In Österreich sind rund 600.000 Menschen von Diabetes mellitus betroffen, umgangssprachlich auch „Zuckerkrankheit“ genannt. In den meisten Fällen handelt es sich um einen Typ-2-Diabetes, der meist erst im Laufe des Erwachsenenalters auftritt. Typ-1-Diabetes ist deutlich seltener. Diese Form der Zuckerkranheit zeigt sich bereits bei Kindern und Jugendlichen [5].
Jambulbaum gegen Diabetes?
Gegen die weit verbreitete Krankheit ist angeblich ein Kraut – bzw. ein Baum – gewachsen: ein Baum namens Jambul. Er trägt den wissenschaftlichen Namen Syzygium cumini und wächst in Asien.
Rezeptfrei erhältliche Mittel mit Syzygium cumini sollen sowohl bei einem Typ-1- als auch bei einem Typ-2-Diabetes hilfreich sein. Dem Jambulbaum wird nämlich eine mögliche positive Wirkung auf Blutzuckerspiegel und Bauchspeicheldrüse zugschrieben. Er soll auch gegen Vorstufen von Diabetes helfen können.
Es gibt verschiedene aus dem Jambulbaum hergestellte Mittel. Wir haben recherchiert, ob es für eine Wirksamkeit gegen die Zuckerkrankheit gute Belege gibt. Eines dieser Mittel, das allerdings nicht in Österreich erhältlich ist, trägt den Namen „Glycowohl“. Dazu hat uns eine Leseranfrage erreicht.
Vom Nutzen des Jambul nicht überzeugt
Wir haben bei unserer umfassenden Recherche beispielsweise in Literaturdatenbanken nach aussagekräftigen Studien mit menschlichen Probandinnen und Probanden gesucht.
Insgesamt konnten wir vier Studien [1-4] identifizieren, bei denen Menschen mit Typ-2-Diabetes nach dem Zufallsprinzip entweder Extrakte aus dem Jambul oder eine andere Behandlung erhalten haben. Menschen mit Typ-1-Diabetes und mit einer Vorstufe von Diabetes wurden gar nicht in Studien mit Kontrollgruppe und zufälliger Zuteilung getestet.
Schon vorab: von einem Nutzen konnten uns diese Studien nicht überzeugen.
Keine soliden Schlüsse möglich
Es wurden nur sehr wenige Patientinnen und Patienten (ingesamt 181) untersucht. Des Weiteren weisen die Studien entweder schwere methodische Mängel auf oder sie enthalten zu wenige Details, um die Qualität der Untersuchungen nachvollziehen und beurteilen zu können.
Die Studien berichten von Veränderungen des Blutzuckerspiegels über maximal sechs Monate. Langfristige Einflüsse auf das Krankheitsbild sind nicht erfasst. Zu Nebenwirkungen gibt es nur wenige Daten. Außerdem kommen die Untersuchungen zu widersprüchlichen Ergebnissen.
Das alles führt dazu, dass sich aus der aktuellen Studienlage keine verlässlichen Schlussfolgerungen ziehen lassen. Auf dieser Basis können wir also weder bestätigen noch ausschließen, dass aus dem Jambulbaum gewonnene Mittel wirksam und sicher sind – dies gilt für alle fraglichen Personengruppen, also Menschen mit Diabetes vom Typ 1 und Typ 2 sowie Menschen mit einer Vorstufe von Diabetes.
Falls Hersteller einen gesundheitlichen Nutzen nahe legen, sollte dieser auch ausreichend belegt sein – soweit unsere Ansicht.
Verschiedene Pflanzenteile
Getestet wurde in den Studien übrigens entweder ein Tee aus Blättern oder ein Pulver aus den getrockneten Samen. Ob diese verschiedenen Zubereitungsformen tatsächlich dieselben Inhaltsstoffe aufweisen wie etwa alkoholische Auszüge aus anderen Pflanzenteilen (z. B. Früchte, Rinde, Samen, Wurzeln) und gegebenenfalls ähnlich wirksam sind, ist unklar.
„Hungrige“ Zellen
Zucker ist für viele Zellen unseres Körpers ein wichtiger Energielieferant. Deshalb sorgen verschiedene Mechanismen dafür, dass der Blutzuckerspiegel bei regelmäßiger Nahrungszufuhr relativ konstant bleibt.
Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Hormon Insulin. Es sorgt dafür, dass der Zucker aus dem Blut in die Körperzellen gelangt und dort verwertet werden kann.
Wenn Insulin fehlt
Bei Menschen mit einem Diabetes mellitus sind diese Abläufe gestört, und der Blutzuckerspiegel steigt an. Bei einem Typ-1-Diabetes produziert die Bauchspeicheldrüse kein oder nur sehr wenig Insulin. Die Patientinnen und Patienten müssen deshalb regelmäßig Insulin spritzen oder über eine Pumpe zuführen.
Bei einem Typ-2-Diabetes entstehen hohe Blutzuckerwerte, weil der Körper auf Insulin immer schlechter reagiert und den Zucker nicht korrekt verwerten kann. In einem späteren Krankheitsstadium kann die Insulinproduktion auch ganz versagen.
Erhöhte Blutzuckerwerte lassen das Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten sowie für Schäden an der Netzhaut des Auges, an den Nerven und der Niere steigen [7,8].
Erhöhtes Risiko für Diabetes
Wer ist gefährdet, an einem Typ-2-Diabetes zu erkranken? Es sind besonders Menschen mit Übergewicht, wenig Bewegung und ungesunder Ernährung, etwa mit zu wenig Ballaststoffen, zu viel Fett oder Zucker. Auch genetische Faktoren oder bestimmte Medikamente können den Ausbruch der Krankheit begünstigen [8].
Als weitere Risikofaktoren gelten erhöhte Blutzuckerwerte im nüchternen Zustand oder nach einer Mahlzeit, die noch nicht die Kriterien eines Typ-2-Diabetes erfüllen („Prä-Diabetes“). Unter Vorstufen von Diabetes fallen ein „gestörter Nüchternblutzucker“ sowie eine „gestörte Glucosetoleranz“.
Allerdings bedeuten diese beiden Stoffwechselstörungen nicht, dass sich die Krankheit zwangsläufig entwickelt – lediglich die Wahrscheinlichkeit dafür steigt. So erkrankt etwa nur jede vierte Person mit gestörtem Nüchternblutzucker oder gestörter Glucosetoleranz im Laufe der nächsten drei bis fünf Jahre tatsächlich an einem Typ-2-Diabetes [9].
Mehr Information zum Thema Diabetes (Typ 1 und Typ 2) finden Sie auf den Seiten von www.gesundheitsinformation.de