Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert.

Was macht das Horn mit der Milch?

Ein Großteil aller Kühe in Österreich trägt keine Hörner mehr. Angeblich soll die Milch dadurch weniger gesund sein. Gibt es Belege für diese Behauptung?

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Ist die Milch hörnertragender Kühe weniger reich an Allergenen und leichter verträglich für Laktose-intolerante Personen?

Es gibt keine gut gemachte Studie, die diese Fragen wissenschaftlich schlüssig belegen würde.

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© Pierluigipalazzi - fotolia.com Braucht gesunde Milch das Horn?
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Mehr als 80 Prozent aller Kühe in Österreich tragen keine Hörner mehr. Damit soll die Verletzungsgefahr für Mensch und Herde gering gehalten werden, denn in Rangkämpfen oder bei Futterneid werden die Hörner zur Waffe. Blutergüsse, offene Wunden, Euter- und Scheidenverletzungen sind in Kuhherden keine Seltenheit. In industriellen Betrieben werden die Hörner auch entfernt, damit die Tiere enger stehen können und sich nicht in den Gittern des Melkstandes verhaken.

Unumstritten ist, dass die Enthornung ein für die Tiere schmerzhafter Eingriff ist, denn im Gegensatz zum Nagel ist das Horn von Kühen gut durchblutet. Zahlreiche Studien beschäftigen sich deshalb mit der richtigen Betäubung (die in Österreich für Tiere ab zwei Wochen vorgeschrieben ist) und mit den kurzfristigen Folgen des Eingriffs – aber nicht mit der späteren Milchqualität.

Der Bio-Verband Demeter behauptet jedoch, die Enthornung würde die Milchqualität beeinflussen. Die Milch enthornter Kühe soll sich verändern und häufiger zu Allergien und Unverträglichkeiten führen.

Ist Milch gesünder, wenn Kühe Hörner tragen?

Womit belegt der Bio-Verband Demeter seine Aussagen?

Verwiesen wird auf zwei Studien: Eine „Kristallanalyse“ [1] soll die unterschiedliche Milchqualität beweisen. Und eine Doktorarbeit [2] befasst sich mit den unterschiedlichen Eiweißgehalten.

Per Kristallanalyse soll eine „umfassende Aussage über die Qualität der Lebenskräfte der Proben“ (Milch-, Blut- und Harnproben) möglich sein. Eine wissenschaftlich anerkannte Messmethode ist das aber nicht: Die Methode basiert auf subjektiven Einschätzungen und ist nicht geeignet, Qualitätsunterschiede nachzuweisen.

In der erwähnten Doktorarbeit wiederum beruht der Vergleich der Eiweiße in der Milch von Kühen mit und ohne Hörnern nur auf ein paar beispielhaften Proben – viel zu wenig und zu ungenau, um zu einer haltbaren Aussage zu kommen.

Weniger allergene Eiweiße?

Bei ihren Analysen will die Autorin unter anderem festgestellt haben, dass das Milcheiweiß Beta-Lactoglobulin in Milch horntragender Kühe weniger konzentriert vorkommt als in der Milch ihrer enthornten Weidegenossinnen. Viele Leute mit Milchallergie reagieren (nicht nur, aber auch) überempfindlich auf dieses Eiweiß [3].

Doch Beta-Lactoglobulin ist einer der Hauptbestandteile von Kuhmilch. Er ist also in beiden Milcharten in großen Mengen vorhanden und somit nicht für Menschen geeignet, die auf das Eiweiß allergisch reagieren. Ob Milch-allergische Personen tatsächlich mit weniger Beschwerden auf eine der beiden Milchsorten reagieren, hat die Verfasserin nicht untersucht. Ihre Behauptungen sind also reine Spekulation.

Auch dass die Milch behornter Kühe für Laktose-intolerante Personen besser verträglich ist, zeigen die Daten der Doktorarbeit in keiner Weise. Der Laktosegehalt, also die Menge an Milchzucker, auf den Laktose-Intolerante mit Verdauungsproblemen reagieren, unterscheidet sich nicht vom Laktosegehalt in der Milch der hornlosen Kühe [2].

Hintergrund: Demeter

Die Betriebe des Bio-Verbands betreiben „biodynamischen Landbau“, orientiert an anthroposophischen Grundsätzen. Die Anthroposophie geht zurück auf Rudolf Steiner, den Begründer der Waldorfpädagogik und der anthroposophischen Medizin.

Demeter-Leitlinien weisen auch spirituelle Kriterien auf [4]. In einigen Punkten sind sie strenger als Bio-Kriterien, die in Demeter-Betrieben somit übererfüllt werden. Dazu gehört unter anderem, dass den Kühen die Hörner gelassen werden.

[1] Höfer (2003). Das Kuhhorn als Beitrag zur Milchqualität. Abgerufen am 14. 8. 2013 unter http://www.zalp.ch/aktuell/suppen/suppe_2003_05/su_ho.html

[2] Wohlers (2011). Dissertation zu Methoden zur Differenzierung und Qualitätsbeurteilung unterschiedlicher Milchqualitäten (2011) (Volltext)

[3] Jarvinen-Seppo KM (2013). Milk allergy: Clinical features and diagnosis. In TePas E (ed.). UpToDate. Abgerufen am 14. 8. 2013 unter http://www.uptodate.com/contents/milk-allergy-clinical-features-and-diagnosis

[4] Leitlinien von Demeter. Abgerufen am 14. 8. 2013 unter http://demeter.de/verbraucher/ueber-uns/richtlinien

Dieser Artikel wurde am 26. August 2013 erstveröffentlicht. Eine neuerliche Literatursuche brachte keine neuen Informationen.

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