Startseite ● Alkohol auch in kleinen Mengen nicht gesund Alkohol auch in kleinen Mengen nicht gesund Eine neue Auswertung bisheriger Studien legt nahe: Selbst geringe Mengen Alkohol sind weder gesund noch verlängern sie das Leben. 06. Mai 2025 AutorIn: Teresa König Review: Bernd Kerschner Jana Meixner Teilen Verlängert Alkohol in geringen Mengen das Leben? wahrscheinlich nicht Das gesunde Glas Alkohol gibt es nicht. Eine Neuauswertung bisheriger Studien zeigt, dass mäßiger Alkoholkonsum mit hoher Wahrscheinlichkeit die Gesundheit nicht fördert und das Leben nicht verlängert. Dass das früher angenommen wurde, liegt an Fehlern bei der Auswertung von Studien. so arbeiten wir Selbst ein einziges Gläschen Alkohol am Tag ist nicht gesund. © Prostock-Studio – iStock.com „Zum Wohl!“ Wenn wir mit alkoholischen Getränken anstoßen, wünschen wir einander häufig gute Gesundheit. Doch passen gute Gesundheit und Alkohol zusammen? Die Wissenschaft ist sich seit langem einig, dass große Mengen Alkohol schädlich sind. Doch bei ein bis zwei Gläsern Wein oder Bier gingen auch Fachleute bisher davon aus, dass sie eher gesund sind und sogar das Leben verlängern könnten. Denn das legten bisherige Studien nahe. Aber hält diese Annahme auch aktuellen Forschungsergebnissen stand? Forschende haben nun die bisherigen Studien neu ausgewertet und fanden heraus: Diese Annahme ist falsch. Tatsächlich gibt es keinen Hinweis darauf, dass gemäßigtes Trinken von Alkohol das Leben verlängern kann und damit gesünder wäre als auf Alkohol zu verzichten [Quelle 1, 2]. Kein guter Vergleich Das größte Problem des angeblich lebensverlängernden Alkohols ist in den Studien selbst zu finden. Denn zur Vergleichsgruppe Abstinente – also Menschen, die gar keinen Alkohol trinken – wurden auch ehemalige Alkoholkranke und chronisch Kranke gezählt. Sie tranken nur zur Zeit der Datenerhebung keinen Alkohol. Menschen in der Vergleichsgruppe Abstinente waren also im Schnitt schon zu Beginn der Studien kränker. Deshalb erschienen Menschen, die ab und zu Alkohol tranken, gesünder und lebten länger als jene, die gar nicht tranken. Außerdem war die Datenerhebung häufig eine einmalige Befragung. So wurde nicht berücksichtigt, dass Menschen ihren Alkoholkonsum im Laufe des Lebens stark verändern können. Beispielsweise haben sie in jungen Jahren viel Alkohol getrunken, später aber dann kaum oder gar nicht mehr. Besserer Vergleich Forschende werteten daher 107 Studien neu aus [Quelle 1, 2]. Insgesamt beobachteten diese Studien den Alkoholkonsum von über 4,5 Millionen Personen weltweit. Doch nur sechs dieser Studien schlossen ehemalige Alkoholkranke und chronisch Kranke aus der Vergleichsgruppe der Abstinenten aus. Und lösten damit das Problem, dass die Menschen in der Vergleichsgruppe schon zu Beginn kränker waren. Die Forschenden dieser neuen Analyse stützen ihre Aussage daher auf die sechs Studien, die einen fairen Vergleich zwischen Abstinenten und Alkohol Trinkenden ermöglichen. Dabei verschwand der vermeintliche Gesundheits-Effekt von Alkohol in Maßen. Grafisch sieht die Widerlegung des Mythos vom „gesunden“ Glaserl Alkohol in etwa so aus: Abstinenz = 0 Gramm reiner Alkohol pro Tag, mäßiger Konsum = bis etwa 24 Gramm, hoher Konsum = bis etwa 44 Gramm, sehr hoher Konsum = ab etwa 45 Gramm. Die Grafik zeigt, wie sich die Neuauswertung der bisherigen Studien von der fehlerhaften Auswertung unterscheidet. Die Kurve zeigt die getrunkene Alkoholmenge – von vollkommener Abstinenz (links) hin zu einem sehr hohen Alkoholkonsum (rechts). Steigt die Kurve an, bedeutet das ein erhöhtes Risiko zu sterben. Fällt sie, verringert sich auch das Sterberisiko. Die obere Kurve (dunkelblau) stellt die neue Auswertung der Studien dar. Sie basiert auf Studien, die eine strenge Definition der Vergleichsgruppe Abstinente gewählt haben – ohne ehemalige Alkoholkranke und chronisch Kranke. Die untere Kurve stellt die Analyse der Studien dar, die diese Verfälschung nicht berücksichtigt hat. Fazit: Mäßiger Alkoholkonsum reduziert nicht das Risiko zu sterben. Die Grafik wurde zur Übersichtlichkeit vereinfacht [Quelle 1, 2]. Alkohol in Maßen Als mäßiger oder moderater Alkoholkonsum gelten bei Männern etwa 20 Gramm reiner Alkohol pro Tag. Das entspricht etwa einem Glas Bier (1/2 Liter) oder zwei Gläsern Wein (zu je 1/8 Liter). Bei Frauen sind es mit etwa 10 Gramm reiner Alkohol pro Tag halb so viel. Die Menge ist für Frauen geringer, da sich Frauen- und Männerkörper in ihrer Zusammensetzung aus Fett und Wasser unterscheiden. Alkohol wird generell in Wasser abgebaut. Da aber Frauen durchschnittlich mehr Fett haben, ist weniger Platz für Wasser in ihrem Körper. Und weniger Wasser bedeutet: Der Alkohol wird langsamer abgebaut [Quelle 4, 8]. Unbedenklichkeit: Fehlanzeige Wird Alkohol durch die Speiseröhre in den Verdauungstrakt hinuntergeschickt, gelangt er über die Schleimhäute schon im Mund, später auch im Magen und im Dünndarm in den Blutkreislauf. Mit dem Blut gelangt Alkohol in sämtliche Organe und Gewebe des Körpers. Im Gehirn kann man seine Wirkung schon nach wenigen Minuten spüren. Da Alkohol ein Gift ist, möchte es der Körper so schnell wie möglich wieder abbauen. Deshalb macht er aus Alkohol zunächst den Stoff Acetaldehyd. Dieser ist hauptverantwortlich für die gesundheitsschädigende Wirkung von Alkohol. Krankheiten, die mit Alkohol in Verbindung stehen, sind zum Beispiel Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen [Quelle 5]. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es beim Alkoholkonsum keine gesundheitlich unbedenkliche Menge. Alkohol gilt wie auch Tabak, Asbest und Strahlung als Karzinogen – also als krebserzeugende Substanz – der Gruppe 1, der höchsten Risikogruppe [Quelle 3]. Land der Biere, Land der Weine Österreich gehört zu den Ländern, in denen gerne Alkohol getrunken wird. Jene, die Alkohol trinken, konsumieren durchschnittlich etwa 32 Gramm reinen Alkohol pro Tag (Stand 2019). Das entspricht ungefähr drei kleinen Bieren (0,33 Liter) oder drei Achterln Wein – pro Tag. Österreich liegt damit auch im europäischen Schnitt, aber etwas über dem weltweiten Schnitt (etwa 27 Gramm) derjenigen, die regelmäßig Alkohol trinken und zumindest 15 Jahre alt sind. Seit den 1970er-Jahren geht der Alkoholkonsum in Österreich zwar zurück. Doch im Vergleich zu vielen anderen Ländern langsamer [Quelle 6, 7]. Mehr Informationen Mehr Informationen zum Alkoholkonsum in Österreich und den gesundheitlichen Folgen dazu unter gesundheit.gv.at. Alkohol ist das am weitesten verbreitete Rauschmittel. Acht gesundheitsbezogene Fakten über Alkohol sind auf der Plattform gesundheitsinformation.de gut erklärt. Die Studien im Detail Nach welchen Studien haben wir gesucht? Wir haben nach sogenannten Beobachtungsstudien gesucht. Dabei sammeln Forschende Daten von Menschen mit unterschiedlichen Trinkgewohnheiten und erheben, wie sich ihr Gesundheitszustand im Lauf der Zeit entwickelt. Forschende tun dies mit Hilfe von Fragebögen, die sie dann systematisch auswerten. Teilnehmende schätzen also selbst ein, wie viel Alkohol sie täglich trinken. Beobachtungsstudien sind gut geeignet, um Zusammenhänge zwischen Lebensstil und Gesundheitszustand aufzuzeigen, denn mit ihnen können über einen langen Zeitraum viele Menschen beobachtet werden. Beobachtete Zusammenhänge können aber von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst werden. Deshalb können Beobachtungsstudien keine ursächlichen Zusammenhänge beweisen. Das bedeutet, sie können zum Beispiel nicht belegen, dass tatsächlich allein der Alkohol das Leben verkürzt. Es könnte theoretisch auch sein, dass Menschen, die generell ungesund leben, auch eher Alkohol trinken. Das schränkt die Aussagekraft von Beobachtungsstudien ein. Wir haben in zwei internationalen Forschungsdatenbanken gesucht und zwei aktuelle Übersichtsarbeiten gefunden, die alle bisherigen Beobachtungsstudien zusammengefasst haben [Quelle 1, 2]. Wie aussagekräftig sind die Studien? Die Forschenden der aktuellen Übersichtsarbeiten [Quelle 1, 2] berücksichtigten die Probleme vergangener Analysen. Sie teilten die Beobachtungsstudien nach Qualitätskriterien in qualitativ hochwertigere und qualitativ schlechtere Studien auf. Die qualitativ hochwertigeren Studien berücksichtigen unter anderem folgende Punkte: Die Gruppe „Abstinente“ ist strenger definiert. Menschen, die früher tranken oder gelegentlich trinken, zählen nicht dazu. Die Befragung nach dem Alkoholkonsum umfasst zumindest die letzten 30 Tage. Die qualitativ hochwertigeren Studien haben die Forschenden dann unabhängig von den restlichen Studien analysiert. Auf die Zusammenfassung der Ergebnisse aus den hochwertigeren Studien stützen wir unsere Einschätzung [Quelle 1, 2]. Unser Vertrauen in die beiden Übersichtsarbeiten [Quelle 1, 2] ist hoch, da sie wichtige Qualitätskriterien für diese Art von Forschungsarbeiten erfüllen. Doch weil Beobachtungsstudien nie zweifelsfrei belegen können, dass ein Ereignis das andere tatsächlich verursacht hat, bleibt eine Restunsicherheit erhalten. Auch das ist in unsere Bewertung der Studienergebnisse eingeflossen. Wissenschaftliche Quellen [1] Stockwell et al. (2024). Why Do Only Some Cohort Studies Find Health Benefits From Low-Volume Alcohol Use? A Systematic Review and Meta-Analysis of Study Characteristics That May Bias Mortality Risk Estimates. (Link zur Studie) [2] Zhao et al. (2023). Association Between Daily Alcohol Intake and Risk of All-Cause Mortality: A Systematic Review and Meta-analyses. (Link zur Studie) [3] World Health Organization. (2023). Beim Alkoholkonsum gibt es keine gesundheitlich unbedenkliche Menge. Abgerufen am 01.04.2025 unter who.int [4] Bundesministerium für Soziales. Alkoholkonsum und mögliche Folgen. Abgerufen am 14.04.2025 unter sozialministerium.at [5] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). (2023). Wie wirkt Alkohol – und wie schnell wird er abgebaut? Abgerufen am 02.04.2025 unter gesundheitsinformation.de [6] Gesundheit Österreich GmbH. (2024). Drogenbericht 2024: Trends und Risiken in Österreich. Abgerufen am 28.04.2025 unter goeg.at [7] World Health Organization. (2024). Global status report on alcohol and health and treatment of substance use disorders. Abgerufen am 28.04.2025 unter who.int [8] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG). (2023). Wie wirkt Alkohol – und wie schnell wird er abgebaut? Abgerufen am 05.05.2025 unter gesundheitsinformation.de Versionsgeschichte 05.05.2025: Erstveröffentlichung des Faktenchecks Schlagworte AlkoholAlkoholkonsumTrinken In über 500 Faktenchecks suchen