Craniosacral-Therapie: Wirksamkeit unbelegt

Es gibt kein Gesundheitsproblem, bei dem die Craniosacral-Therapie nachweislich helfen kann. Die Annahmen der Lehre widersprechen zudem medizinischem Wissen.

AutorIn:
Review:  Bernd Kerschner 

Ist die Craniosacral-Therapie eine wirksame Behandlung?

Das angebliche Wirkprinzip der Craniosacral-Therapie ist unplausibel und widerspricht heutigem Wissen. Denn die Schwingungen des Schädels, die die Craniosacral-Therapie behauptet zu beeinflussen, wurden nie nachgewiesen. Für die meisten Beschwerden gibt es auch keine aussagekräftigen Studien, die untersucht haben, ob die Craniosacral-Therapie wirkt. Bei einzelnen Beschwerden deuten Studien vielmehr darauf hin, dass sie nicht hilft – zum Beispiel bei der Schmerzerkrankung Fibromyalgie, bei Schmerzen im Becken und bei spastischer Lähmung.

so arbeiten wir
Craniosacral-Therapie bei einem Baby Bei Eltern von Säuglingen ist Craniosacral-Therapie besonders beliebt
© naumoid – istockphoto.com

Die Craniosacral-Therapie ist eine Unterform der Osteopathie. Anhänger der Lehre behaupten, der Schädelknochen würde in einem bestimmten Rhythmus schwingen und pulsieren – und dass diese Bewegungen die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinflussen. Der Craniosacral-Therapeut oder die -Therapeutin soll diese Schwingungen erfühlen und entsprechend verbessern können.

Eine Anschauung, die mit unserem heutigen anatomischen Wissen in Widerspruch steht: Denn die einzelnen Teile des Schädelknochens sind ab dem Kleinkindalter fest miteinander verwachsen. Ein Ausdehnen oder Zusammenziehen des Schädels ist deshalb beim Erwachsenen nicht mehr möglich.

Doch ungeachtet der Frage, ob eine Wirksamkeit theoretisch plausibel ist oder nicht – gibt es Belege dafür, dass die Craniosacral-Therapie bei irgendeiner Erkrankung oder Beschwerde helfen kann?

Craniosacral-Therapie: schlecht untersucht und nicht belegt

Ob es Betroffenen durch Craniosacral-Therapie besser geht, lässt sich einfach in Studien überprüfen. Wir haben mehrere internationale Forschungsdatenbanken nach aussagekräftigen Studien dazu durchsucht – also nach solchen, die wissenschaftliche Mindeststandards erfüllen.

Gefunden haben wir diese zu Fibromyalgie, Schmerzen im Becken und Sehschwäche. Sie deuten auf eine Wirkungslosigkeit der CST hin [Quelle 3].

Für andere Beschwerden – etwa zu Kopf- und Rückenschmerzen – sind die Studien aufgrund von Mängeln ohne Aussagekraft [Quelle 3]. Beispielsweise können viele nicht beantworten, ob es sich bei einer scheinbaren Wirkung nur um einen Placeboeffekt handelt. Im Abchnitt „Die Studien im Detail“ erklären wir, wie sich das vermeiden ließe, und welche weiteren Mängel die gefundenen Studien haben.

Vielleicht bei Nackenschmerzen?

Möglicherweise positive Ergebnisse haben wir in Studien zu Nackenschmerzen gefunden: Hier deutet eine einzelne Studie auf einen möglichen Nutzen der Craniosacral-Therapie hin [Quelle 3]. Ohne Bestätigung durch weitere Studien haben diese Ergebnisse jedoch nur wenig Aussagekraft.

Nackenschmerzen entstehen häufig durch Verspannungen. Es ist deshalb auch möglich, dass es die Berührungen der Therapeutin oder des Therapeuten sind, die entspannend wirken und so die Beschwerden lindern, und nicht die Craniosacral-Therapie selbst.

Craniosacral-Therapie für Kinder: beliebt, aber Wirkung fraglich

Auch Behandlungen für Kinder und Säuglinge wurden in den Studien untersucht. Als besonders sanft beworbene Behandlungsmethode ist die Craniosacral-Therapie vor allem bei Eltern von Säuglingen beliebt.
Die Studienlage ist allerdings auch hier ernüchternd: Sie spricht dagegen, dass Craniosacral-Therapie Kindern mit spastischer Lähmung (Zerebralparese) helfen kann. Das gilt auch für eine Förderung der Bewegungs-Entwicklung von Frühgeborenen [Quelle 3].

Bei anderen Beschwerden, wie Autismus und Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) bei Kindern, oder Bauchschmerzen bei Säuglingen, fehlen aussagekräftige Ergebnisse. Hinweise auf eine Wirksamkeit der Craniosacral-Therapie gibt es hier nicht [Quelle 3].

Unwissenschaftliche Lehren

Obwohl die Craniosacral-Therapie auch innerhalb der Osteopathie umstritten ist [Quelle 10], wird sie von vielen Osteopathinnen und Osteopathen angeboten. In Europa berichten 90 Prozent von ihnen in Umfragen, dass sie mit Craniosacral-Therapie bereits behandelt haben [Quelle 3]. Das kann bei vielen Menschen den falschen Anschein erwecken, es handle sich trotz gegenteiliger Studienlage um eine wirksame Therapie.

Die Craniosacral-Therapie ist eine Unterform der Osteopathie. Auch die Wirksamkeit anderer osteopathischer Behandlungen ist wissenschaftlich nicht eindeutig belegt [Quellen 5-8]. In der Osteopathie will die Therapeutin oder der Therapeut „Beziehungen zwischen unterschiedlichen Strukturen erkennen und dadurch Störungen und Blockaden sowie deren Ursachen aufspüren und beheben“ [Quelle 9]. Diagnostiziert und behandelt wird ausschließlich mit den Händen.

Was genau mit dem Begriff Blockaden genau gemeint ist, bleibt allerdings unklar. Eine Definition dafür, was bei der Osteopathie genau diagnostiziert und behandelt wird, gibt es ebenfalls nicht. Erfunden wurde die Osteopathie-Lehre Ende des 19. Jahrhunderts von einem Arzt in den USA. Seine Theorien zu Blockaden im Körper konnten wissenschaftlich nie belegt werden.

Die Studien im Detail

Nach welchen Studien haben wir gesucht?

Ob Craniosacral-Therapie bei Beschwerden wie häufigen Kopfschmerzen helfen kann, lässt sich einfach in Studien überprüfen. Idealerweise würden dazu hunderte Betroffene einer von zwei Gruppen zugelost. Die erste Gruppe Craniosacral-Therapie, die zweite Gruppe nicht. Sie erhält zum Vergleich eine Scheintherapie.

Dabei sollte niemand erfahren, wer tatsächlich und wer nur zum Schein behandelt wird. So lässt sich ausschließen, dass Erwartungen die Ergebnisse verfälschen. Denn schon die Erwartung an eine Wirksamkeit kann Beschwerden lindern. Forschende nennen das den Placeboeffekt.

Am Ende der Studie werden die Kopfschmerzen in beiden Gruppen verglichen: Nur wenn sie in der Craniosacral-Gruppe deutlich schwächer oder seltener sind als mit der Scheinbehandlung, wäre die Wirksamkeit belegt.
Wir haben Studiendatenbanken nach derartigen Studien durchforstet.

Wie aussagekräftig sind die Studien?

Unseren Recherchen zufolge gibt es nur wenige Studien, die diesen Anforderungen einigermaßen entsprechen [zusammengefasst in Quelle 3].

Spastische Lähmung, Schmerzen im Becken
Bei Kindern mit spastischer Lähmung und Frauen mit Schmerzen im Becken zeigte sich kein Unterschied zur Scheinbehandlung – die Ergebnisse machen eine Wirksamkeit der Craniosacral-Therapie unwahrscheinlich. Da jeweils nur etwas mehr als 100 Teilnehmende untersucht wurden, ist die Aussagekraft dieser Ergebnisse jedoch etwas eingeschränkt.

Fibromyalgie, Sehschwäche
In zwei weiteren Studien zur Schmerzerkrankung Fibromyalgie sowie zu Sehschwäche [zusammengefasst in Quelle 3] war die Craniosacral-Therapie wirkungslos. Aus folgenden Gründen ist die Aussagekraft dieser Studien jedoch deutlich eingeschränkt:

  • Zu wenige Teilnehmende: In der Fibromyalgie-Studie nahmen 84 Personen teil, in der Untersuchung zu Sehschwäche waren es nur 29 Personen mit Kurz- bzw. Weitsichtigkeit oder Hornhautverkrümmung. Das ist zu wenig, um die Ergebnisse auf alle Menschen verallgemeinern zu können.
  • Fehlende Daten: Bei der Auswertung der Fibromyalgie-Ergebnisse scheinen nicht alle Daten berücksichtigt worden zu sein [Quelle 3].

Nackenschmerzen
Eine Studie deutete eine Wirksamkeit bei Nackenschmerzen an [zusammengefasst in Quelle 3]. Da nur 54 Personen daran teilnahmen, sind die Ergebnisse nur sehr eingeschränkt aussagekräftig und müssen erst durch weitere Studien bestätigt werden.

Kopfschmerzen, Autismus, ADHS, kindliche Bauchkrämpfe

Die Studienergebnisse zu diesen Beschwerden waren aufgrund der folgenden Mängel nicht aussagekräftig [Quelle 3]:

  • Zu wenige Teilnehmende: In den Studien wurden zwischen 20 und 82 Kindern untersucht. Das ist zu wenig, um die Ergebnisse verallgemeinern zu können.
  • Verzerrung durch Placeboeffekt: In der ADHS-Studie wussten Eltern und Kinder, wer welcher Gruppe zugeteilt war. Die dadurch ausgelösten Erwartungen können die Ergebnisse verzerrt haben.
  • Gruppenzuteilung nicht zufällig: Nicht der Zufall, sondern Willkür hat in einigen Studien darüber entschieden, welche Kinder der Craniosacral-Gruppe zugeteilt wurden und welche der Scheinbehandlungsgruppe. So lässt sich nicht sagen, ob es tatsächlich die Craniosacral-Therapie war, die für scheinbare Verbesserungen gesorgt hat.
  • Ungenauigkeiten bei der Datenerhebung: ob sich die Behandelten wirklich besser fühlten, wurde in Untersuchungen zu den vier Gesundheitsproblemen zu ungenau erhoben.
  • Fehlende Daten: Nicht immer scheinen alle erhobenen Daten berücksichtigt worden zu sein.
  • Starke Unterschiede in Einzelstudien-Ergebnissen: Die beiden Rückenschmerz-Studien kommen zu stark unterschiedlichen Ergebnissen. Das gilt auch für die Fibromyalgie-Untersuchungen.

[1] WHO (2019) WHO global report on traditional and complementary medicine 2019. Geneva: World Health Organization; 2019. (Bericht in voller Länge)

[2] Verband der Osteopathen Deutschland Abgerufen am 24. 9. 2025 unter www.osteopathie.de

[3] Ceballos-Laita et al. (2024) Is Craniosacral Therapy Effective? A Systematic Review and Meta-Analysis. Healthcare (Basel, Switzerland), 12(6), 679. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[4] Tangkiatkumjai et al. (2020) Potential factors that influence usage of complementary and alternative medicine worldwide: a systematic review. BMC complementary medicine and therapies, 20, 1-15. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[5] Ceballos-Laita et al. (2024) Is visceral osteopathy therapy effective? A systematic review and meta-analysis. International Journal of Osteopathic Medicine, 100729. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[6] Guillaud et al. (2018) Reliability of diagnosis and clinical efficacy of visceral osteopathy: a systematic review. BMC Complementary and Alternative Medicine. 2018 Feb;18(1):65. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[7] Ceballos-Laita et al. (2024) Is Osteopathic Manipulative Treatment Clinically Superior to Sham or Placebo for Patients with Neck or Low-Back Pain? A Systematic Review with Meta-Analysis. Diseases (Basel, Switzerland), 12(11), 287. (Übersichtsarbeit in voller Länge)

[8] Dal Farra et al. (2022) Effectiveness of osteopathic interventions in patients with non-specific neck pain: A systematic review and meta-analysis. Complementary therapies in clinical practice, 49, 101655. (Zusammenfassung der Übersichtsarbeit)

[9] Bundesverband der Osteopathen. Webseite abgerufen am 24. 9. 2025 unter bv-osteopathie.de

[10] Österreichische Gesellschaft für Osteopathie Webseite abgerufen am 4. 8. 2025 unter oego.org

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