Wie wirksam ist die RSV-Impfung für Säuglinge?

Die passive Impfung gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) senkt das Risiko für schwere Atemwegsinfektionen bei Säugling deutlich.

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Schützt die passive RSV-Impfung Säuglinge vor schwerer Bronchitis und Lungenentzündung durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV)?

Die passive RSV-Impfung mit dem Wirkstoff Nirsevimab für Säuglinge senkt das Risiko für Atemwegsinfektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV). Ebenso das Risiko, dass Säuglinge wegen RSV-Erkrankungen im Spital behandelt werden müssen. Die passive Impfung führte in Studien zudem nicht häufiger zu gesundheitlichen Problemen als eine Schein-Impfung (Placebo) oder gar keine Impfung.

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Baby mit Schnuller in der Krippe. Eine RSV-Infektion im ersten Lebensjahr kann gefährlich werden.
© Liudmila Chernetska-iStock

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) kann bei Säuglingen zu schweren Entzündungen in der Lunge führen. RSV-Infektionen sind weltweit die häufigste Ursache von Bronchitis und Lungenentzündung bei kleinen Kindern [Quelle 1]. Viele Kinder erkranken so schwer, dass sie im Spital behandelt werden müssen. Frühgeborene und Kinder mit chronischen Erkrankungen sind besonders gefährdet.

In Österreich, Deutschland und der Schweiz empfehlen Gesundheitsbehörden deshalb, Säuglinge in ihrem ersten Lebensjahr mit einer passiven Impfung vor RSV zu schützen, und zwar noch vor ihrem ersten Winter [Quellen 1,5,6]. Genaugenommen handelt es sich bei der RSV-Impfung nicht um eine Impfung im herkömmlichen Sinn, sondern um eine sogenannte passive Immunisierung. Das bedeutet, dass fertige Abwehrstoffe (Antikörper) gegen das Virus mittels Spritze verabreicht werden. Die sollen das Kind im Fall einer Infektion schützen. Wir haben recherchiert, wie gut diese Schutzwirkung belegt ist.

Passive RSV-Impfung: Was Studien sagen

In Österreich, Deutschland und der Schweiz wird derzeit der Wirkstoff Nirsevimab (Handelsname Beyfortus) verwendet (Stand März 2025). Wie gut dieser vor RSV schützt, wurde bisher in drei großen, aussagekräftigen Studien untersucht [Quellen 1-4]. An den Studien nahmen gesunde Säuglinge unter einem Jahr teil, die in Europa, den USA, Südafrika und Asien geboren worden waren.

Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse der Studien, wie viele Kinder innerhalb eines durchschnittlichen RSV-Winters mit und ohne Impfung erkrankten und ins Spital mussten:

Ohne Impfung

  • erkrankten rund 25 von 100 Säuglingen an RSV
  • rund 4 von ihnen mussten deswegen im Spital behandelt werden

Mit Impfung

  • erkrankten rund 5 von 100 Säuglingen an RSV
  • und weniger als 1 von ihnen musste deswegen im Spital behandelt werden

Die Studien sind solide durchgeführt und kommen zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Und es nahmen mehr als 12.000 Kinder daran teil. Unser Vertrauen in die Ergebnisse ist deshalb hoch (mehr dazu im Abschnitt Studien im Detail).

Ist die passive RSV-Impfung sicher?

Natürlich wurden in den Studien zur passiven RSV-Impfung auch Nebenwirkungen untersucht [Quelle 1]. Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören Rötungen an der Einstichstelle, Ausschläge und Fieber. Übermäßig gehäuft kamen diese in den Studien jedoch nicht vor: Innerhalb von sieben Tagen hatten jene Säuglinge, die die RSV-Impfung bekommen hatten, etwa genauso viele unerwünschte Wirkungen wie jene, die keine Impfung oder eine Scheinimpfung (Placebo) bekommen hatten.

Warum ist RSV gefährlich?

Die RSV-Saison beginnt jedes Jahr im Herbst und dauert bis in den späten Frühling. Übertragen wird das Respiratorische Synzytial-Virus genauso wie Erkältungsviren auch über die Luft, beim Niesen, Husten oder Sprechen. Erwachsene bekommen meist typische Erkältungs-Symptome. Bei Kleinkindern äußert sich eine RSV-Erkrankung in der Regel durch Husten, Fieber und oft auch Atemnot. Kleinkinder trifft die Infektion mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mindestens einmal vor ihrem zweiten Geburtstag [Quellen 7,8].

Besonders gefährlich sind die Viren für Frühgeborene und Säuglinge unter einem Jahr, Kinder mit Herzfehlern und Lungenerkrankungen, angeborenen Fehlbildungen oder Immunschwäche [Quelle 7]. Bei ihnen kann RSV zu schweren Entzündungen der Bronchien und der Lunge führen, Atemnot und Sauerstoffmangel verursachen und lebensbedrohlich sein.

Auch für ältere Menschen und Menschen mit einem stark geschwächtem Immunsystem können RSV-Infektionen gefährlich sein.

Wie funktioniert eine passive Impfung?

Die RSV-Impfung für Säuglinge ist eine sogenannte passive Immunisierung und damit anders als eine herkömmliche, aktive Impfung. Bei einer aktiven Impfung werden abgetötete Krankheitserreger oder Teile davon verabreicht – üblicherweise als Spritze in den Muskel. Das führt dazu, dass das Immunsystem den Erreger auf ungefährliche Weise kennenlernt, ohne davon krank zu werden. So hat es Zeit, Abwehrstoffe – sogenannte Antikörper – gegen den Erreger zu bilden, und kann ihn sofort abwehren, wenn es ihm später „im echten Leben“ begegnet.

Mit der passiven Immunisierung gegen RSV-Infektionen hingegen bekommt der Körper bereits fertige Antikörper gegen das Respiratorische Synzytial-Virus verabreicht. Er muss also selbst keine Antikörper bilden, sondern ist sofort geschützt. Ein Nachteil: Der Schutz hält nicht so lange an wie bei den meisten aktiven Impfungen.

Schutz vor der RSV-Saison

In der ersten RSV-Saison ihres Lebens sind Kinder besonders gefährdet, da ihr Immunsystem noch unreif ist. Später ist das Risiko einer schweren RSV-Erkrankung nicht mehr ganz so hoch, weil ihr Immunsystem selbst genügend Antikörper herstellen kann. Deshalb reicht eine einmalige passive Immunisierung im ersten Lebensjahr aus. Kindern, die im Frühjahr oder Sommer geboren werden, wird die Immunisierung im Herbst, kurz vor der RSV-Saison, empfohlen; Kindern, die im Herbst oder Winter geboren werden, möglichst rasch nach der Geburt [Quelle 7].

Mehr Infos für Kinder und Erwachsene

Für Erwachsene, die sich vor dem Respiratorischen Synzytial-Virus schützen wollen, gibt es auch aktive RSV-Impfungen – mehr Infos dazu hier: impfen-info.de (Deutschland) oder impfen.gv.at (Österreich)

Ausführliche Informationen zu RSV-Infektionen bietet das deutsche Robert-Koch-Institut in seinem RSV-Ratgeber oder übersichtlich auf einen Blick im Faktenblatt RSV.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Wie gut ein Impfstoff schützt, können am verlässlichsten sogenannte randomisiert-kontrollierte Studien beantworten. Dazu werden Kinder, deren Eltern sich für die Studie gemeldet haben, per Los auf zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine Gruppe bekommt den RSV-Impfstoff. Die Vergleichsgruppe bekommt keine Impfung oder eine Schein-Impfung, also ein Placebo. Dafür wird in der Regel wirkungslose Kochsalzlösung verwendet. Wenn ein Placebo verwendet wird, wissen weder die Eltern noch das Studienpersonal, wer in welcher Gruppe ist. Man sagt auch, die Studie ist verblindet. Diese Verblindung soll verhindern, dass Erwartungen das Verhalten von Eltern oder Studienpersonal beeinflussen und so die Ergebnisse verzerren.

Am Ende der RSV-Saison wird schließlich verglichen: Wie viele Kinder sind in der Impf-Gruppe erkrankt, wie viele in der Vergleichsgruppe ohne wirksame Impfung? Wie viele mussten im Spital behandelt werden?

Bei unserer Recherche in verschiedenen internationalen Studiendatenbanken fanden wir drei solche randomisiert-kontrollierten Studien zum Wirkstoff Nirsevimab [Quellen 2-4]. Zwei haben Nirsevimab mit einer Schein-Impfung verglichen [Quellen 2 und 3], eine mit keiner Impfung [Quelle 4]. In Auftrag gegeben wurden die drei Studien von den Herstellerfirmen Sanofi und Astra Zeneca. Ihre Ergebnisse hat eine Übersichtsarbeit des deutschen Robert-Koch-Instituts bewertet und zusammengefasst [Quelle 1].

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Die Studien sind methodisch solide durchgeführt: Sie waren – wo das möglich war – verblindet; die Gruppen hatten dieselben Startbedingungen und waren gut vergleichbar. Außerdem haben die Forscherinnen und Forscher transparent und nachvollziehbar gearbeitet. An den Studien nahmen außerdem sehr viele Kinder teil – insgesamt 12.476. Das alles macht die Ergebnisse besonders aussagekräftig.

Zudem kamen alle drei Studien zu ungefähr demselben Ergebnis: nämlich, dass die passive Immunisierung mit Nirsevimab das Risiko einer schweren RSV-Erkrankung und Spitalsbehandlungen bei Säuglingen um rund 80 Prozent verringert.

Wie gut Nirsevimab vor Todesfällen durch RSV-Erkrankungen schützt, können die Studien nicht beantworten, da es während der Studiendauer keine Todesfälle gab.

Neben Nirsevimab ist auch noch ein weiterer passiver RSV-Impfstoff verfügbar, Palivizumab. Da in Österreich, Deutschland und der Schweiz derzeit hauptsächlich Nirsevimab verwendet wird [Quellen 1,6,7], haben wir uns in dieser Recherche auf diesen Wirkstoff beschränkt.

 

[1] Koch, J et al. (2024). Beschluss und wissenschaftliche Begründung zur Empfehlung der STIKO zur spezifischen Prophylaxe von RSV-Erkrankungen mit Nirsevimab bei Neugeborenen und Säuglingen in ihrer 1. RSV-Saison. Epid Bull;26:3-29. (Link zur Übersichtsarbeit)

[2] Griffin, MP et al. (2020). Single-Dose Nirsevimab for Prevention of RSV in Preterm Infants. N Engl J Med.;383(5):415-425. (Link zur Studie)

[3] Hammitt, LL et al. (2022). Nirsevimab for Prevention of RSV in Healthy Late-Preterm and Term Infants. N Engl J Med.;386(9):837-846. (Link zur Studie)

[4] Drysdale, SB et al. (2023). Nirsevimab for Prevention of Hospitalizations Due to RSV in Infants. N Engl J Med. 389(26): p. 2425-2435. (Link zur Studie)

[5] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs (2024) Abgerufen am 17.3.2025 unter gesundheit.gv.at/leben/gesundheitsvorsorge/impfungen

[6] Schweizer Bundesamt für Gesundheit BAG (2024) Abgerufen am 17.3.2025 unter bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten

[7] Robert-Koch-Institut (RKI) (2024) RKI Ratgeber RSV-Infektionen. Abgerufen am 17.3.2025 unter rki.de/DE/Aktuelles/Publikationen/RKI-Ratgeber

[8] Deutsches Bundesministerium für Gesundheit (2024) Fragen und Antworten zu Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV). Abgerufen am 19.3.2025 unter bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/impfungen/schutz-vor-rsv-infektionen

19.3.2025: Erste Veröffentlichung des Faktenchecks.

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