Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Schlaganfall: Musiktherapie zur Rehabilitation

Musiktherapie scheint Schwierigkeiten mit dem Gehen nach einem Schlaganfall bessern zu können. Bei anderen Beeinträchtigungen ist ihr Nutzen jedoch weniger klar.

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Review:  Claudia Christof 

Kann Musiktherapie Betroffenen nach einem Schlaganfall helfen, wieder normal gehen zu lernen?

Kann Musiktherapie Schlaganfall-Betroffenen mit anderen Problemen helfen?

Musiktherapie, die mit Rhythmus arbeitet, kann Betroffenen mit einer Gehstörung wahrscheinlich helfen, wieder schneller zu gehen und größere Schritte zu machen.

Ob Musiktherapie nach einem Schlaganfall auch bei Problemen mit dem Sprechen, bei Bewegungseinschränkungen der Arme, Hände und Finger, bei Schwierigkeiten mit Gedächtnis oder Aufmerksam oder bei Depression helfen kann, ist noch unklar.

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© ARTFULLY-79 - fotolia.com Musiktherapie: Wenn die Ärztin Musik verschreibt...
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Ein Schlaganfall ist ein ernstes Ereignis. Auch wenn die meisten Menschen einen Schlaganfall überleben, können die Auswirkungen gravierend sein: Möglich sind etwa Lähmungen, Probleme beim Sprechen, Verstehen und Denken oder Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung. Oft bessern sich diese Beeinträchtigungen nach einiger Zeit wieder, sie können aber auch langfristig bestehen bleiben. Psychische Folgen wie zum Beispiel eine Depression sind daher nicht selten [3].

Bei einem Schlaganfall wird ein Teil des Gehirns plötzlich nicht mehr ausreichend mit Blut versorgt. Der betroffene Bereich unserer „zentralen Steuereinheit“ wird dadurch geschädigt. Je nachdem, ob die geschädigte Hirnregion nun das Gehen, Sprechen oder eine andere Funktion gesteuert hat, ist die entsprechende Fähigkeit bei Betroffenen beeinträchtigt.

Fähigkeiten wieder erlernen

Nach einem Schlaganfall ist es wichtig, verlorengegangene Fähigkeiten zumindest teilweise wiederzuerlangen. Dabei helfen verschiedene Rehabilitationsprogramme. Hat die betroffene Person etwa Schwierigkeiten beim Sprechen, versuchen Therapeuten es mit einer Sprachheilbehandlung. Physiotherapie oder Fitnesstraining soll die Beweglichkeit verbessern. In der Ergotherapie lernen Betroffene, wie sie mit ihren Beeinträchtigungen selbstständig im Alltag zurechtkommen können.

Manche Rehakliniken bieten zusätzlich dazu Musiktherapie an. Die Möglichkeiten dabei sind vielfältig. So soll das selbst Musizieren auf einem Instrument die Beweglichkeit verbessern, Singen das Sprechen unterstützen oder rhythmische Musik bei Schwierigkeiten mit dem Gehen helfen. Wir haben uns angesehen, wie gut Musiktherapie nach einem Schlaganfall tatsächlich helfen kann.

Musiktherapie als Geh-Training

Bisher veröffentlichte Studien zeigen, dass Musiktherapie die Fähigkeit zu gehen wahrscheinlich verbessert [1]. Dabei unterstützt ein kräftiger Rhythmus die Betroffenen beim Geh-Training. Den Studienergebnissen zufolge scheint rhythmische Musik beim Training der Schrittbewegungen besser zu helfen als ein Rhythmus ohne Musik wie etwa das einfachen Tick-Tack eines Metronoms.

Fachleute nennen diese Art der Musiktherapie Rhythmisch-akustische Stimulation (RAS). In den meisten Studien konnten die Schlaganfall-Betroffenen ohne Behandlung nicht mehr als 20 bis 30 Meter pro Minute gehend zurücklegen. Nach der rhythmischen Musiktherapie war ihre Schrittlänge etwas größer, und sie schafften durchschnittlich elf Meter mehr in der Minute. Die Daten weisen darauf hin, dass dies auch die Lebensqualität der Betroffenen merklich zu bessern scheint.

Die Studienergebnisse zeigen auch: Die Behandlung wirkt möglicherweise besser, wenn geschulte Musiktherapeuten sie durchführen [1].

Forschungslücken

Nicht gut erforscht ist, ob Musiktherapie helfen kann, wenn die Beweglichkeit der Arme oder Hände eingeschränkt ist. Ob Betroffene durch Singen oder andere Formen der Musiktherapie profitieren, wenn sie nach dem Schlaganfall Probleme mit dem Sprechen haben, ist derzeit ebenfalls unklar.

Auch bei anderen Beeinträchtigungen ist die Studienlage unzureichend. So lässt sich momentan nicht sagen, ob Musiktherapie etwa bei Problemen mit dem Gedächtnis und der Aufmerksamkeit hilfreich ist. Kaum erforscht ist auch, ob Schlaganfall-Patienten mit einer Depression profitieren könnten.

Schlaganfall: Sauerstoffmangel mit Folgen

Meist wird ein Schlaganfall dadurch ausgelöst, dass ein Gerinnsel ein Blutgefäß im Gehirn blockiert. Dadurch kann der betroffene Teil des Gehirns nicht mehr mit sauerstoffreichem Blut versorgt werden, und die dortigen Nervenzellen sterben ab [4].

Seltener ist ein geplatztes Blutgefäß im Gehirn die Ursache. Das führt ebenfalls dazu, dass die umgebenden Hirnbereiche „am Trockenen sitzen“ und nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden. Außerdem presst sich das ausfließende Blut zwischen die dicht gepackten Zellen des Hirngewebes und schädigt es so zusätzlich [4].

Zeit ist Hirn

Was auch immer die Ursache eines Schlaganfalls ist, die möglichen Folgen sind am Ende dieselben. Um bleibende Schäden zu verhindern, ist eine möglichst schnelle Behandlung wichtig. Oftmals kündigt sich ein Schlaganfall durch charakteristische Symptome an, etwa vorübergehende Taubheitsgefühle oder kurzzeitige Sprach-oder Sehstörungen. Es ist wichtig, solche Warnsymptome zu erkennen und sofort ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen [2,3].

Details zu möglichen Anzeichen für einen Schlaganfall finden Sie auf den Online-Informationen von Gesundheitsinformation.de.

Die Studien im Detail

Ein US-australisches Forschungsteam des Wissenschaftsnetzwerks Cochrane fasste in einer systematischen Übersichtsarbeit alle Studien zusammen, welche die Wirkung von Musiktherapie nach einem Schlaganfall untersucht haben. Dabei fanden sie insgesamt 29 klinische Studien, bei denen in Summe 775 Teilnehmende mit einer Hirnschädigung nach dem Zufallsprinzip entweder einer Musiktherapie oder einer Standardbehandlung zugelost wurden [1].

Der Großteil (90 Prozent) der insgesamt 775 Betroffenen hatte mit den Folgen eines Schlaganfalls zu kämpfen. Bei den übrigen Probanden war eine andere Ursache Schuld an ihrer Hirnschädigung.

Insgesamt lässt die Qualität der Studien jedoch zu wünschen übrig. Nur eine einzige der 29 analysierten Studien ist nach streng wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt worden. Vor allem die geringe Anzahl der Teilnehmenden – im Durchschnitt nur 28 pro Untersuchung – schwächt die Aussagekraft der einzelnen Studien.

Bei Untersuchungen zu Schrittgeschwindigkeit und –länge weisen dennoch alle Einzelergebnisse in Richtung Nutzen. Daher beurteilen die Autoren Musiktherapie mit Rhythmisch-akustischer Stimulation bei Gehstörungen als wahrscheinlich wirksam.

Studien zur Beweglichkeit von Armen und Händen Musiktherapie bei anderen Funktionsstörungen zeigen weniger einheitliche Ergebnisse. Was Sprachstörungen sowie Probleme mit Gedächtnis oder Aufmerksamkeit betrifft, gibt es noch zu wenige Studien für eine sichere Einschätzung. Ob Musiktherapie Depression bei Schlaganfall-Patienten verringern kann, wurde zwar in einigen Studien untersucht, diese unterscheiden sich aber zu sehr in der Art ihrer Durchführung, um die Wirksamkeit gesichert einschätzen zu können.

[1] Magee u.a. (2017)

Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse
Analysierte Studien: 29 (25 zu Schlaganfall)
Teilnehmer: 775 Patienten mit erworbener Schädigung des Gehirns (Schlaganfall, Unfall, Krankheit) davon 698 Schlaganafallpatienten
Fragestellung: Kann Musiktherapie bei der Rehabilitation nach einem Schlaganfall oder anderen Hirnschädigungen helfen?
Interessenskonflikte: keine laut Autoren

Magee WL, Clark I, Tamplin J, Bradt J. Music interventions for acquired brain injury. Cochrane Database of Systematic Reviews 2017, Issue 1. Art. No.: CD006787. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

Weitere wissenschaftliche Quellen

[2] UpToDate (2017)
Karen L Furie, Initial evaluation and management of transient ischemic attack and minor ischemic stroke. Abgerufen am 15.09.2017 unter www.uptodate.com/contents/initial-evaluation-and-management-of-transient-ischemic-attack-and-minor-ischemic-stroke

[3] IQWIG (2017)
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Schlaganfall. Abgerufen am 11. 10. 2017 unter www.gesundheitsinformation.de/schlaganfall.2078.de.html

[4] UpToDate (2017)
Caplan LR (2017). Etiology, classification, and epidemiology of stroke. In Dashe JF (ed.). UpToDate. Abgerufen am 10. 10. 2017 unter www.uptodate.com/contents/etiology-classification-and-epidemiology-of-stroke

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