine Verringerung um rund 80 Prozent.

Hinsichtlich Sauerstoffgehalt des Blutes und Anzahl von SARS-CoV-2-Viren im Nasenrachen-Raum gab es jedoch keine Unterschiede zwischen den Gruppen.

Kein Unterschied bei Krankenhausaufenthalten

In der größeren Studie [2] gaben die Teilnehmenden der Budesonid-Gruppe ebenfalls etwas weniger starke Beschwerden an als die Vergleichsgruppe ohne Budesonid. Zudem fühlten sie sich durchschnittlich drei Tage früher wieder gesund.

In beiden Gruppen nahmen innerhalb von 28 Tagen allerdings etwa gleich viele Teilnehmende wegen ihrer Beschwerden ärztliche Hilfe in Anspruch. Auch Krankenhausaufenthalte und Todesfälle waren etwa gleich häufig – kamen aber in beiden Gruppen äußerst selten vor.

Placebo-Kontrolle fehlte in beiden Studien

Beide Studienteams berichteten also, dass der Spray die Erkrankung bei manchen Personen leichter und kürzer ausfallen lässt. Das veranlasst uns aber nicht, Budesonid ebenfalls für einen „Gamechanger“ zu halten. Denn die Ergebnisse beider Studien schätzen wir als nicht sehr aussagekräftig ein. Wir können davon nicht ableiten, wie groß der Effekt ist und wie verlässlich er eintritt.

In beiden Fällen fehlte die Kontrolle durch ein Placebo (Scheinmedikament). Es ist möglich, dass die Teilnehmenden der Budesonid-Gruppe aufgrund ihrer Erwartung, sich durch den Spray besser zu fühlen, ihren Gesundheitszustand positiver einschätzten.

An der kleineren Studie nahmen zudem nur 146 Personen teil, von denen insgesamt nur 13 Personen im Krankenhaus behandelt werden mussten. Die Zahl ist zu gering, um statistisch robuste Aussagen zu liefern.

In beiden Studien wurden Personen untersucht, die zu Studienbeginn nur leicht an Covid-19 erkrankt waren . Ob Budesonid bei schweren Erkrankungen helfen kann, ist nicht erforscht.

Linderung durch entzündungshemmenden Effekt

Budesonid ist, genauso wie Cortison, ein Glukokortikoid. Mittels eines Pumpsprays wird es inhaliert und gelangt so bis in die Bronchien. Dort verhindert es die Bildung von Entzündungsstoffen und dämpft die Reaktion des Immunsystems. Derzeit kommt Budesonid vor allem bei Asthma und COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) zum Einsatz [3].

Wenn Covid-19-Erkrankte durch das entzündungshemmende Budesonid genauso wie Personen mit Asthma und COPD leichter atmen können, ist das grundsätzlich wenig überraschend. Ob es gegen die Infektion selbst wirken kann, ist aber noch völlig unklar.

Verschlimmern dürfte Budesonid eine Covid-19 Erkrankung zumindest nicht. Inhaliert hat Budesonid wenig Nebenwirkungen. Möglich sind bei längerem Gebrauch jedoch Heiserkeit und Pilzinfektionen (Candida-Soor) im Mund [3].

Vorschnelle Berichterstattung?

Im Moment werden täglich neue Studien rund um Covid-19 und mögliche Medikamente veröffentlicht, die oft ungefiltert von Medien aufgegriffen und in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Viele Expertinnen und Experten sehen das kritisch [4]. Im Fall von Budesonid war die Begeisterung angesichts einer einzigen Studie wohl verfrüht.

Die derzeit verfügbaren Studienergebnisse weisen zwar auf eine mögliche positive Wirkung von Budesonid bei Covid-19 hin. Es sind aber größere Studien notwendig, um eine Wirkung verlässlich zu zeigen.

Fachgesellschaften empfehlen Budesonid derzeit nicht für die Behandlung von Covid-19 oder zur Selbstmedikation, und das Medikament ist auch derzeit nicht dafür zugelassen (Stand Mai 2021) [4]. Vor einer möglichen Zulassung müsste die Europäische Arzneimittelbehörde EMA die Wirksamkeit und Sicherheit von Budesonid bei Covid-19 prüfen.

Die Studien im Detail

Bei unserer Suche in drei verschiedenen Datenbanken fanden wir zwei Studien, die Budesonid bei Covid-19 untersuchten [1,2]. In beiden Studien nahmen ausschließlich Personen teil, die zu Beginn nur leichte Beschwerden wie Husten, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen oder Veränderungen des Geschmack- und Geruchssinns hatten.

Subjektiv weniger Beschwerden, Krankenhausaufenthalte gleich

Eine der beiden Studien ist derzeit noch nicht abgeschlossen, es sind jedoch bereits Zwischenergebnisse verfügbar [2]. Insgesamt 1779 zu Studienbeginn leicht an Covid-19 erkrankte Personen nahmen daran teil. Sie waren im Durchschnitt 63 Jahre alt, und ein Großteil hatte Vorerkrankungen wie etwa Herzerkrankungen, Diabetes oder starkes Übergewicht.

Die Teilnehmenden wurden per Zufall in zwei Gruppen unterteilt. Eine Gruppe (751 Personen) bekam die Anweisung, zuhause zwei Wochen lang zweimal täglich mit einem Budesonid-Spray zu inhalieren. Die Dosierung dabei war mit 1600 Mikrogramm pro Tag etwa dreimal so hoch wie in der Asthma-Therapie [3]. Die andere Gruppe (1028 Personen) bekam weder Spray noch irgendwelche Anweisungen.

Alle Teilnehmenden füllten 28 Tage lang ein Online-Formular aus. Darin dokumentierten sie, welche Beschwerden sie hatten und wie stark diese waren. Zusätzlich gaben sie dem Studienteam einmal wöchentlich telefonisch Auskunft über ihren Gesundheitszustand.

Die Budesonid-Gruppe gab stets etwas weniger Beschwerden an als die Kontrollgruppe ohne Budesonid. Zudem gab sie durchschnittlich drei Tage früher an, sich wieder besser zu fühlen.

In beiden Gruppen nahmen innerhalb von 28 Tagen allerdings etwa gleich viele Teilnehmende wegen ihrer Beschwerden ärztliche Hilfe in Anspruch (2,7 Prozent in der Budesonid-Gruppe und 2,3 Prozent in der Vergleichsgruppe). Auch Krankenhausaufenthalte und Todesfälle waren ähnlich häufig, kamen aber in beiden Gruppen nur sehr selten vor (8,5 Prozent in der Budesonid-Gruppe und 10,3 Prozent in der Vergleichsgruppe).

Oxford-Studie mit 146 leicht Erkrankten

Die zweite Studie war jene Studie aus Oxford, die in den Medien besonderes Aufsehen erregte [1]. Denn das Studienteam berichtete darin von einer um 91 Prozent geringeren Wahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf durch Budesonid.

An dieser Studie nahmen 146 Personen mit einer leichten Covid-19 Erkrankung teil. Auch sie wurden per Zufall in zwei gleich große Gruppen geteilt: Die eine inhalierte täglich 1600 Mikrogramm Budesonid, die andere nicht. Wieder gaben die Teilnehmenden beider Gruppen täglich an, wie stark ihre Beschwerden waren und wann sie sich erstmals wieder deutlich besser fühlten.

Das Ergebnis: In der Budesonid-Gruppe dauerte die Erkrankung im Durchschnitt sieben Tage, in der Vergleichsgruppe ohne Budesonid acht Tage.

In der Budesonid-Gruppe wurden zwei Personen wegen ihrer Covid-19 Beschwerden im Krankenhaus aufgenommen, in der Vergleichsgruppe waren es 11 Personen.

Keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen gab es hinsichtlich Sauerstoffsättigung im Blut und Anzahl der SARS-CoV-2 Viren im Nasenrachen-Raum der Teilnehmenden.

Die Studie wurde von Astra Zeneca finanziert und in Auftrag gegeben, der Herstellerfirma des meistverwendeten Budesonid-Asthmasprays.

Placebo-Kontrolle fehlte

Die Ergebnisse beider Studien schätzen wir als nicht sehr aussagekräftig ein. In beiden Fällen fehlte die Kontrolle durch ein Placebo (Scheinmedikament). Idealerweise hätte die Vergleichsgruppe mit einem identisch aussehenden, aber wirkungslosen Asthma-Spray inhaliert, der kein Budesonid enthält. So hätten die Studienteams einen möglichen Placebo-Effekt erkennen und herausrechnen können. Das wäre besonders wichtig, da die Teilnehmenden in beiden Studien ihren Gesundheitszustand mithilfe einer Skala subjektiv einschätzen sollten. Die Erwartung eines Effekts könnte zu weniger Beschwerden und weniger Arztkonsultationen in der Budesonid-Gruppe geführt haben.

Nur 146 Teilnehmende

An der zweiten kleineren Studie nahmen zudem nur 146 Personen teil. Insgesamt mussten 13 davon im Krankenhaus behandelt werden, zwei in der Budesonid- und elf in der Vergleichsgruppe. Zwei Personen sind zwar um 82 Prozent weniger als in der Budesonid-Gruppe – in absoluten Zahlen bedeutet das aber einen Unterschied von 9 Personen. Diese Zahl ist zu gering, um wirklich aussagekräftig zu sein.

Bisher nur an leicht Erkrankten erforscht

Die Teilnehmenden in beiden Studien waren zu Beginn nur leicht an Covid-19 erkrankt, und fast alle konnten sich ohne ärztliche Behandlung auskurieren. Ob auch schwer Erkrankte von Budesonid profitieren oder ob das Asthmamedikament Todesfälle durch Covid-19 verhindern kann, ist unklar.

[1] Ramakrishnan u.a. (2021)
Studienart: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmende: 146 Erwachsene mit milden Covid-19 Symptomen
Untersuchungsdauer: 28 Tage
Fragestellung: Suchen Covid-19-Erkrankte seltener ärztliche Hilfe auf und müssen sie seltener im Krankenhaus behandelt werden, wenn sie Budesonid Inhalations-Sprays verwenden? Kann Budesonid ihre Beschwerden lindern und die Krankheitsdauer verkürzen?
Interessenskonflikte: Die Studie wurde von Astra Zeneca (Hersteller des Budesonid-Sprays Pulmicort) finanziert und in Auftrag gegeben.

Ramakrishnan, S., Nicolau Jr, D. V., Langford, B., Mahdi, M., Jeffers, H., Mwasuku, C., … & Bafadhel, M. (2021). Inhaled budesonide in the treatment of early COVID-19 (STOIC): a phase 2, open-label, randomised controlled trial. The Lancet Respiratory Medicine.
(Studie in voller Länge)

[2] Yu u.a. (2021)
Studienart: randomisierte kontrollierte Studie
Teilnehmende: 1 779 Erwachsene mit milden Covid-19 Symptomen
Untersuchungsdauer: 28 Tage
Fragestellung: Suchen Covid-19-Erkrankte seltener ärztliche Hilfe auf und müssen sie seltener im Krankenhaus behandelt werden, wenn sie Budesonid Inhalations-Sprays verwenden? Kann Budesonid ihre Beschwerden lindern und die Krankheitsdauer verkürzen?
Interessenskonflikte: Einige der Studienautoren erhielten Zahlungen von Astra Zeneca (Hersteller des Budesonid-Sprays Pulmicort).

Yu, L. M., Bafadhel, M., Dorward, J., Hayward, G., Saville, B. R., Gbinigie, O., … & Butler, C. C. (2021). Inhaled budesonide for COVID-19 in people at higher risk of adverse outcomes in the community: interim analyses from the PRINCIPLE trial. medRxiv.
(Studie in voller Länge)

[3] Budesonide (oral inhalation): Drug information; Lexicomp (2021)
Abgerufen am 11.5.2021 unter https://www.uptodate.com/contents/budesonide-oral-inhalation-drug-information (kostenpflichtig)

[4] Österreichische Gesellschaft für Pulmologie
Stellungnahme zu Budesonid bei Covid-19 abgerufen am 11.5.2021 unter https://www.ogp.at/inhalative-glukokortikoide-bei-covid-19/

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