Damiana und Neradin: Hilfe bei Erektionsstörungen fraglich

Produkte mit Damiana-Extrakt sollen Männern mit Erektionsstörungen helfen. Studien dazu fehlen allerdings. Das gilt auch für homöopathische Damiana-Mittel wie Neradin.

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Review:  Bernd Kerschner 

Hilft Extrakt aus der Damiana-Pflanze (Turnera diffusa) bei Erektionsstörungen?

Ist das homöopathische Mittel Neradin wirksam bei Erektionsstörungen?

Der Extrakt aus der Damiana-Pflanze (Turnera diffusa) wird als Mittel gegen Erektionsstörungen für den Mann beworben. Belegt ist diese behauptete Wirkung auf die Potenz jedoch keineswegs. Denn an Menschen wurde sie offenbar nie untersucht. Das gilt auch für homöopathische Mittel wie das Produkt Neradin.

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Shutterstock-James.Pintar Potenz-Probleme? Angebliche Hilfsmittel aus der Natur gibt es zuhauf.
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Vom Nashornpulver über Rinderhoden bis zum Ginseng – schon seit Jahrtausenden und in jeder Kultur kennt man Nahrungsmittel und Substanzen, die angeblich die Manneskraft stärken und die Lust auf Sex erhöhen sollen. Obwohl es heute wirksame und geprüfte Medikamente zur Behandlung von Erektionsstörungen gibt, sind rezeptfreie Mittel aus der Natur nach wie vor beliebt. Eines davon ist der Extrakt aus der Pflanze Damiana (Turnera diffusa).

Hilfe bei „sexueller Schwäche“?

Den Extrakt der gelb blühenden Pflanze aus Mittelamerika gibt es als Nahrungsergänzungsmittel in der Apotheke zu kaufen. Daneben gibt es aber auch homöopathische Damiana-Mittel in Form von Globuli, Tropfen oder Tabletten. Besonders intensiv beworben wird etwa ein Mittel unter dem Namen Neradin [3]. Dessen Anbieter wirbt mit Hilfe bei Erektionsstörungen und „sexueller Schwäche“. Zurecht?

Damiana: Unerforscht

Wir haben uns auf die Suche nach Studien gemacht, die die Wirkung von Damiana-Extrakt auf die Potenz belegen. Ohne Erfolg allerdings. Ein paar Studien berichten zwar von einer gewissen anregenden Wirkung von Damiana auf männliche Ratten und Meerschweinchen. Studien mit menschlichen Teilnehmern scheint es aber nicht zu geben. Wir finden: Ein paar Untersuchungen an Nagetieren sind zu wenig, um Damiana als wirksames Potenzmittel für den Mann zu vermarkten. Denn der Stoffwechsel von Ratten und Menschen ist zu unterschiedlich, um direkte Schlüsse zu ziehen. Das Mittel könnte bei Nagern also ganz anders wirken.

Keine Studien zu Neradin

Auch unsere Suche nach Studien zum Produkt Neradin blieb ergebnislos. Eine Wirksamkeit wurde offenbar weder untersucht noch belegt.

Um sicherzugehen, dass wir trotz unserer Suche in drei verschiedenen Datenbanken keine Studien übersehen haben, schickten wir auch eine Anfrage an den Anbieter des Präparats. Die blieb allerdings unbeantwortet.

Ausnahme Homöopathie

Neradin ist ausschließlich in Apotheken als Arzneimittel erhältlich. Doch müssen Arzneimittel nicht belegtermaßen wirksam sein, um als solche verkauft zu werden?

Nicht immer. Denn das österreichische und das deutsche Gesetz kennen hier eine Sonderregelung: Keinen Wirknachweis müssen Mittel erbringen, die als Homöopathika verkauft werden. Und als genau solches ist Neradin ausgewiesen.

Neradin: Vom unerforschten Wirkstoff ist fast nichts enthalten

In homöopathischen Mitteln ist ein Wirkstoff derart stark verdünnt, dass mitunter fast nichts mehr davon im Produkt zu finden ist. Eine Tablette Neradin scheint laut Beipacktext höchstens 0,01 Milligramm Damiana-Extrakt zu enthalten. Das bedeutet: Von dem Damiana-Extrakt ist so gut wie nichts in dem Produkt enthalten – abgesehen davon, dass unklar ist, ob dieser selbst unverdünnt wirkt.

Homöopathie: keine Wirkung über den Placeboeffekt hinaus

Das behauptete Wirkprinzip der Homöopathie ist wissenschaftlich nicht erklärbar und auch nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus haben verlässliche und gut durchgeführte Studien gezeigt: Homöopathische Mittel wirken wahrscheinlich ausschließlich über den Placeboeffekt. Eine Wirksamkeit darüber hinaus konnte bisher für kein Krankheitsbild überzeugend nachgewiesen werden. Die Studienlage zur Wirksamkeit der Homöopathie haben wir hier zusammengefasst.

Erektionsstörungen: hohe Dunkelziffer

Bei einer Erektionsstörung fällt es schwer, beim Sex eine Erektion zu bekommen und diese auch aufrecht zu halten. Erektionsstörungen können junge und ältere Männer betreffen, sie sind im höheren Alter aber häufiger. Bleiben diese Probleme über längere Zeit bestehen, sodass kein zufriedenstellender Sex möglich ist, spricht man von einer erektilen Dysfunktion [1]. Sie betrifft geschätzt 18 bis 37 Prozent der Männer über 50 Jahre [2]. Wie viele Männer genau, das lässt sich allerdings nur schwer beziffern. Denn nicht alle suchen wegen der Störung ärztlichen Rat. Viele versuchen es zuerst mit Selbstmedikation, also mit rezeptfrei erhältlichen Produkten oder Hausmitteln.

Woran liegt’s?

Erektionsstörungen können viele Gründe haben: Sie können im Kopf entstehen, etwa durch Stress im Alltag, psychischen Druck oder Ängste beim Sex. Außerdem können verschiedene Erkrankungen die Potenz beeinträchtigen, wie etwa Diabetes, Gefäßkrankheiten, Hormonstörungen oder Depression. Manchmal sind auch Übergewicht, Rauchen oder übermäßiger Alkoholkonsum verantwortlich. Die Entfernung der Prostata – etwa wegen einer Krebserkrankung – führt ebenfalls häufig zur erektilen Dysfunktion [1,2].

Außerdem können bestimmte Medikamente als Nebenwirkung Erektionsstörungen verursachen – allen voran Medikamente gegen hohen Blutdruck und Psychopharmaka, wie etwa Antidepressiva [1,2].

Mögliche Lösungen

Stören Sorgen und Stress das Sexualleben, kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Wen Probleme mit der Potenz belasten, sollte sich an eine Ärztin oder einen Arzt seines Vertrauens wenden.

Liegt der Erektionsstörung eine Erkrankung zugrunde, sollte zuallererst diese behandelt werden. Lässt sich keine körperliche Ursache finden, können Medikamente helfen. Sogenannte PDE-5-Hemmer wie Sildenafil (besser bekannt als Viagra) und verwandte Substanzen können eine natürliche Erektion verstärken und verlängern [1,2]. Sie können wie die meisten Medikamente schwerwiegende Nebenwirkungen haben und sollten deshalb nur nach Absprache mit einer Ärztin oder einem Arzt verwendet werden. Daneben gibt es auch noch andere Medikamente und Methoden gegen Erektionsstörungen (Spritzen, Pumpen oder Implantate zum Beispiel).

Die Studien im Detail

Wir konnten keine Studien zu Damiana-Extrakt gegen Erektionsstörungen bei Männern finden. Auch Studien zum Produkt Neradin fehlen offenbar.

Doch welche Studien wären nötig, um die behauptete Wirksamkeit von Neradin oder Damiana-Extrakt zu überprüfen? Eine aussagekräftige Studie würde so aussehen: Eine möglichst große Gruppe von Männern mit Erektionsstörungen wird per Los in zwei gleich große Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe nimmt eine Zeitlang Neradin bzw. Damiana-Extrakt ein, die andere ein gleich aussehendes Schein-Präparat (Placebo). Die Männer wissen nicht, ob sie das echte Präparat oder das Placebo bekommen. Am Ende der Studie berichten sie, ob und wie sehr sich die Erektionsstörung gebessert hat. Danach deckt das Forschungsteam der Studie auf, wer Neradin bzw. Damiana-Extrakt einnahm und wer nur ein Placebo, und vergleicht die Ergebnisse der beiden Gruppen miteinander. Man nennt diese Art von Studie randomisiert-kontrollierte Studie. Sie ist die beste Art, die Wirksamkeit eines Präparats zu überprüfen. Für Damiana-Extrakt und Neradin fehlen sie.

[1] Gesundheit.gv.at (2020)
Abgerufen am 12.7.2022 unter www.gesundheit.gv.at

[2] UpToDate (2022)
Epidemiology and etiologies of male sexual dysfunction. Abgerufen am 13.7.2022 unter www.uptodate.com (Kostenpflichtig)

[3] www.neradin.de
Abgerufen am 11.7.2022.

  • 13. 11. 2023: eine Aktualisierungs-Recherche ergab keine neuen Studien, Einschätzung ändert sich nicht
  • 25. 8. 2022: erste Version

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