Startseite ● IHHT: Therapie mit Sauerstoff ohne Wirksamkeitsbeleg IHHT: Therapie mit Sauerstoff ohne Wirksamkeitsbeleg Die Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie soll mit abwechselnd viel und wenig Sauerstoff zahlreiche Krankheiten lindern. Belege dafür fehlen jedoch. 22. Februar 2024 AutorIn: Iris Hinneburg Review: Bernd Kerschner Jana Meixner Teilen Verbessert IHHT die geistige Leistungsfähigkeit bei älteren Menschen, die Herzgesundheit oder hilft sie bei chronischen Krankheiten? wissenschaftliche Belege fehlen Ob IHHT die geistige Leistungsfähigkeit und die Herzgesundheit verbessert, wurde nur in mangelhaften Studien untersucht. Diese kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Zu anderen chronischen Erkrankungen fanden wir gar keine Wirksamkeitsstudien. so arbeiten wir Symbolbild. Bei der IHHT atmet man durch eine ähnlich aussehende Maske. © Drazen Zigic – istockphoto.com Manche Arztpraxen, Kliniken und Heilpraktiker bieten eine sogenannte Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie – kurz IHHT – an. Dabei atmen die Behandelten über eine Maske abwechselnd sauerstoffarme und sauerstoffangereicherte Luft ein. Üblich sind zehn oder mehr Behandlungen über eine Zeit von mehreren Wochen. Angeblich soll die IHHT eine ganze Reihe von Beschwerden lindern und bei verschiedenen Krankheiten helfen. Wir haben recherchiert, ob das tatsächlich stimmt. Fragliche Wirkung auf Gedächtnis, Herz und Kreislauf Studien, die die Wirksamkeit der IHHT untersuchen, haben wir nur für zwei Gesundheitsprobleme gefunden: Gedächtnisprobleme bei älteren Menschen [Quellen 1,2] und Bluthochdruck bei Betroffenen mit hohem Herz-Kreislauf-Risiko [Quellen 3-5]. Darin wurde die Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie mit einer Scheinbehandlung verglichen. Allerdings können die Studien nicht beantworten , ob die IHHT bei diesen Gesundheitsproblemen hilft. Denn einerseits haben die Studien schwerwiegende Mängel (siehe Abschnitt „Die Studien im Detail“). Außerdem kommen sie zu widersprüchlichen Ergebnissen. Inwieweit die IHHT bei anderen chronischen Gesundheitsproblemen hilft, bleibt ebenfalls unklar. Denn das wurde nie in aussagekräftigen Studien erforscht. Schwindel und Atemnot möglich Nebenwirkungen scheinen die Studien nicht gründlich untersucht zu haben. In einer Studie [Quelle 3] wird jedoch erwähnt, dass Teilnehmende nach den ersten Behandlungen vorübergehend über Schwindel und Atemnot berichteten. Solche Beschwerden können auch im Hochgebirge auftreten, wo die Luft dünner ist und weniger Sauerstoff enthält als im Flachland. Nicht mit Höhentraining vergleichbar Oft verweisen Webseiten zu IHHT auf das im Sport bekannte Höhentraining. Im Gebirge ist die Luft „dünner“ als im Flachland. Deshalb nimmt der Körper weniger Sauerstoff auf. Als Gegenreaktion produziert der Körper vermehrt rote Blutkörperchen. Diese binden Sauerstoff und befördern ihn mit dem Blut zu den Zellen. Auf diese Weise können Sportlerinnen und Sportler durch Training in hohen Lagen über Tage oder Wochen die Sauerstoffversorgung der Muskulatur und damit die Leistungsfähigkeit verbessern [Quelle 6]. Eine IHHT erfolgt hingegen ohne Training – meist im Liegen. Im Gegensatz zum Höhentraining mit ausschließlich sauerstoffarmer Luft atmet man bei der IHHT abwechselnd sauerstoffarme und sauerstoffreiche Luft ein. Damit ist diese Behandlung nicht mit einem Höhentraining im Sport vergleichbar. Werbung mit vermeintlichem Nobelpreis Oft beziehen sich Werbungen zu IHHT auf den 2019 verliehenen Medizin-Nobelpreis. Wer nicht genau hinschaut, kann leicht den Eindruck bekommen, der Nobelpreis wäre für die IHHT verliehen worden. Tatsächlich hatten die Empfänger des Preises lediglich entdeckt, wie Zellen auf eine Änderung des Sauerstoffgehalts in der Umgebung reagieren [Quelle 7]. Die Auswirkung von IHHT auf die Gesundheit haben die Forscher nie untersucht. Die Intervall-Hypoxie-Hyperoxie-Therapie wird unter verschiedenen Namen angeboten. Manchmal wird sie auch als Zelltraining oder Mitochondrientraining bezeichnet. Auch der Name Intermittierende Hypoxie-Hyperoxie-Therapie wird manchmal verwendet. Üblicherweise muss man die Behandlungen selbst bezahlen, da gesetzliche Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen. Beworben werden meist 10 bis 15 Sitzungen. Die Studien im Detail Nach welchen Studien haben wir gesucht? Bei unserer Recherche haben wir nur solche Untersuchungen berücksichtigt, in der die Teilnehmenden nach dem Zufallsprinzip entweder eine IHHT oder eine Scheinbehandlung erhalten. Solche Untersuchungen werden auch randomisiert-kontrollierte Studien genannt. Sie sind am aussagekräftigsten, um den Nutzen einer Behandlung zu erforschen. Wir haben nach Studien zu chronischen Gesundheitsproblemen gesucht, für die IHHT häufig beworben wird. Das sind beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Demenz, Burnout, Chronic Fatigue Syndrom, Depression, Krebs, Diabetes, Nervenerkrankungen wie Borreliose oder chronische Lungenerkrankungen. Gefunden haben wir fünf Studien. Zwei davon [Quellen 1,2] haben die Auswirkung der IHHT auf die geistige Leistungsfähigkeit bei Menschen über 80 Jahren untersucht. Die Teilnehmenden hatten leichte oder schwerere Einschränkungen der geistigen Fähigkeiten, teilweise sogar eine Demenz. An drei weiteren Studien [Quellen 3-5] nahmen Menschen teil, die entweder von einer Herz-Kreislauf-Erkrankung betroffen waren oder zumindest ein erhöhtes Risiko dafür hatten, etwa Übergewicht, Störungen des Zuckerstoffwechsels und/oder hohen Blutdruck. Sie waren zwischen 60 und 65 Jahre alt. Wie aussagekräftig sind diese Studien? Ob IHHT bei diesen Gesundheitsproblemen einen Nutzen hat, können diese Studien allerdings nicht beantworten. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zu wenigen Teilnehmende: An den Studien zu den Auswirkungen auf die geistigen Fähigkeiten nahmen in den beiden Studien [Quellen 1,2] zusammen nur knapp 70 Personen teil. In den drei Studien zur Herz-Kreislauf-Gesundheit [Quellen 3-5] insgesamt gut 150. Beides ist zu wenig, um die Studienergebnisse verallgemeinern zu können. Schwerwiegende Mängel: Oft fehlten in der Auswertung die Daten von einigen Teilnehmenden, und nicht immer waren die Vergleichsgruppen zu Beginn der Untersuchung hinreichend ähnlich. In einigen Studien erhielten die Teilnehmenden zusätzlich weitere Behandlungen, die sich in den Vergleichsgruppen unterschieden. Teilweise wussten die Teilnehmenden bzw. das Forschungsteam, wer welche Behandlung bekam. Das alles kann die Ergebnisse verzerren, so dass kein fairer Vergleich möglich ist. Widersprüchliche Ergebnisse: In einigen Studien [Quellen 1,3,4] war die IHHT besser als die Scheinbehandlung, in anderen dagegen nicht [Quellen 2,5]. Daraus können wir also keine Schlüsse zur Wirksamkeit oder Unwirksamkeit ziehen. Zu kurze Studiendauer: Die Studien dauerten allesamt nur wenige Wochen. Das ist zu kurz, um bei chronischen Krankheiten den Nutzen einer Behandlung sicher beurteilen zu können. Wissenschaftliche Quellen [1] Bayer et al. (2017) Intermittent hypoxic-hyperoxic training on cognitive performance in geriatric patients. Alzheimers Dement (N Y), 3:114-122 (Studie in voller Länge) [2] Behrendt et al. (2022) Effects of Intermittent Hypoxia-Hyperoxia Exposure Prior to Aerobic Cycling Exercise on Physical and Cognitive Performance in Geriatric Patients—A Randomized Controlled Trial. Front Physiol., 13: 899096 (Studie in voller Länge) [3] Bestavashvili A et al. (2022) Intermittent Hypoxic-Hyperoxic Exposures Effects in Patients with Metabolic Syndrome: Correction of Cardiovascular and Metabolic Profile. Biomedicines, 10: 566 (Studie in voller Länge) [4] Glazachev et al. (2018) Intermittent hypoxia-hyperoxia exposures improve cardiometabolic profile, exercise tolerance and quality of life: a preliminary study in cardiac patients. Ind J Public Health Res Dev, 9: 208‐214 (Studie in voller Länge) [5] Dudnik et al. (2018) Intermittent Hypoxia-Hyperoxia Conditioning Improves Cardiorespiratory Fitness in Older Comorbid Cardiac Outpatients Without Hematological Changes: A Randomized Controlled Trial. High Alt Med Biol,19:339-343 (Zusammenfassung der Studie) [6] Amboss (2023) Niere. Abgerufen am 5.1.2024 unter amboss.com (Zugriff kostenpflichtig) [7] The Nobel Prize (2019) The Nobel Prize in Physiology or Medicine 2019. Abgerufen am 19.1.2024 unter https://www.nobelprize.org/prizes/medicine/2019/summary/ Versionsgeschichte 22.2.2024: erste Version des Faktenchecks Schlagworte IHHTIntermittierende Hypoxie-Hyperoxie-TherapieIntervall-Hypoxie-Hyperoxie-TherapieSauerstoff In über 500 Faktenchecks suchen