Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Xylit gegen Karies: Nutzen größtenteils unklar

Regelmäßiges Putzen und wenig Zucker schützt die Zähne vor Löchern. Kann Xylit in Kaugummis oder Zahnpasta Karies zusätzlich vorbeugen?

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Senkt Xylit-haltige Zahnpasta das Kariesrisiko?

Senken andere Xylit-haltige Produkte (z.B. Kaugummis, Süßigkeiten, Mundspülungen) zusätzlich zu einer normalen Zahnpflege das Kariesrisiko?

Zumindest bei Kindern könnte Xylitol in Zahnpasta zusätzlich zu Fluorid das Kariesrisiko verringern. Die Verlässlichkeit ist allerdings eingeschränkt durch die kleine Anzahl der Studien, die nur unter sehr ähnlichen Bedingungen durchgeführt wurden und einige methodische Mängel aufweisen. Studien zu anderen Xylit-haltigen Produkten sind methodisch mangelhaft und kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen

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© Cheryl Casey - fotolia.com Xylit im Kaugummi gegen Karies?
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„Zweimal täglich Zähneputzen und regelmäßig zum Zahnarzt“ – das lernen Kinder schon von klein auf. Trotzdem gehört Karies immer noch zu den häufigsten Zahnproblemen: Fast alle Erwachsenen und eines von drei Kindern in Österreich haben kariesbedingte Schäden an den Zähnen [2]. Schuld daran sind Bakterien, die sich von Kohlenhydraten in Nahrungsresten und von Zahnbelägen ernähren. Sie produzieren Säuren, die den Zahnschmelz angreifen. In der Folge entstehen zuerst weißliche oder bräunliche Flecken auf den Zähnen, später Löcher an der Oberfläche. Schreitet die Karies weiter fort, leiden auch die Zahnnerven oder die Zahnwurzel. Im Extremfall muss der Zahnarzt schließlich den Zahn ziehen [3].

Zahnfreundlich süßen mit Xylit

Neben einer guten Mundhygiene kann die Verwendung von Fluorid etwa in Zahncremes helfen, den Zahnschmelz zu stärken und so widerstandsfähiger gegen Karies zu machen.

In den letzten Jahren wird aber auch vermehrt Xylit als Kariesschutz beworben. Xylit ist ein Zuckeralkohol, der zu sehr geringen Mengen in Früchten und Gemüse, aber auch in der Rinde bestimmter Holzarten vorkommt. Ursprünglich wurde der Zuckerersatz aus Birkenrinde gewonnen. Obwohl ein Großteil des Xylits heute aus anderen Quellen stammt, hat sich deshalb auch der Begriff „Birkenzucker“ dafür durchgesetzt.

Xylit soll einen direkten „Anti-Karies-Effekt“ haben, da es das Wachstum von Kariesbakterien hemmt. Deshalb wird der Birkenzucker nicht nur als Ersatz für Zucker, sondern auch als zusätzliches Mittel gegen Karies vermarktet. Weltweit wird Xylit Zahncremes zugesetzt oder in separaten Mitteln für die Mundhygiene wie Lutschtabletten, Kaugummis oder Zahnputztüchern vertrieben.

Dabei wird bei einigen dieser Produkte ein weiterer Effekt bemerkbar: Wer etwa Lutschtabletten eine Weile im Mund behält oder Kaugummi kaut, produziert mehr Speichel, der die Zähne reinigt und die schädliche Wirkung der Säuren teilweise neutralisieren kann [1].

Theoretisch ist plausibel, dass Xylit die Zähne widerstandsfähiger gegen Kariesbakterien macht. Denn der Birkenzucker ist ein Zuckeraustauschstoff. Das heißt, er schmeckt zwar süß, bietet den Kariesbakterien aber im Gegensatz zu Haushaltszucker keine Nahrungsgrundlage. Dadurch sinkt die Produktion von Säuren, der Zahnschmelz wird weniger angegriffen. Entsprechend werden Süßigkeiten, die Xylit statt Haushaltszucker enthalten, auch als „zahnfreundlich“ beworben [4].

Das Risiko für Karies ist von Mensch zu Mensch jedoch sehr unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab. Wesentlich ist also die Frage, ob Xylit nicht nur theoretisch, sondern auch im praktischen Einsatz zusätzlich zu einer normalen Zahnpflege dazu führt, dass weniger Karies entsteht.

Schlechte Studienlage zu Birkenzucker

Eine systematische Übersichtsarbeit, die Studien zur langfristigen Anwendung von Xylit-haltigen Produkten bei Kindern und Erwachsenen zusammengefasst hat, kam zu einem ernüchternden Ergebnis [1]: Demnach weisen viele Studien mehr oder weniger starke methodische Mängel auf, was ihre Aussagekraft einschränkt. Die Daten müssen deshalb mit Vorsicht interpretiert werden.

Eine Zusammenfassung von Studien war nur für den Zusatz von Xylit zu Fluorid-haltigen Zahncremes und die Anwendung bei Kindern mit bleibenden Zähnen möglich. Bei ihnen sank das Kariesrisiko um 13 Prozent, wenn sie die Zahncreme über einen Zeitraum von etwa drei Jahren anwendeten. Die Verlässlichkeit dieser Studien ist allerdings durch methodische Mängel eingeschränkt. Bei allen anderen Xylit-haltigen Produkten kamen Studien entweder zu widersprüchlichen Ergebnissen oder die Methodik der Studien war so schlecht, dass die Ergebnisse nicht vertrauenswürdig sind.

Nebenwirkungen dosisabhängig

Immerhin ließ sich aber feststellen, dass bei der Mehrzahl der Studien keine wesentlichen Nebenwirkungen zu verzeichnen waren. Je nach individueller Verträglichkeit und verzehrter Xylit-Menge kann es manchmal zu Blähungen und Durchfall kommen.

Gefahr für Haustiere!

Richtig gefährlich werden kann Xylit dagegen für Haustiere wie Hunde, Kaninchen, Rinder und Ziegen. Bei ihnen führt Birkenzucker dazu, dass sehr viel Insulin ausgeschüttet wird. Dadurch rauscht der Blutzuckerspiegel in den Keller und es kann zu einer lebensbedrohlichen Unterzuckerung kommen. Selbst bei einem sehr großen Hund kann der Verzehr einer Tüte xylithaltiger Bonbons tödlich sein [5].

Die Studien im Detail

Die systematische Übersichtsarbeit fasste Studien zusammen, in denen Kinder oder Erwachsene mindestens ein Jahr lang ein Xylit-haltiges Produkt anwendeten und das Fortschreiten von Karies beobachtet wurde [1]. Solche Produkte waren etwa Lutschtabletten, Bonbons, Zahnpasta, Sirup oder Zahnputztücher. Die methodische Qualität der Übersichtsarbeit selbst ist zwar gut, allerdings lässt die methodische Qualität der meisten darin eingeschlossenen Studien sehr zu wünschen übrig. Die Forscher und Forscherinnen beurteilen die Verlässlichkeit der Aussagen deshalb als niedrig, in vielen Fällen sogar als sehr niedrig.

Für die Zusammenfassung zur Anwendung von Xylit-haltiger Zahnpasta konnten nur zwei Studien berücksichtigt werden, die von der gleichen Forschungsgruppe stammen und mit einer ähnlichen Studiengruppe – Kindern in einer bestimmten Region in Costa Rica – durchgeführt wurden. Ob die Ergebnisse verallgemeinerbar sind, ist deshalb fraglich.

Bei allen anderen Anwendungsarten von Xylit waren die gefundenen Studien so unterschiedlich, dass eine Zusammenfassung nicht sinnvoll erschien. Für die beliebteste Anwendung von Xylit in Zahnpflegekaugummis konnten die Verfasser und Verfasserinnen der Übersichtsarbeit keine Studie finden, die ihren Qualitätsansprüchen genügte. Die meisten der berücksichtigten Studien untersuchten Kinder, nur eine die Anwendung von Xylit bei Erwachsenen.

[1] Riley u.a. (2015)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Studien/Teilnehmer: insgesamt 10 Studien, die Daten von 5903 Personen auswerteten
Fragestellung: Verringern Xylit-haltige Produkte (Lutschtabletten, Süßigkeiten, Zahnpasta, Sirup, Zahnputztücher) das Kariesrisiko bei Erwachsenen und Kindern, wenn sie mindestens ein Jahr lang angewendet werden?
Interessenkonflikte: Die Autorinnen und Autoren erhielten institutionelle und finanzielle Unterstützung durch Universitäten, staatliche Forschungsförderung und die Cochrane Oral Health Group, die durch verschiedene zahnärztliche Fachgesellschaften finanziert wird. Ansonsten keine finanzielle oder anderweitige Verbindung zu Personen, Firmen oder Gesellschaften, die durch die Ergebnisse des Reviews begünstigt würden (also z.B. Pharmafirmen oder Hersteller von Xylit-haltigen Produkten).

Riley P, Moore D, Ahmed F, O’Sharif M, Worthington H. Xylitol-containing products for preventing dental caries in children and adults. Cochrane Database of Systematic Reviews (2015), CD010743.pub2 (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere Quellen

[2] Gesundheit.gv.at (2014)
Karies: Was ist das? Aufgerufen am 9.11.2016 unter https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/karies1.html

[3] Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWiG (2014)
Karies. Abgerufen am 9.12.2016 unter https://www.gesundheitsinformation.de/karies.2588.de.html

[4] Robert´Koch Institut (2009)
Themenheft Mundgesundheit (2009). Abgerufen am 9.12.2016 unter http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsT/mundgesundheit.html

[5] Dunayer (2006)
Acute hepatic failure and coagulopathy associated with xylitol ingestion in eight dogs. In: Journal of the American Veterinary Medical Association. Band 229, Nummer 7, Oktober 2006, S. 1113–1117 (Zusammenfassung der Studie)

Die ursprüngliche Version dieses Artikels erschien am 27.10.2015. Eine neuerliche Literatursuche brachte eine geringfügige Änderung.

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