Nurosym gegen Müdigkeit und Long Covid unbelegt

Das Vagus-Stimulations-Gerät Nurosym soll bei Müdigkeit und Long Covid helfen. Doch die angeblichen Studien dazu scheint es nicht zu geben.

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Kann Vagus-Stimulation über das Ohr mit dem Gerät Nurosym bei chronischer Müdigkeit (etwa durch Long Covid oder ME/CFS) helfen?

Die Herstellerfirma von Nurosym nennt chronische Müdigkeit und Long Covid als mögliches Einsatzgebiet ihres Geräts zur Vagus-Stimulation. Doch eine solche Wirkung ist weder untersucht noch belegt. Die von der Firma genannten Studien scheinen nicht zu existieren.

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© Liudmila Chernetska - iStock Chronisches Fatigue-Syndrom: Warten auf eine wirksame Behandlung.
© Liudmila Chernetska – iStock

Der Vagus-Nerv ist aktiv, wenn wir ruhen, verdauen und entspannen. Er gehört zum vegetativen, also nicht bewusst steuerbaren, Nervensystem und entspringt im Gehirn. Von dort verteilt sich der Vagusnerv im Oberkörper, besonders viele Fasern befinden sich in der Ohrmuschel.

Genau dort soll die sogenannte transkutane aurikuläre Vagus-Stimulation ansetzen – also die Stimulation des Vagusnervs durch die Haut am Ohr. Feine elektrische Impulse sollen den Nerv stimulieren und positive Effekte auf den Körper und die Psyche haben. Diese elektrischen Impulse kommen aus kleinen Geräten, die wie Kopfhörer getragen oder mit Clips an den Ohren befestigt werden.

In der Medizin kommt die Vagus-Stimulation vorwiegend gegen Schmerzen zum Einsatz [Quelle 4]. Im Internet werben Anbieter von Stimulationsgeräten für das Ohr jedoch mit zahlreichen anderen angeblichen Wirkungen. Zum Beispiel der Hersteller des Geräts Nurosym.

Nurosym: Das Gehirn „neu verkabeln“?

„Nurosym verkabelt Ihr Gehirn mit wissenschaftlich validierten, gezielten elektrischen Impulsen über den Vagusnerv neu,“ heißt es zum Beispiel auf der Webseite von Nurosym [Quelle 5]. Klingt vielversprechend, denken sich vielleicht auch Betroffene von chronischer Müdigkeit, etwa in Folge von Long Covid. Und tatsächlich, Long Covid und Müdigkeit (auch Fatigue genannt) gehören laut der Website zu den möglichen Einsatzbereichen des Vagusnerv-Stimulators.

Auf der Homepage von Nurosym werden dazu zahlreiche Studien zitiert. Wir haben uns genauer angesehen, ob das Ganze so wissenschaftlich ist, wie hier behauptet wird.

Angebliche Studien sind gar keine

Viele der zitierten Studien sind aber nirgends auffindbar und scheinen nicht zu existieren. Sie wurden anscheinend nie in einem wissenschaftlichen Fachjournal veröffentlicht.

Manche entpuppten sich als Untersuchungen an Mäusen, wieder andere als Kapitel aus Anatomie-Lehrbüchern. Einige Studien beschäftigten sich mit der Sicherheit des Geräts, untersuchten allerdings nicht, ob es auch wirkt.

Fazit: Eine geeignete Studie, in denen Betroffene von Long Covid oder dem chronischen Fatigue-Syndrom mit aurikulärer Vagus-Stimulation behandelt wurden, konnten wir nicht finden. Weder auf den Websites der Hersteller noch bei einer umfangreichen Suche in Forschungsdatenbanken. (Wie eine geeignete Studie aussehen müsste, erklären wir im Abschnitt Die Studien im Detail.)

Einzige Studie zu Müdigkeit: klein und mangelhaft

Die einzige Studie zu Müdigkeit, die wir finden konnten, untersuchte 18 Teilnehmende mit einer anderen Erkrankung, der Autoimmunerkrankung Lupus erythematodes [Quelle 3]. Sie lief nur 12 Tage und war zu klein und zu mangelhaft, um aussagekräftig zu sein.

Nach 12 Tagen schien die Müdigkeit der Teilnehmenden zwar etwas verringert – es ist allerdings fraglich, ob dieser kleine Effekt nur auf dem Papier existierte und für die Betroffenen überhaupt spürbar war.

Was uns auch misstrauisch macht: Die Autoren der Mini-Studie waren Angestellte der Herstellerfirma und Inhaber eines Patents für ein aurikuläres Vagus-Stimulationsgerät.

Einige Studien am Laufen

Aus Studienregistern, in denen Studien vorab angekündigt werden, wissen wir allerdings: Zur sogenannten transkutanen aurikulären Vagus-Stimulation gegen Long-Covid-Beschwerden läuft zurzeit einiges an Forschung. Es ist also zu erwarten, dass sich die Studienlage in ein paar Jahren verändern wird.

Long Covid: Auch nach der Pandemie ein Problem

Auch wenn die Pandemie offiziell längst für beendet erklärt ist – den zahlreichen Betroffenen von Long Covid hilft das wenig. Sie leiden auch Monate bis Jahre nach einer Infektion unter den Folgen. Die Palette der möglichen Symptome ist lang und vielfältig: Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Kreislaufbeschwerden, Depression, Herzprobleme, Muskel- und Gelenksschmerzen. Und die bleierne Müdigkeit. Wie Long Covid entsteht, liegt ebenso im Dunkeln wie eine wirksame Behandlung [Quelle 1].

Ähnliche Symptome: ME/CFS

Ebenso im Dunkeln liegen – wortwörtlich – auch viele Betroffene des chronischen Fatigue-Syndroms, kurz ME/CFS. Sehr schwer Erkrankte können nur in einem dunklen Raum liegen, für alles andere fehlt die Kraft. Die kleinste Anstrengung führt zur Verschlechterung ihres Zustandes. Auch sie warten noch immer auf eine wirksame Behandlung. In Deutschland gab es vor der Covid-Pandemie Schätzungen zufolge etwa 250.000 ME/CFS-Betroffene. Manche Forschenden gehen davon aus, dass sich diese Zahl seit der Pandemie verdoppelt hat [Quelle 2].

Das Spiel mit der Hoffnung

Dieses Fehlen einer Behandlung nutzen manche unseriösen Anbieter aus. Sie machen mit unerforschten, oft kostspieligen Behandlungen Hoffnung. Auch wenn Betroffene nichts unversucht lassen wollen und jede noch so kleine Chance auf Besserung zumindest versuchen möchten, ist es wichtig, auf das Fehlen von Studien hinzuweisen, um eine informierte Gesundheitsentscheidung zu ermöglichen.

Informationen zu Long Covid und ME/CFS

Informationen zu Long Covid bietet das Österreichische Gesundheitsportal Gesundheit.gv.at.

Zu Long Covid als auch zu ME/CFS informiert die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Wir haben nach Studien gesucht, in denen Menschen mit chronischer Müdigkeit, zum Beispiel aufgrund von Long Covid oder ME/CFS, teilgenommen haben. Sie sollten per Zufall auf eine von zwei (oder mehreren) Gruppen aufgeteilt worden sein: eine Gruppe, die aurikuläre Vagus-Stimulation bekam, und eine Vergleichsgruppe, die eine Schein-Behandlung, also ein Placebo, bekam. Nur diese Art von Studien kann verlässlich beantworten, ob eine Behandlung wirksam ist. Man nennt sie auch randomisiert-kontrollierte Studie (englisch: randomized controlled trial, kurz RCT).

Die randomisiert-kontrollierte Studie ist die verlässlichste Art, um die Wirksamkeit einer Behandlung zu untersuchen. Wir haben ausschließlich Studien berücksichtigt, die Verbesserungen gemessen haben, die für Betroffene auch tatsächlich spürbar wären – zum Beispiel die Besserung der Müdigkeit. Studien, die mittels Hirn-Scan Veränderungen des Gehirns gemessen, oder Blutwerte untersucht haben, erachteten wir als nicht relevant. Denn sie können nichts darüber aussagen, ob sich die Betroffenen besser fühlen.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Wir konnten lediglich eine Pilotstudie mit 18 Teilnehmenden mit Systemischem Lupus erythematodes finden [Quelle 3]. Diese Studie war mangelhaft, zu kurz und viel zu klein, um aussagekräftig zu sein. Ob aurikuläre Vagus-Stimulation Menschen mit chronischer Müdigkeit helfen kann, kann sie nicht beantworten.

[1] Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs (2024)
Long COVID. Abgerufen am 15.7.2025 unter https://www.gesundheit.gv.at/krankheiten/immunsystem/long-covid.html

[2] Deutsche Gesellschaft für ME/CFS
Abgerufen am 15.7.2025 unter https://www.mecfs.de

[3] Aranow C, et al. (2021) Transcutaneous auricular vagus nerve stimulation reduces pain and fatigue in patients with systemic lupus erythematosus: a randomised, double-blind, sham-controlled pilot trial. Ann Rheum Dis.;80(2):203-208. (Link zur Studie)

[4] Scott A, et al. (2023) Electrical auricular vagus nerve stimulation for pain. AIHTA Decision Support Documents No. 138;. Vienna: Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH
Abgerufen am 16.7.2025 unter https://aihta.at/page/elektrische-aurikulaere-vagusnervstimulation-bei-schmerzen/de

[5] https://nurosym.com/de-at

  • 28.8.2025: Erstveröffentlichung des Faktenchecks

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