Startseite ● Brokkoli: Therapie gegen Gastritis? Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert. Brokkoli: Therapie gegen Gastritis? Brokkoli ist nicht nur reich an Vitaminen, er soll auch Gastritis bekämpfen können. Nachweise dafür fehlen jedoch. 28. August 2017 AutorIn: Verena Ahne Review: Bernd Kerschner Claudia Christof Teilen Kann das Essen von Brokkoli oder Brokkolisprossen Gastritis-Symptome verbessern? wissenschaftliche Belege fehlen Bisher fehlen gut gemachte Studien an Menschen, die zeigen würden, dass der Verzehr von Brokkoli oder Brokkolisprossen bei einer Gastritis helfen kann. so arbeiten wir Brokkoli bei Magenbeschwerden? © Spauln – iStockphoto.com Brokkoli gilt als wahrer Wunderwuzzi. Das grüne Gemüse ist reich an Vitaminen, Mineral- und anderen Inhaltsstoffen, denen zahlreiche positive Gesundheitseffekte nachgesagt werden. Unter anderem soll Brokkoli Gastritis und Magengeschwüre verbessern können. Wir haben nach Studien gesucht, die sich mit dieser Annahme beschäftigen. Wirksamkeit von Brokkoli kaum erforscht Wir konnten keine Studien finden, die die Wirkung von normalem Brokkoligemüse auf Gastritiskranke untersucht haben. Im Zentrum des Forschungsinteresses stand vielmehr ein bestimmter Bestandteil von Brokkoli, der in dem grünen Gewächs in höheren Konzentrationen vorkommt: Sulforaphan. Sulforaphan ist ein sekundärer Pflanzeninhaltsstoff vieler Kreuzblütler-Pflanzen, etwa von verschiedenen Kohlsorten, zu denen Brokkoli gehört. Er findet sich darüber hinaus auch in Sauerkraut, Kresse und Rucola, Rettich und Radieschen, Kren [Meerrettich], Senf oder Kapern. Unter anderem soll Sulforaphan ein Magenbakterium in Schach halten, das oft mitmischt bei der Entstehung von Gastritis: Helicobacter pylori. In Laborversuchen im Reagenzglas wirkt Sulforaphan gut gegen den Helicobacter-Keim. Auch Tierversuche weisen in diese Richtung [3]. Doch Versuche im Labor sagen noch nichts darüber aus, ob Brokkoli oder ein Bestandteil des Gemüses bei Menschen mit Gastritis dieselbe Wirkung hat. Brokkolisprossen: gesünder als Brokkoli? Die wenigen Studien an Menschen, die wir bei unserer umfangreichen Literatursuche finden konnten, testeten nicht normalen Brokkoli, sondern Brokkolisprossen – die drei bis vier Tage alten Keimlinge des grünen Gemüses enthalten deutlich mehr Sulforaphan als der reife Brokkoli – oder Sulforaphan-Extrakt [1–3]. Allerdings sind diese Arbeiten alle nicht gut genug gemacht, um eine eindeutige Aussage zuzulassen. Ein eindeutiger Nachweis, dass der Verzehr von Brokkoli oder Brokkolisprossen eine Gastritis oder deren mögliche Folgeerkrankung, ein Magengeschwür, erfolgreich eindämmen kann, fehlt also. Einige Forschungsgruppen testen gerade, ob Sulforaphan in der Krebstherapie hilfreich sein könnte. Möglicherweise könnte es also in Zukunft bessere Daten zu diesem Brokkoli-Inhaltsstoff geben [8, 9]. Helicobacter pylori häufiger Verursacher von Gastritis Eine Gastritis ist eine Entzündung der Magenschleimhaut, die verschiedene Ursachen haben kann. Informationen zu Symptomen, Entstehung und Behandlung einer Gastritis bietet die unabhängige Plattform „Gesundheitsinformation.de“. Ein häufiger Auslöser von Gastritis ist das Magenbakterium Helicobacter pylori. Ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung trägt diesen Keim in sich [4, 5]. Der überwiegende Teil der Betroffenen entwickelt nie Beschwerden. Das Bakterium kann aber auch unangenehm werden: Es kann die Funktion der Magenschleimhaut stören und mit der Zeit zu einer chronischen Entzündung führen, die sich bis zum oberen Abschnitt des Dünndarms ausbreiten kann. Manchmal entwickelt sich daraus auch ein Magengeschwür oder ein Geschwür im oberen Abschnitt des Darms [5]. In seltenen Fällen kann sich eine Helicobacter-Infektion auch zu Magenkrebs weiterentwickeln. Laut Statistik Austria erkrankten im Jahr 2014 in Österreich pro 100 000 Personen 14 an Magenkrebs [6]. Es wird geschätzt, dass davon etwa vier oder fünf auf eine Infektion mit Helicobacter pylori zurückzuführen sind [4, 5]. Informationen zu Sulforaphan Der Brokkoli-Inhaltsstoff Sulforaphan ist hitzeempfindlich. Bei längerem Kochen oder Backen wird er zerstört. Gesunde Inhaltsstoffe – zum Beispiel auch Vitamine – bleiben besser erhalten, wenn das Gemüse nur kurz gedämpft oder gedünstet und noch „knackig“ verzehrt wird [8, 9]. Eine häufige Nebenwirkung beim Essen Sulforaphan-haltiger Lebensmittel sind Blähungen und ein schwefeliger Geruch beim Atmen. Wer selbst gezogene Sprossen isst, sollte darauf achten, dass Sprossen leicht schimmeln können und dass sich unerwünschte Keime durch die feuchte Wärme leichter vermehren können. Solche Sprossen sind nicht mehr zum Verzehr geeignet [7]. Wird ein Pflanzenwirkstoff als Extrakt zum Beispiel in Kapseln angeboten, stellt sich immer die Frage nach der Sicherheit oder nach Nebenwirkungen dieser gegenüber der normalen Ernährung viel höheren Dosierung des Wirkstoffs. Wie viel Sulforaphanextrakt ein Mensch problemlos aufnehmen kann, ist derzeit nicht genau bekannt [7] [9]. [Die Erstfassung dieses Artikels erschien am 17. September 2012. Eine Aktualisierung am 28.4.2014 brachte keine inhaltlichen Änderungen. Bei einer neuerlichen Literatursuche fanden wir eine neuere Studie, die jedoch nicht zu einer Änderung unserer Einschätzung führt.] Die Studien im Detail Normaler Brokkoli wurde in keiner Studie an Gastritiskranken getestet. Die Autorinnen und Autoren einer kleinen Studie behaupten, dass der Verzehr von Brokkolisprossen eine Besserung der Gastritis bewirkt [1]. Die Arbeit war allerdings in mehreren Punkten nicht aussagekräftig. Zum Beispiel kann die Studie nicht beantworten, ob der Keim nicht auch ohne Brokkolisprossen verschwunden wäre, da eine Vergleichsgruppe fehlt, die keine Brokkolisprossen gegessen hat. Darüber hinaus lässt eine Studie mit nur zehn Personen keine verlässliche Interpretation zu. In einer weiteren Untersuchung, die eine Besserung der Symptome durch Brokkolisprossen behauptet, fehlt der direkte Vergleich mit der Placebogruppe, die eine andere Art von Sprossen erhalten hat. Daher ist unklar, ob Brokkolisprossen die Entzündung wirkungsvoller bekämpfen als die „Placebo“-Sprossen [2]. Keine Aussage zu Brokkoli und Gastritis In einer neueren Arbeit erhielten 34 Personen mit und 33 Personen ohne Helicobacter-pylori-Infektion vier Wochen lang zweimal täglich eine Kapsel mit Sulforaphan-Extrakt [3]. Weitere 33 Helicobacter-Infizierte bekamen eine gleich aussehende Placebo-Kapsel. Auch diese Studie weist mehrere Mängel auf. Beispielsweise reichen vier Wochen nicht, um über Wirkung oder Nichtwirkung des Extrakts eine abschließende Aussage zu erlauben. Auch die Anzahl der Teilnehmer und Teilnehmerinnen war zu gering, um Zufälle ausschließen zu können. Damit bleibt offen, ob sich eine durch Helicobacter ausgelöste Gastritis durch Sulforaphan-Extrakt bessern ließe. Gar nicht untersucht ist, ob sich eine Brokkoli-reiche Ernährung günstig auf eine Gastritis auswirkt. Wissenschaftliche Quellen [1] Galan u.a. (2004) Studientyp: nicht kontrollierte Studie Teilnehmende: 10 Personen mit Gastritis und nachgewiesener Helicobacter-pylori-Infektion Studiendauer: 42 Tage Fragestellung: Hilft der Verzehr von Brokkolisprossen, eine H.pylori-Infektion einzudämmen? Mögliche Interessenkonflikte: keine Angabe Oral broccoli sprouts for the treatment of Helicobacter pylori infection: a preliminary report. Dig Dis Sci. 2004 Aug;49(7-8):1088-90 (Zusammenfassung der Studie) [2] Yanaka u.a. (2009) Studientyp: randomisiert kontrollierte Studie und Tierstudie Teilnehmende: 50 Personen mit Gastritis und nachgewiesener Helicobacter-pylori-Infektion Studiendauer: 112 Tage Fragestellung: Hilft der Verzehr von Brokkolisprossen, eine H.pylori-Infektion einzudämmen? Mögliche Interessenkonflikte: keine Angabe Dietary sulforaphane-rich broccoli sprouts reduce colonization and attenuate gastritis in helicobacter pylori infected mice and humans. Cancer Prev Res (Phila). 2009 Apr;2(4):353-60 (Zusammenfassung der Studie) [3] Chang u.a. (2015) Studientyp: randomisiert kontrollierte Studie Teilnehmende: 100 Personen, davon 67 mit nachgewiesener Helicobacter-pylori-Infektion Studiendauer: 4 Wochen Fragestellung: Hilft der Verzehr von Brokkolisprossen, eine H.pylori-Infektion einzudämmen? Interessenkonflikte: keine laut AutorInnen The Effects of Broccoli Sprout Extract Containing Sulforaphane on Lipid Peroxidation and Helicobacter pylori Infection in the Gastric Mucosa. Gut and Liver, Vol. 9, No. 4, July 2015, pp. 486-493 (Volltext der Studie) Weitere wissenschaftliche Quellen [4] UpToDate (2017) Sheila E Crowe u.a.: Association between Helicobacter pylori infection and gastrointestinal malignancy. Abgerufen am 23.08.2017 unter https://www.uptodate.com/contents/association-between-helicobacter-pylori-infection-and-gastrointestinal-malignancy/print?source=search_result&search=helicobacter%20pylori&selectedTitle=7~150 [5] UpToDate (2017) Sheila E Crowe u.a.: Patient education: Helicobacter pylori infection and treatment (Beyond the Basics). Abgerufen am 23.08.2017 unter https://www.uptodate.com/contents/helicobacter-pylori-infection-and-treatment-beyond-the-basics/print?source=search_result&search=Patient%20information:%20Helicobacter%20pylori%20infection%20and%20treatment&selectedTitle=2~150 Weitere Quellen [6] Statistik Austria (2017) Krebserkrankungen: Magen. Abgerufen am 23.08.2017 unter http://www.statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/gesundheit/krebserkrankungen/magen/index.html [7] Lozanovski u.a. (2014) Sulforaphan – eine sinnvolle Ergänzung zur Chemotherapie beim Pankreaskarzinom? Passion Chirurgie 06/2014. Abgerufen am 28.08.2017 unter https://orthopaedie.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/MolOnkoChir/5LozanowskiPassChir.pdf [8] Ingrid Herr (2014) Die Kreuzblütler auf dem Kreuzzug gegen Krebs. Passion Chirurgie 06/2014. Abgerufen am 28.08.2017 unter https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fileadmin/MolOnkoChir/6Herr_PassChir.pdf [9] UniversitätsKlinikum Heidelberg Patienteninformation zu dem Brokkoli-Inhaltsstoff Sulforaphan und weitere wertvolle Tipps für eine gesunde Ernährung. Abgerufen am 28.08.2017 unter https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/fuer-Patienten.111688.0.html Schlagworte BakterienBrokkoliEntzündungErnährungGastritisGemüseHelicobacter pyloriInfektionenKeimeKrankheitserregerMagenMagengeschwüreMagenschleimhautentzündungMikrobenMikroorganismenpflanzlichVerdauung In über 500 Faktenchecks suchen