Startseite ● Fertigprodukte: Wie ungesund sind hochverarbeitete Lebensmittel? Fertigprodukte: Wie ungesund sind hochverarbeitete Lebensmittel? Fertiggerichte und andere hochverarbeitete Lebensmittel könnten krank machen und das Leben verkürzen. Gesichert ist das aber nicht. 24. Oktober 2024 AutorIn: Jana Meixner Review: Bernd Kerschner Teilen Sind Fertiggerichte und andere hochverarbeitete Lebensmittel unbedenklich für die Gesundheit? möglicherweise nicht Menschen, die sehr oft hochverarbeitete Produkte wie Fertiggerichte und Süßigkeiten essen, scheinen kürzer zu leben als andere. Das dürfte vor allem daran liegen, dass sie häufiger Herz-Kreislauferkrankungen wie Herzinfarkte oder Schlaganfälle haben. Zu dieser Erkenntnis kommen bisherige Studien – gut abgesichert ist das jedoch nicht. Unklar ist, ob tatsächlich die hochverarbeiteten Nahrungsmittel für den schlechteren Gesundheitszustand verantwortlich sind oder eine generell ungesündere Lebensweise von Menschen, die Fertigprodukte bevorzugen. so arbeiten wir Keine gute Idee: Sich nur von Fertiggerichten ernähren. © istockphoto.com – ajr_images Fertigpizza, Instant-Nudeln, Müsli oder Schoko-Croissant: Hochverarbeitete Lebensmittel sind haltbar und günstig, außerdem essfertig oder schnell zuzubereiten. Und sie haben einen massentauglichen Geschmack. Doch immer wieder warnen Fachleute vor möglichen gesundheitlichen Auswirkungen. So soll der regelmäßige Verzehr von Fertigprodukten unter anderem Krebs fördern. Fertignahrung und Snacks enthalten meist viel Fett, Zucker und Salz. Außerdem industriell erzeugte Inhaltsstoffe, Konservierungsmittel, Geschmacksverstärker und Aromen. All das steht unter Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Reine Panikmache oder wissenschaftlich erwiesen? Wir haben uns auf die Suche nach Studien gemacht. Gesundheitsgefahr durch Fertigprodukte? Wir wollten wissen, ob durch Fertiggerichte und andere hochverarbeitete Lebensmittel das Risiko steigt, frühzeitig zu versterben. Dazu haben wir in verschiedenen Datenbanken nach Studien aus der ganzen Welt gesucht. Das Ergebnis: Menschen, die sehr oft hoch verarbeitete Lebensmittel essen, scheinen etwas kürzer zu leben und allgemein weniger gesund zu sein. Sie haben zum Beispiel ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie etwa Herzinfarkt oder Schlaganfall [Quelle 1]. In konkreten Zahlen bedeutet das: Von 1.000 Teilnehmenden, die wenig Fertiggerichte aßen, verstarben im Laufe der Studien durchschnittlich 119 Menschen. Unter jenen, die sehr viele Fertiggerichte konsumierten waren es rund 121 pro 1.000 – also 2 Menschen mehr. Widersprüchliche Ergebnisse zu Krebs-Risiko Auch Krebserkrankungen könnten geringfügig häufiger vorkommen – das gilt allerdings nicht für alle Krebsarten gleichermaßen. Während Darm- und Brustkrebs etwas häufiger vorkommen, scheint das Risiko für Prostatakrebs von den Ernährungsgewohnheiten unbeeinflusst zu bleiben [Quelle 2]. Auch scheint es zwar mehr Erkrankungen, aber nicht mehr Todesfälle durch Krebs zu geben [Quelle 1]. Alles in allem zeichnen die Studien also ein widersprüchliches, unscharfes Bild. Sowohl das höhere Risiko für einen frühzeitigen Tod als auch das Krebs-Risiko sind nicht gut abgesichert. Das hat mehrere Gründe. Einfluss der Ernährung ist schwierig zu erforschen Der erste liegt im Aufbau der Studien selbst. Wollen nämlich Forschende wissen, wie sich die Ernährung auf die Gesundheit auswirkt, bleibt ihnen nur eines übrig: Menschen nach ihren Essgewohnheiten zu befragen und ihren Gesundheitszustand zu messen. Solche Studien nennt man auch Beobachtungsstudien, weil die Forschenden dabei keine bestimmte Behandlung verabreichen, sondern einfach nur passiv beobachten. Diese Art von Studien sind in ihrer Aussagekraft eingeschränkt – so auch die Studien zu Fertiggerichten und Gesundheitsrisiken. Denn sie können uns nur eines sagen: Menschen, die oft Fertiggerichte essen, sind häufiger krank. Unklar bleibt jedoch, ob dafür tatsächlich die Nahrungsmittel selbst verantwortlich sind. Wer sich hauptsächlich von Tiefkühlpizza und Schokoriegel ernährt, achtet möglicherweise auch sonst eher wenig auf seine Gesundheit. Sind wirklich die Fertiggerichte schuld? Verglichen mit unverarbeiteten Nahrungsmitteln wie Obst, Gemüse oder frischem Fleisch sind Fertiggerichte außerdem praktisch und billig. Das macht sie vor allem für Menschen mit niedrigem Einkommen attraktiv. Und diese Personengruppe ist im Durschnitt weniger gesund als wohlhabende Menschen. In manchen der verfügbaren Studien zu hochverarbeiteten Lebensmitteln wurde diese mögliche Verzerrung bei der Auswertung der Ergebnisse zwar berücksichtigt. Es ist aber nicht möglich, alle derartigen Einflüsse herauszurechnen. Deshalb ist unser Vertrauen in das Gesamtergebnis eingeschränkt. Was gab’s zum Frühstück? Noch etwas macht Studien rund um die Ernährung zu einem schwierigen Unterfangen: Unsere Erinnerung ist eher schlecht, wenn es ums Essen geht. Oder wissen Sie noch ganz genau, was Sie in der vergangenen Woche gegessen haben? Vermutlich nicht. In den Studien mussten sich die Forschenden auf die Angaben der Teilnehmenden verlassen. Es ist also möglich, dass diese nicht immer korrekt oder wahrheitsgetreu waren. Das Fazit Der Verdacht, der übermäßige Konsum von Fertiggerichten und anderen hochverarbeiteten Lebensmitteln könnte uns krank machen, ist also durchaus berechtigt. Ganz sicher können wir das im Moment aber nicht sagen. Was sind eigentlich hochverarbeitete Lebensmittel? Schätzungen zufolge nehmen Menschen in Industrieländern wie Österreich, Deutschland oder der Schweiz mehr als die Hälfte ihrer täglichen Kalorien in Form hochverarbeiteter Lebensmittel zu sich [Quelle 2]. Dazu gehören fast alle Gerichte, die essfertig aus der Dose oder dem Tiefkühler kommen und meist nur noch aufgewärmt werden müssen. Auch Packerlsuppen zählen dazu. Genauso fertige Desserts, Kuchen und so gut wie alle Süßigkeiten. Sie enthalten meist eine lange Liste an Zutaten, die industriell hergestellt oder verändert wurden, sowie Konservierungsstoffe, Aromen oder Farbstoffe [Quelle 1 und 2]. Zu den unverarbeiteten Lebensmitteln zählen im Gegensatz dazu etwa Obst und Gemüse, Kartoffeln, Linsen und Bohnen, Pilze, Fleisch, Fisch, Eier und Milch. Also alles, was man in seiner ursprünglichen Form roh essen kann, oder in der Küche selbst zubereiten kann. Auch ethisch ein Problem Die Grundlage für Fertiggerichte, Snacks und Süßigkeiten bilden meist eine oder mehrere von nur vier Pflanzenarten: Weizen, Mais, Soja und sogenannte Ölpflanzen (zum Beispiel Raps oder Ölpalme). Fachleuten zufolge hat das gravierende Auswirkungen auf die Artenvielfalt in der Landwirtschaft. Eier, Milch und Fleisch in hochverarbeiteten Lebensmitteln stammen außerdem häufig aus Massentierhaltung. Hinzu kommt der vermehrte Müll, der durch Verpackungen anfällt. Das macht hochverarbeitete Lebensmittel nicht nur zu einem gesundheitlichen Problem, sondern auch zu einer zunehmenden Gefahr für unsere Umwelt [Quelle 3]. Die Studien im Detail Nach welchen Studien haben wir gesucht? Wir suchten in drei internationalen Datenbanken nach Studien, die den Zusammenhang von hochverarbeiteten Lebensmitteln und der Gesundheit untersucht haben. Gefunden haben wir einige sogenannte Übersichtsarbeiten, die die Ergebnisse aller bisher durchgeführten Studien zusammenfassen. Unsere Einschätzung in diesem Faktencheck basiert auf den beiden aktuellsten und aussagekräftigsten dieser Übersichtsarbeiten [Quellen 1 und 2]. Wie aussagekräftig sind die Studien? Die erste Arbeit aus dem Jahr 2023 fasst die Ergebnisse von 17 Beobachtungsstudien zu hochverarbeiteten Lebensmitteln und dem Krebsrisiko zusammen [Quelle 2]. Sie zeigen in Richtung eines erhöhten Krebsrisikos bei Menschen, die sehr oft hochverarbeitete Lebensmittel essen. Dieser Effekt scheint aber insgesamt klein zu sein. Unser Vertrauen in das Ergebnis ist zudem gering, weil sowohl die Übersichtsarbeit als auch die darin analysierten Studien mangelhaft sind. auch andere Faktoren wie Gesundheitsbewusstsein, Einkommen und Bildung das Krebsrisiko beeinflussen könnten die Ernährungsgewohnheiten der Teilnehmenden mittels Fragebogen erhoben wurden. Das macht die Angaben wenig verlässlich. Die Ergebnisse sind etwas widersprüchlich zu jenen der zweiten Arbeit [Quelle 1]: Darin konnten die Forschenden kein erhöhtes Risiko feststellen, an Krebs zu versterben. Somit scheinen Fertiggerichte zwar mit mehr Krebserkrankungen in Verbindung zu stehen – es wird aber nicht vermehrt daran gestorben. Die zweite Arbeit fasst zahlreiche Studien zusammen, und zwar sowohl zum Krebsrisiko als auch zu anderen Erkrankungen [Quelle 1]. Teilgenommen haben an diesen Studien insgesamt fast 10 Millionen Menschen. Diese Studien kamen zu dem Schluss, dass Menschen, die sehr oft hochverarbeitete Lebensmittel essen, durchschnittlich etwas früher sterben – je öfter, desto deutlicher war dieser Effekt. Das Sterbe-Risiko erhöhte sich durch Fertignahrung um durchschnittlich 2 Prozent. Aber auch hier sind wir uns unsicher, denn die einzelnen Studien waren sehr unterschiedlich Ernährungsgewohnheiten wurden ebenfalls mittels Fragebogen erhoben die Übersichtsarbeit ist zwar einwandfrei gemacht, aber die zusammengefassten Studien haben teilweise Mängel auch hier könnten andere Faktoren wie Gesundheitsbewusstsein, Einkommen und Bildung den Gesundheitszustand beeinflussen. Wissenschaftliche Quellen [1] Lane, M. M., et al. (2024). Ultra-processed food exposure and adverse health outcomes: umbrella review of epidemiological meta-analyses. bmj, 384. (Link zur Studie) [2] Isaksen, I. M., & Dankel, S. N. (2023). Ultra-processed food consumption and cancer risk: A systematic review and meta-analysis. Clinical Nutrition, 42(6), 919-928. (Link zur Studie) [3] Leite F.H.M, et al. (2022). Ultra-processed foods should be central to global food systems dialogue and action on biodiversity. BMJ Global Health; 7:e008269. (Link zur Studie) Versionsgeschichte 24.5.2018: Erste Veröffentlichung des Faktenchecks. Damals noch ausschließlich zum Thema Fertiggerichte und Krebsrisiko. 24.10.2024: Neuerliche Suche und Erweiterung des Faktenchecks um die Frage, ob Fertiggerichte generell krank machen und das Leben verkürzen. Schlagworte fastfoodFertiggerichteFertignahrungKrebsLebenserwartung In über 500 Faktenchecks suchen