Startseite ● Tragant: Allergie pflanzlich bekämpfen? Dieser Beitrag ist älter als vier Jahre, möglicherweise hat sich die Studienlage inzwischen geändert. Tragant: Allergie pflanzlich bekämpfen? Ob Allergie gegen Pollen, Hausstaubmilben oder Tierhaare: Abhilfe schaffen soll ein pflanzliches Mittel mit Tragant. Belege für die Wirksamkeit gibt es keine. 28. September 2017 AutorIn: Iris Hinneburg Review: Bernd Kerschner Claudia Christof Teilen Helfen pflanzliche Mittel mit einem Extrakt aus der chinesischen Tragantwurzel wie Lectranal bzw. Allvent gegen Allergien? wissenschaftliche Belege fehlen Bisher gibt es nur eine Studie mit wenigen Teilnehmenden, deren Ergebnisse nicht besonders überzeugend sind. so arbeiten wir Ragweed plagt viele Allergiker im Herbst - kann Tragant helfen? © galitskaya – fotolia.com Juckende Augen, rinnende Nase, Niesanfälle: Allergien sind eine weit verbreitete Lästigkeit. Mittlerweile gibt es zum Glück eine Vielzahl an Produkten, die die überschießende Reaktion des Körpers auf Pollen, Tierhaare, Pilzsporen und Co. in Zaum zu halten versprechen. Uns erreichte eine Anfrage zu einem „pflanzlichen Allergiemittel“ mit dem österreichischen Handelsnamen Lectranal (in Deutschland Allvent). Erhältlich ist es in Form von Kapseln [5] und als Saft, der laut Beipackzettel auch bei Kindern ab drei Jahren eingesetzt werden darf [6]. Das Präparat enthält einen Extrakt aus der Tragantwurzel. Tragantpflanzen gehören zur Familie der Hülsenfrüchtler und dürften weltweit bis zu 3000 Arten umfassen. Eine chinesische Variante mit dem botanischen Namen Astragalus membranaceus (oder Astragalus mongholicus) gehört zu den beliebtesten Heilpflanzen der Traditionellen Chinesischen Medizin. Angeblich soll die Tragantwurzel das Immunsystem „modulieren“, sodass es weniger empfindlich auf Allergieauslöser reagiert und keine allergischen Symptome mehr auftreten [5] – so zumindest die Theorie. Aber wie gut ist die Wirksamkeit von Lectranal bzw. Allvent in klinischen Studien belegt? Tragant gegen Allergien: kaum untersucht Im Zuge unserer umfangreichen Literaturrecherche konnten wir nur eine einzige Studie an 48 erwachsenen Personen aufspüren [1], die der Hersteller auch im Beipackzettel zitiert [5]. Eine veröffentlichte Untersuchung mit jungen Patientinnen und Patienten konnten wir nicht finden, sodass wir zur Wirksamkeit bei Kindern und Jugendlichen keine Aussage machen können. Doch auch zur Wirksamkeit bei Erwachsenen bleiben viele Fragen offen. So wurden lediglich Personen mit einer Pollenallergie auf Gräser oder Spätblüher untersucht. Warum der Hersteller im Beipackzettel von einer guten Wirksamkeit des Produkts auch bei Allergien gegen Tierhaare oder Schimmelsporen spricht, bleibt deshalb unklar. In einer zweiten Suchrunde haben wir auch nach diesen Allergieformen gesucht, dazu aber keine Studien gefunden. Tragant gegen Heuschnupfen? Für den Einsatz bei Heuschnupfen kann uns die Studie, an der übrigens mindestens ein Angestellter des Herstellers mitgewirkt hat, nicht überzeugen. Abgesehen davon, dass es sich nur um eine einzige Studie mit sehr wenigen Teilnehmern und Teilnehmerinnen handelt, was die Aussagekraft bereits einschränkt, gibt es in der Untersuchung auch einige methodische Probleme, die die Aussagekraft weiter schmälern. So wurde die in der Praxis relevante Frage, welchen Effekt der Tragantextrakt im Vergleich zu anderen etablierten Heuschnupfen-Mitteln hat, nicht untersucht. Die Wirkung des Präparats wurde lediglich mit einem Scheinmedikament verglichen. Doch selbst hier ließ sich ein merkbarer Unterschied nicht zweifelsfrei belegen. Es bräuchte also erst weitere, gut gemachte, umfangreiche Studien, die die Wirksamkeit der Tragantwurzel bzw. dieser speziellen Produkte untersuchen, bevor wir eine Aussage darüber machen können, ob oder wie gut das Mittel gegen Allergien wirkt. Allergien auf dem Vormarsch Die Heuschnupfen-Saison ist inzwischen nicht mehr nur auf Frühling und Frühsommer beschränkt: Mit der zunehmenden Verbreitung von Spätblühern wie der Ambrosia, eines aus den USA eingewanderten Unkrauts, das auch als Ragweed oder beifußblättriges Traubenkraut und als besonders starkes Allergen bekannt ist, leiden manche Menschen inzwischen bis in den Herbst hinein unter laufender Nase und juckenden Augen. Andere wieder niesen los, sobald sie in die Nähe von Katzen oder Hunden kommen, oder bekommen in Daunenbetten eine verstopfte Nase, in denen sich Hausstaubmilben fröhlich tummeln… Allergische Symptome entstehen durch eine Fehlreaktion des Immunsystems, das Allergene wie Pilzsporen, Tierhaare oder Pollen von Bäumen und Gräsern fälschlich als gefährlich einstuft. Schätzungen zufolge leidet in Industrieländern etwa jeder und jede Vierte unter allergischem Schnupfen [2]. Nach einer Erhebung des Robert-Koch-Instituts sind in Deutschland rund 28 Prozent aller Erwachsenen von einer Allergie betroffen. Die Zahlen für Österreich liegen in der gleichen Größenordnung [4]. Allergien sind im jüngeren und mittleren Erwachsenenalter häufiger als bei älteren Menschen. Bei Frauen treten sie öfter auf als bei Männern [3]. Allergische Symptome lindern Oft ist es nicht möglich, sich von den Auslösern der Allergie fern zu halten. Die Symptome lassen sich jedoch mit Medikamenten lindern, die die allergische Reaktion im Körper bremsen. Dafür stehen verschiedene Wirkstoffe in Form von Augentropfen, Nasenspray oder Tabletten zur Verfügung [2]. Wer sehr stark unter der Allergie leidet, kann sich auch informieren, ob eine „Hyposensibilisierung“ sinnvoll wäre: Bei dieser Behandlung wird der Körper nach und nach an steigende Konzentrationen des Allergens gewöhnt, bis er im Alltag nicht mehr darauf reagiert [2]. Die Studien im Detail In der gefundenen Studie untersuchten die Forscherinnen und Forscher 48 Erwachsene mit Heuschnupfen [1]. Davon waren 26 Personen gegen Gräser allergisch, 22 gegen Spätblüher wie Ambrosia oder Beifuß. 32 Personen erhielten nach dem Zufallsprinzip das Tragant-Präparat, 16 ein Scheinpräparat mit gleichem Aussehen. Während der jeweiligen Allergiesaison (Mai/Juni beziehungsweise August bis Oktober) schluckten sie sechs Wochen lang zweimal täglich je zwei Kapseln. Wie die verschiedenen Allergietypen auf die Behandlungs- beziehungsweise Kontrollgruppe verteilt waren, lässt sich der Studienpublikation nicht entnehmen. Es fehlen auch Informationen dazu, ob die Forscherinnen und Ärzte tatsächlich nicht wussten, wer mit welchem Mittel behandelt wurde. Einige Personen brachen die Behandlung vorzeitig ab. In der Studie wird zwar erwähnt, dass alle Teilnehmenden in die Auswertung einbezogen wurden, es fehlen aber Angaben dazu, wie die Daten der Studienabbrechenden berücksichtigt wurden. Allergische Symptome verbessert? Zu Beginn der Behandlung sowie nach drei und nach sechs Wochen bestimmten die Forscher den Effekt der Behandlung. Für unsere Auswertung erachten wir nur allergische Beschwerden als relevant, nicht Blutuntersuchungen auf gebildete Antikörper. Für die Erhebung der allergischen Beschwerden mussten die Teilnehmenden zwei verschiedene Fragebögen ausfüllen. Der erste erfragte den Schweregrad von vier Hauptbeschwerden innerhalb der letzten 24 Stunden wie laufende oder verstopfte Nase, Niesen und juckende oder brennende Augen. Allerdings ist nicht nachgewiesen, dass das hier verwendete Messinstrument die Symptome tatsächlich zuverlässig erheben kann. Es fehlen zudem Angaben darüber, ob Veränderungen in einzelnen Punktwerten im Alltag tatsächlich eine spürbare Verbesserung bedeuten. Die Auswertung brachte eher enttäuschende Ergebnisse: In Summe kam es weder nach drei noch nach sechs Wochen zu wesentlichen Unterschieden zwischen Tragantmittel und Scheinmedikament. Interessanterweise kam es auch mit dem Placebo nach sechs Wochen zu einer deutlichen Verbesserung gegenüber dem Ausgangswert. Bessere Lebensqualität durch Tragant? Der zweite Fragebogen stellte Fragen zur allergiebezogenen Lebensqualität in der vergangenen Woche. Für dieses Messinstrument ist die Zuverlässigkeit gut belegt, und es lässt sich auch abschätzen, welche Veränderung für die Betroffenen tatsächlich einen relevanten Unterschied macht. Allerdings konnten die Forscher und Forscherinnen zu keinem Zeitpunkt einen Unterschied zwischen dem Tragant-Präparat und dem Scheinmedikament feststellen. Erwähnenswert ist, dass diese wenig überzeugenden Ergebnisse der Studie im Beipackzettel des Präparats verzerrt positiv dargestellt werden. Der Hersteller zitiert selektiv nur einen Teil der Studienergebnisse, die auf eine Wirksamkeit hindeuten, die aber nur den kleinen Anteil jener Studienteilnehmenden betrafen, die auf Spätblüher allergisch reagierten. Da diese Ergebnisse erst im Nachhinein aus den Studiendaten herausgefischt wurden, ist deren wissenschaftliche Zuverlässigkeit nicht besonders hoch. Es könnte sich auch um einen Zufallsbefund handeln. Zusammengefasst können wir deshalb nicht sagen, ob Lectranal bzw. Allvent gegen Allergien wirkt. Wissenschaftliche Quellen [1] Matkovic u.a. (2010) Studientyp: randomisiert kontrollierte Studie Teilnehmende: 48 Personen mit moderaten bis schweren Heuschnupfen-Symptomen Fragestellung: Verringert die Gabe eines Präparats mit einem Extrakt der Tragantwurzel im Vergleich zu einem Scheinpräparat die Heuschnupfen-Symptome sowie die allergiebezogene Lebensqualität über sechs Wochen? Interessenkonflikte: keine Angabe; einer der Autoren ist Angestellter des Herstellers. Efficacy and safety of Astragalus membranaceus in the treatment of patients with seasonal allergic rhinitis. Phytother Res. 2010 Feb;24(2):175-81 (Zusammenfassung der Studie) Weitere Quellen [2] IQWIG (2017) Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IQWIG (2017) Heuschnupfen. Abgerufen am 7.7.2017 unter www.gesundheitsinformation.de/heuschnupfen.2419.de.html [3] Schmitz u.a. (2017) 12-Monats-Prävalenz von Allergien in Deutschland. Journal of Health Monitoring 2(1): 77–82. Abgerufen am 7.7.2017 unter http://www.rki.de/DE/Content/Gesundheitsmonitoring/Gesundheitsberichterstattung/GBEDownloadsJ/FactSheets/JoHM_2017_01_gesundheitliche_lage6.pdf [4] Statistik Austria/Bundesministerium für Gesundheit (2015) Österreichische Gesundheitsbefragung 2014. Abgerufen am 7.7.2017 unter www.bmgf.gv.at/cms/home/attachments/1/6/8/CH1066/CMS1448449619038/gesundheitsbefragung_2014.pdf [5] Gebrauchsinformation Lectranal® Kapseln Abgerufen am 7.7.2017 unter www.lectranal.at/fileadmin/template_lectranal/pdf/lectranal_gebrauchsinformation.pdf [6] Gebrauchsinformation Lectranal® Saft Abgerufen am 7.7.2017 unter www.lectranal.at/fileadmin/template_lectranal/pdf/lectranal-SYRUP-leaflet.pdf Schlagworte AllergienAllergischer SchnupfenAstragalusHeuschnupfenPollenallergieTragant In über 500 Faktenchecks suchen