Startseite ● Bandscheibenvorfall: Abwarten oder operieren? Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert. Bandscheibenvorfall: Abwarten oder operieren? Bisher durchgeführten Studien zufolge kann eine Operation bei einem Bandscheibenvorfall schneller vom Schmerz befreien als herkömmliche Behandlungsmethoden. Auf lange Sicht bringt sie aber meist keinen Vorteil. 16. Dezember 2011 AutorIn: Bernd Kerschner Review: Claudia Christof Teilen Ist der Erfolg der herkömmlichen Behandlung eines Bandscheibenvorfalls mit dem einer Bandscheibenoperation gleichwertig? möglicherweise Eine Bandscheibenoperation führt kurzfristig zu schnellerer Schmerzlinderung, bringt aber meist langfristig im Vergleich zu herkömmlicher Therapie wahrscheinlich keinen Vorteil mit sich. Zudem ist sie teurer und etwas riskanter. so arbeiten wir schmerzhafter Bandscheibenvorfall © iStockphoto.com/Deklofenak Bandscheiben sind knorpelähnliche, elastische Verbindungen zwischen den einzelnen Wirbelknochen. Sie bestehen aus einer festen äußeren Bindegewebsschicht und einem inneren Kern und können so – ähnlich einem Gel-Polster – Stöße und starke Belastungen der Wirbelsäule abfedern. Beim sogenannten Bandscheibenvorfall kommt es nicht etwa zu einem Vorrutschen der gesamten Bandscheibe, sondern der äußere Teil der Bandscheibe bricht als Folge von Abnutzungserscheinungen auf. Dabei kann die gelartige Innenmasse austreten und gegen einen mit dem Rückenmark verbundenen Nervenstrang des Ischias-Nervs drücken. Die damit verbundenen starken Schmerzen im unteren Rückenbereich können auch in ein Bein ausstrahlen – man spricht vom sogenannten Ischias-Syndrom. Herkömmliche Behandlung Bei den meisten Betroffenen verschwinden die Schmerzen nach rund 6 Wochen wieder von alleine. Zudem hat sich gezeigt, dass sich in zwei Drittel aller Fälle die beschädigte Bandscheibe innerhalb von 6 Monaten von alleine teilweise oder sogar vollständig zurückbildet. [1] Helfen können etwa Schmerzmittel wie Paracetamol, oder aber auch eine manuelle Behandlung der Wirbelsäule durch einen Spezialisten oder eine Spezialistin. Dabei bewegt ein speziell geschulter Arzt oder Physiotherapeut mit seinen Händen die Wirbel etwas hin und her und versucht so, Schmerzen, Versteifungen und andere Symptome zu lindern. Bettruhe wird als wenig zielführend angesehen, auch wenn nicht vollends geklärt ist, ob Bewegung tatsächlich eine Verbesserung der Symptome eines Bandscheibenvorfalls bewirken kann. Treten jedoch Probleme beim Zurückhalten von Harn oder Kot auf und sind beide Beine von Schwäche oder Schmerzen betroffen, kann es sein, dass die ausgetretene Bandscheibenmasse direkt gegen den unteren Teil der Wirbelsäule presst. Da dies eine ernste Schädigung der Rückenmarksnerven mit sich ziehen kann, ist hier eine schnelle Behandlung wichtig. Was bringt eine Operation? In rund 10 von 100 Fällen bleiben die Schmerzen auch nach 6 Wochen so stark, dass Ärzte eine Operation in Betracht ziehen könnten. Bei einem solchen Eingriff wird dann versucht, den Teil der Bandscheibe, der gegen den Nervenstrang drückt, zu entfernen, um so die Schmerzen zu lindern. Davor sollte – etwa durch eine Magnetresonanzuntersuchung – abgeklärt sein, ob die Schmerzen tatsächlich durch einen Bandscheibenvorfall bedingt sind, und nicht etwa eine andere Ursache haben. In einer kürzlich veröffentlichten systematischen Übersichtsarbeit [2] wurden alle bisher veröffentlichten Studien analysiert, die Bandscheibenoperationen mit herkömmlicher Behandlung verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Schmerzen nach einer Operation schneller zurückgingen als bei herkömmlichen Behandlungsmethoden. Ein bis zwei Jahre nach dem Bandscheibenvorfall ging es den herkömmlich behandelten Patienten in den meisten Studien allerdings nicht schlechter als den operierten Patienten. Selbst wenn die Patienten nicht behandelt wurden, sondern nur ärztliche Ratschläge erhielten, zeigte sich nach 12 Monaten kein Unterschied mehr im Befinden im Vergleich zu jenen, die eine Operation erhalten hatten [3]. Operation – ja oder nein? Eine Bandscheibenoperation führt nicht immer zur gewünschten Schmerzlinderung. Zudem kommt es in 3 bis 10 unter 100 Fällen zu einer Wiederkehr des Bandscheibenvorfalls. Bei nahezu allen diesen Patienten wird nach einiger Zeit somit eine weitere Operation nötig. Wie bei allen Operationen sind auch diese Eingriffe nicht ohne Risiken, so kann es neben allergischen Reaktionen auf das Narkosemittel etwa zu Blutungen oder Infektionen kommen. Bandscheibenoperationen sind zudem auch um etliches teurer als herkömmliche Therapie. Die wissenschaftliche Beweislage dafür, dass Operationen langfristig keinen Vorteil im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungsmethoden bringen, ist allerdings gering, da es nur wenige Studien von hoher Qualität dazu gibt. Wissenschaftliche Quellen [1] Jordon J, Konstantinou K, O’Dowd J. Herniated lumbar disc. Clin Evid (Online). 2011 Jun 28;2011. pii: 1118. (Zusammenfassung der Quelle) [2] Jacobs (2011) Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit Anzahl der inkludierten Studien: 5 randomisiert-kontrollierte Studien Teilnehmer insgesamt: 1066 Patienten mit Bandscheibenvorfall Vergleich: Wirksamkeit von Bandscheiben-Operation mit konservativer Behandlung Titel: „Surgery versus conservative management of sciatica due to a lumbar herniated disc: a systematic review“. Eur Spine J. 2011 Apr;20(4):513-22. Epub 2010 Oct 15. (Studie im Volltext) [3] Hahne (2010) Studientyp: Systematische Übersichtsarbeit Anzahl der inkludierten Studien: 18 randomisiert-kontrollierte Studien Teilnehmer insgesamt: 676 Patienten mit Bandscheibenvorfall Vergleich: Wirksamkeit von Bandscheiben-Operation mit konservativer Behandlung oder verschiedenen konservativen Behandlungsmethoden untereinander Titel: Conservative management of lumbar disc herniation with associated radiculopathy: a systematic review. Spine (Phila Pa 1976). 2010 May 15;35(11):E488-504 (Zusammenfassung der Studie) Schlagworte BandscheibenBandscheibenvorfallKreuzschmerzenOperationOperationenRückenSchmerzen In über 500 Faktenchecks suchen