Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Stuhltransplantation bei Darmentzündung Colitis ulcerosa

Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sind Darmentzündungen, die sich nicht heilen lassen. Fremder Stuhl könnte die Beschwerden zumindest bei Colitis ulcerosa lindern.

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Hilft eine Stuhltransplantation bei Colitis ulcerosa?

Hilft eine Stuhltransplantation bei Morbus Crohn?

Bei colitis ulcerosa könnte eine Stuhltransplantation die Beschwerden zumindest 8 Wochen lang verringern. Ob die Methode auch langfristig hilft, ist nicht ausreichend erforscht. Zu Morbus Crohn gibt haben wir keine aussagekräftigen Studien gefunden.

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© Kawin Ounprasertsuk - shutterstock.com Häufiger Durchfall ist bei Colitis ulcerosa ein steter Begleiter.
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Bei einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (häufig mit CED abgekürzt) ist die Schleimhaut des Darms dauerhaft entzündet. Es gibt zwei Formen der Krankheit: Bei Colitis ulcerosa ist der Dickdarm betroffen, bei Morbus Crohn hauptsächlich der Dünndarm.

In vielen europäischen Ländern und den USA haben mehr als 3 von 1.000 Menschen Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn, Männer etwa gleich häufig wie Frauen [2]. Für Österreich gibt es keine Zahlen.

Medikamente helfen nicht immer

Meist verläuft die Krankheit in Schüben, gefolgt von Zeiten ohne Symptome. Die Beschwerden reichen von Durchfall und Bauchschmerzen bis hin zu Gewichtsverlust. Sie können so stark sein, dass Betroffene während eines Schubs nicht arbeiten oder sogar in ein Krankenhaus müssen.

Zur Behandlung gibt es verschiedene Medikamente. Diese helfen jedoch nicht immer, die Beschwerden zu lindern.

Stuhl als Hoffnung

Hoffnung verspricht eine neuartige Therapie: die Stuhltransplantation. Dafür spendet ein gesunder Mensch Stuhl, der in den Darm der Patientin oder des Patienten übertragen wird.

Das kann auf mehrere Arten passieren: Der Stuhl wird in Kapseln verschlossen geschluckt. Oder er kommt verdünnt über einen Schlauch durch die Nase direkt bis in den Dünndarm, oder er wird über den After in den unteren Teil des Verdauungstrakts eingebracht.

Ziel: Vielfalt im Darm

Hinter dieser Behandlung steht die Theorie, dass eine ungünstige Zusammensetzung der Darmflora die Entzündungen der Darmschleimhaut mitverursacht [3]. Die Darmflora von gesunden Menschen besteht aus einer großen Vielfalt an nützlichen Mikroorganismen. Ziel der Stuhltransplantation ist es, im Darm der Erkrankten für eine solche Vielfalt zu sorgen.

Möglicherweise wirksam bei Colitis ulcerosa

Eine Forschungsgruppe des unabhängigen Wissenschaftsnetzwerks Cochrane wollte wissen, ob die Stuhltransplantation bei Darmerkrankungen helfen kann. Dazu suchten sie nach allen bisher durchgeführten Studien und fassten deren Ergebnisse zusammen. Das Resultat ihrer Analyse ist ermutigend: Zumindest bei Colitis ulcerosa könnte eine Stuhltransplantation helfen [1]. Gut abgesichert ist das jedoch nicht.

In den Studien wurden 277 Frauen und Männer untersucht, bei denen Medikamente die Beschwerden ihrer Colitis ulcerosa nicht bessern konnten. Per Zufall wurden sie einer von zwei Gruppen zugelost.

Eine Gruppe bekam eine Stuhltransplantation von einer gesunden fremden Person – entweder über den After oder über eine Nasensonde. Die zweite Gruppe bekam eine Scheinbehandlung: Sie wurde mit derselben Prozedur behandelt, erhielt aber entweder Salzlösung oder eigenen Stuhl. Acht Wochen später verglich das Forschungsteam die Beschwerden der beiden Gruppen:

  • Mit Stuhltransplantation hatten 36 von 100 Behandelten keine Beschwerden mehr.
  • Mit Scheinbehandlung hatten 18 von 100 Behandelten keine Beschwerden mehr.

Aus diesem Vergleich folgt: 18 von 100 Behandelten könnten zumindest kurzfristig von einer Stuhltransplantation profitieren. Diese Ergebnisse sind allerdings mit Unsicherheit behaftet.

Zudem ist unklar, ob eine Stuhltransplantation auch langfristig helfen kann. Die Studien haben nämlich nicht untersucht, ob die erfolgreich Behandelten länger als acht Wochen beschwerdefrei geblieben sind.

Derzeit laufen noch weitere Studien, die in Zukunft mehr Klarheit bringen könnten [1].

Keine Studien zu Morbus Crohn

Ob eine Stuhltransplantation auch bei Morbus Crohn helfen kann, ist unklar. Die Cochrane-Forschungsgruppe konnte keine Studien dazu finden. Eine Antwort könnten zwei laufende Studien an Betroffenen mit Morbus Crohn liefern, für die es noch keine abschließenden Ergebnisse gibt [1].

Nicht ohne Nebenwirkungen

Die bisherigen Forschungsergebnisse mögen vielversprechend sein. Doch eine Stuhltransplantation kann auch Nebenwirkungen haben. So leiden Betroffene nach der Behandlung häufig unter Bauchschmerzen, Übelkeit, Blähungen und Fieber [1].

Je nach Methode sind schwere Nebenwirkungen möglich. Wird der Spenderstuhl über den After eingebracht, kann es in seltenen Fällen zu Verletzungen der Darmwand kommen.

Bei Einleitung des verdünnten Stuhls über eine Nasensonde besteht für Patientinnen und Patienten das Risiko, etwas davon einzuatmen. Dies kann eine Lungenentzündung auslösen [4].

In Einzelfällen können sich die Beschwerden nach einer Stuhltransplantation stark verschlechtern. Auch eine Darminfektion mit Clostridien oder Zytomegalie-Viren ist möglich [1].

In bisherigen Studien sind solch schwere Nebenwirkungen bei 7 von 100 Behandelten aufgetreten, die eine Stuhltransplantation erhalten haben. Nach einer Transplantation von eigenem Stuhl oder von Salzlösung waren 5 von 100 Behandelte betroffen. Es ist möglich, dass der beobachtete kleine Unterschied zwischen beiden Gruppen nur Zufall ist und keine echte Risikosteigerung widerspiegelt.

Offene Fragen

Viele Fragen sind noch ungeklärt und müssen durch zukünftige Studien untersucht werden.

  • Können Stuhltransplantationen die Beschwerden langfristig zurückdrängen? Müssen sie immer wieder durchgeführt werden? Wie häufig?
  • Welcher Weg ist der beste, um den Stuhl zuzuführen? Per Nasensonde in den Dünndarm, über den After oder etwa in Form von Kapseln?
  • Wirkt eine tiefgefrorene Stuhlspende genauso gut wie eine frische?
  • In welcher Dosis bzw. in welcher Zubereitungsart wirkt die Stuhltransplantation am besten?
  • Wie kann der Darm optimal auf eine bevorstehende Stuhltransplantation vorbereitet werden?
  • Wer sind geeignete Spenderinnen und Spender?

Wenn das Immunsystem krank macht

Ein überaktives Immunsystem gilt als Ursache für die chronischen Darmentzündungen bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Dabei attackiert das körpereigene Abwehrsystem irrtümlich die Darmschleimhaut. Den Grund für diese Fehlreaktion haben Forscherinnen und Forscher bisher nicht herausgefunden [5,6].

Bei 10 bis 20 von 100 Personen tritt die Entzündung nur einmal auf und kehrt später nicht wieder zurück [5,6]. Der Großteil der Betroffenen leidet jedoch unter wiederkehrenden Schüben und der Bildung von Geschwüren. Eine Heilung gibt es nicht.

Die regelmäßige Behandlung mit Medikamenten kann helfen, das Risiko für weitere Schübe zu verringern. Einige dieser Arzneimittel können starke Nebenwirkungen haben. Manchen Betroffenen hilft es, auf bestimmte Nahrungsmittel zu verzichten [5,6].

Wenn Medikamente nicht ausreichen, um die Beschwerden zu lindern, kann eine Operation notwendig sein.

Über Nutzen und Risiken der Stuhltransplantation bei Darmentzündung durch Clostridium-Bakterien haben wir bereits berichtet: Stuhltransplantation: fremder Kot gegen Darminfektion mit Clostridien

Die Studien im Detail

Für ihre systematische Übersichtsarbeit suchte eine Forschungsgruppe des unabhängigen Wissenschafts-Netzwerks Cochrane im März 2018 nach allen randomisiert-kontrollierten Studien zum Thema. Sie fanden vier Studien mit insgesamt 277 Frauen und Männern, bei denen Medikamente die Beschwerden ihrer Colitis ulcerosa nicht verbessert hatten.

Drei der vier Untersuchungen erfüllen die Anforderungen an aussagekräftige wissenschaftliche Studien. Von der vierten Studie ist nur eine Zusammenfassung veröffentlicht. Obwohl sie nicht vollständig nachvollziehbar ist, passen ihre Ergebnisse großteils zu jenen der anderen Studien.

Trotz der überwiegend guten Studienqualität: Die Aussagekraft der Ergebnisse ist durch die geringe Anzahl der Teilnehmenden eingeschränkt.

Welche Methode ist besser?

In drei Studien – darunter jene mit den unvollständig berichteten Ergebnissen – wurde der Stuhl über den After eingeführt. Die Ergebnisse dieser Arbeiten zeigen in dieselbe Richtung und deuten auf eine gute Wirksamkeit dieser Methode hin.

In einer Studie erhielten die Teilnehmenden den Stuhl per Nasensonde. Bei ihnen zeigte sich kein Unterschied zwischen echter und Scheinbehandlung. Das ist allerdings kein verlässlicher Beleg dafür, dass die Verabreichung über eine Nasensonde schlechter wirkt als über den After. Dazu ist die Nasensonden-Studie mit lediglich 48 Teilnehmenden zu klein. Erst wenn zukünftige Untersuchungen zu einem ähnlichen Ergebnis kommen, lässt sich eine Aussage mit mehr Sicherheit treffen.

In zwei Studien stammte die Stuhlspende von einer einzelnen Person, in den beiden anderen war der transplantierte Stuhl eine Mischung von mehreren Spenderinnen und Spendern. Ob das einen Unterschied macht, können die Studien nicht beantworten – dazu braucht es mehr Forschung.

[1] Imdad u.a. (2018)
Studientyp: systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse
Analysierte Studien: 4 randomisiert-kontrollierte Studien
Teilnehmende: 277 Männer und Frauen mit Colitis ulcerosa, keine Teilnehmenden mit Morbus Crohn
Untersuchungsdauer: 7 bis 12 Wochen
Fragestellung: Lindern Stuhltransplantationen die Beschwerden bei Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn?
Interessenskonflikte: eine Person aus der Forschungsgruppe berät mehrere Pharmaunternehmen

Imdad A, Nicholson MR, Tanner-Smith EE, Zackular JP, Gomez-Duarte OG, Beaulieu DB, Acra S. Fecal transplantation for treatment of inflammatory bowel disease. Cochrane Database Syst Rev. 2018 Nov 13;11:CD012774. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere Quellen

[2] UpToDate (2019)
Peppercorn MA, Cheifetz AS. Definition, epidemiology, and risk factors in inflammatory bowel disease. In Robson KM (ed.). UpToDate. Abgerufen am 22.3.2019 unter www.uptodate.com (Zugang kostenpflichtig)

[3] UpToDate (2019)
Snapper SB, Abraham C. Immune and microbial mechanisms in the pathogenesis of inflammatory bowel disease. In Robson KM (ed.). UpToDate. Abgerufen am 22.3.2019 unter www.uptodate.com (Zugang kostenpflichtig)

[4] UpToDate (2019)
Borody TJ, Ramrakha S. Fecal microbiota transplantation for treatment of recurrent Clostridioides (formerly Clostridium) difficile infection. UpToDate. Abgerufen am 25.3.2019 unter www.uptodate.com (Zugang kostenpflichtig)

[5] UpToDate (2019)
Peppercorn MA, Kane SV. Patient education: Ulcerative colitis (Beyond the Basics). In Robson KM (ed.). UpToDate. Abgerufen am 25.3.2019 unter www.uptodate.com (Zugang kostenpflichtig)

[6] UpToDate (2019)
Peppercorn MA, Lamont JT. Patient education: Crohn disease (Beyond the Basics). In Robson KM (ed.). UpToDate. Abgerufen am 25.3.2019 unter www.uptodate.com (Zugang kostenpflichtig)

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